Die vergessene Welt. Arthur Conan Doyle
Читать онлайн книгу.machen können von der unglaublichen Gestalt, die diese Tat annahm, oder von den seltsamen Wegen, die ich zu gehen hatte, um sie auszuführen?
Und am Ende wird es dem Leser noch scheinen, als ob dies Einleitungskapitel gar nichts mit meiner Erzählung zu tun hat. Und doch würde diese Erzählung ohne dieses Kapitel nicht zustande gekommen sein, denn nur, wenn ein Mann mit dem Gedanken in die Welt hinausgeht, dass überall heroische Taten möglich sind, und mit dem immer lebendigen Wunsche im Herzen, eine solche auszuführen, sobald sie sich ihm darbietet, wird er mit seinem Leben brechen, wie ich es getan habe, und sich hinauswagen in das zauberhaft mystische Dämmerland, wo die großen Abenteuer und die großen Erfolge ihm winken. Schaut mich an denn, ihr in der Redaktion der Daily Gazette, deren höchst unbedeutendes Mitglied ich bisher war, wie ich fest entschlossen bin, wenn möglich noch in dieser Nacht das Abenteuer zu suchen, das mich meiner Gladys würdig macht.
War es Hartherzigkeit, war es Eigennutz, wenn sie mich aufgefordert hat, mein Leben für ihre Ruhmsucht zu wagen? Solche Gedanken mögen einem Manne reiferen Alters kommen, niemals aber einem kühnen dreiundzwanzigjährigen Jüngling im Feuer seiner ersten Liebe.
Zweites Kapitel
Versuchen Sie Ihr Glück mit Professor Challenger
Ich hatte McArdle immer gern, diesen alten, mürrischen, rundbäckigen Verlagsdirektor mit dem roten Gesicht, und glaubte zu fühlen, dass er auch mich gern mochte. Natürlich war Beaumont der eigentliche Prinzipal, aber der lebte in der verdünnten Atmosphäre irgendeiner olympischen Höhe, von wo aus er kleinere Dinge als eine internationale Krisis oder eine Spaltung im Kabinett nicht mehr unterscheiden konnte. Wir sahen ihn zuweilen in einsamer Majestät in das innere Heiligtum schreiten, mit einem unbestimmten Ausdruck in den Augen und im Geiste über dem Balkan oder dem Persischen Meerbusen schwebend. Er war für uns unerreichbar. Aber McArdle war seine rechte Hand, und ihn kannten wir. Der alte Mann nickte mit dem Kopf, als ich sein Zimmer betrat, und schob die Brillengläser weit hinauf auf die kahle Stirn.
»Nun, Herr Malone, nach allem, was ich höre, scheint es Ihnen recht gut zu gehen«, sagte er mit seinem freundlichen schottischen Akzent.
Ich verbeugte mich dankend.
»Die Bergwerksexplosion war ausgezeichnet. Auch das Feuer in Southwark. Sie haben das richtige Gefühl für Beschreibung. Was führt Sie denn heut zu mir?«
»Ich möchte Sie um eine Gunst bitten.«
In seinem Gesicht malte sich Erschrecken, und er vermied es, mich anzusehen.
»Na nu, na nu, um was handelt es sich denn?«
»Glauben Sie, Herr McArdle, dass es möglich wäre, mir irgendeinen besonderen Auftrag für die Zeitung zu geben? Ich würde versuchen, das Bestmögliche zu leisten, die Sache ordentlich durchzuführen, und Ihnen gute Berichte liefern.«
»An welche Art von Aufträgen dachten Sie, Herr Malone?«
»An irgend etwas, das mit Abenteuern und Gefahren verbunden ist, Herr McArdle. Ich würde mir die allergrößte Mühe geben. Je schwieriger die Aufgabe wäre, desto mehr würde sie mir zusagen.«
»Sie scheinen ja sehr begierig zu sein, Ihr Leben zu verlieren.«
»Mein Leben zu rechtfertigen, Herr McArdle.«
»Ach, du lieber Gott, Herr Malone, das klingt ja sehr sehr erhaben. Ich fürchte, die Zeiten für derartige Dinge sind gewesen. Die Ausgaben für einen Spezialauftrag werden kaum durch den Erfolg gerechtfertigt, und man würde einen solchen Auftrag natürlich auch nur an einen erfahrenen Mann mit bekanntem Namen geben, der das öffentliche Vertrauen genießt. Die großen weißen Stellen auf der Landkarte sind heute ziemlich verschwunden, und es gibt da kaum noch irgendeine Stelle für romantische Erlebnisse. Warten Sie mal, doch,« fügte er hinzu, während ein plötzliches Lächeln über sein Gesicht huschte, »die weißen Stellen auf der Landkarte bringen mich auf eine Idee. Wie wäre es damit, wenn Sie einen Schwindler, – einen modernen Münchhausen – bloßstellen und ihn lächerlich machen könnten. Sie könnten ihn als einen Lügner, der er sicherlich ist, festnageln. Mann, das wäre eine feine Sache! Wie gefällt Ihnen das?«
»Irgend etwas – irgendwo – mir ganz gleichgültig.«
McArdle versank für einige Minuten in Gedanken. »Ich wäre doch neugierig, ob es Ihnen gelingt, eine nähere oder wenigstens doch eine oberflächliche Bekanntschaft mit dem Burschen zu schließen«, sagte er schließlich. »Sie scheinen eine Art Talent zur Anknüpfung guter Beziehungen zu haben – Sympathie, nehme ich an, oder tierischer Magnetismus oder jugendliche Lebenskraft – oder sonst etwas. Ich fühle das an mir selbst.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, Herr McArdle.«
»Warum sollten Sie nicht Ihr Glück versuchen bei Professor Challenger in Enmore Park?«
Ich muss gestehen, ich sah ihn etwas überrascht an.
»Challenger,« rief ich aus, »Professor Challenger, der berühmte Zoologe? War das nicht der Mann, der dem Blundell vom ›Telegraph‹ einen Schädelbruch beibrachte?«
Der Verlagsdirektor lächelte grimmig.
»Erinnern Sie sich daran? Sagten Sie nicht, Sie wären auf Abenteuer aus?«
»Soweit der Beruf sie mit sich bringt«, antwortete ich.
»Ganz recht. Ich glaube ja nicht, dass er immer so gewalttätig ist. Ich nehme an, Blundell ist zu einem ungünstigen Zeitpunkt bei ihm erschienen. Vielleicht war er auch ungeschickt. Sie können ja mehr Glück haben oder mehr Takt in der Art, ihn zu nehmen. Ich bin überzeugt, das ist eine Sache, die Ihnen liegen müsste. Das sollten wir zusammen machen!«
»Ich weiß tatsächlich gar nichts von ihm«, sagte ich. »Ich erinnere mich seines Namens nur in Verbindung mit den Vorgängen beim Polizeigericht wegen des Schlages, den er Blundell versetzt hat.«
»Hier sind ein paar Notizen zu Ihrer Information, Herr Malone. Ich habe den Professor seit einiger Zeit im Auge.« Er nahm ein Stück Papier aus einem Schubfach. »Dies ist eine kleine Übersicht über seinen Lebenslauf. Da heißt es kurz:
Challenger, George Edward, geb. Largs N. B. 1863. Ausbildung: Gymnasium in Largs; Universität Edinburg. Assistent am Britischen Museum, 1892. Kustos der Abteilung für vergleichende Anthropologie, 1893. Zurückgetreten nach einem heftigen wissenschaftlichen Streit im selben Jahre. Verleihung der Crayston-Medaille für zoologische Untersuchungen. Auswärtiges Mitglied von – hm, das ist ja eine ganze Masse auf zwei Zoll in kleiner Schrift – Belgische Gesellschaft, Amerikanische Akademie der Wissenschaften, La Plata usw. usw., Expräsident der Paläontologischen Gesellschaft, Sektion H., Britische Gesellschaft usw. usw. – Veröffentlichungen: Einige Untersuchungen über eine Reihe von Kalmückenschädeln; Abriss der Entwicklung der Wirbeltiere und zahlreiche Zeitungsartikel, darunter, ›Der dem Weismannismus zugrunde liegende Irrtum‹, der eine erbitterte Diskussion auf dem zoologischen Kongress in Wien hervorrief. Lieblingsbeschäftigung: Wandern, Bergsteigen. Adresse: Enmore Park, Kensington, W.
Hier, nehmen Sie das an sich. Das ist alles, was ich heute für Sie habe.«
Ich steckte das Stück Papier in die Tasche.
»Einen Augenblick, Herr McArdle«, sagte ich, als ich eine löchrige kahle Platte statt eines roten Gesichts vor mir sah. »Ich bin mir noch nicht ganz klar darüber, warum ich diesen Gentleman besuchen soll. Was hat er getan?« Das rötliche Gesicht leuchtete von neuem auf.
»Er ging vor zwei Jahren nach Südamerika, um eine geheimnisvolle Expedition auszuführen. Kam im vergangenen Jahr zurück. Ist zweifellos in Südamerika gewesen, lehnt ab, genau anzugeben, wo. Erzählt in unbestimmten Ausdrücken von seinen Erlebnissen; aber als jemand näheres aus ihm herausholen wollte, wurde er verschlossen wie eine Auster. Da ist entweder irgend etwas Wunderbares passiert – oder der Mann ist ein kolossaler Lügner. Das letztere ist das Wahrscheinlichere. Hatte einige beschädigte Photographien, die man aber für Schwindel hält. Wurde so reizbar, dass er jeden angriff, der etwas von ihm wissen wollte, und warf Reporter