Vermisst in Nastätten. Ute Dombrowski

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Vermisst in Nastätten - Ute Dombrowski


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füllte sie mit Salz und ging hinaus auf die Straße, wo er es mit Schwung über dem Gehweg ausschüttete. Als er sein Werk beendet hatte, machte er sich fluchtartig auf den Weg zu Undine, denn Paul war vor das Haus getreten, um die Schneeräumaktionen der Nachbarn zu kommentieren, worauf hatte Reiner nun wirklich keine Lust hatte. Er fühlte sich erst wieder sicher, nachdem er in Undines Hof getreten war. Hier war ein schmaler Gang gefegt, nur so viel, dass man von vorne nach hinten gehen konnte.

      Im Haus war es kuschelig warm und es duftete nach Kaffee und frischen Brötchen.

      „Na, warst du die Erste beim Bäcker?“, fragte er Undine und küsste sie.

      „Uh, du hast ja eine kalte Nase! Nein, ich war nicht die Erste. Stell dir vor, ein Fremder stand am Tisch und hatte schon einen Kaffee vor sich, als ich den Laden betrat.“

      „Ich habe auch schon einen getroffen.“

      „Mich erinnert das an den Fremden, der in meinen Hof gekommen war. Kurze Zeit später war er tot.“

      „Ja, klar“, sagte Reiner lachend, „ich schaue gleich mal am Bach, ob da eine Leiche liegt.“

      „Du lachst, aber ich meine es ernst. Ein Fremder in Nastätten ist ein Vorbote für etwas Schlechtes.“

      „Jetzt hör aber auf mit dem Quatsch. Weißt du, wie viele Fremde jeden Tag nach Nastätten kommen? Denkst du, die stapeln sich jetzt alle ermordet im Leichenschauhaus? Du übertreibst wieder mal maßlos.“

      Undine war eingeschnappt.

      „Du wirst schon sehen, dass ich recht habe. Jetzt lass uns frühstücken und mit dem Thema aufhören. Ich möchte mich gerade nicht streiten.“

      Reiner sah es schon vor sich, wie Undine und Lene das Thema nachher durchdiskutierten, verkniff sich aber das Lachen, denn seine Freundin sah tatsächlich sauer aus.

      Um sie wieder fröhlich zu stimmen, sagte er: „Ich habe bei mir vor dem Haus geräumt und fand einen Augenblick die getrennten Wohnungen blöd. Manchmal könnte ich mir vorstellen, dich zu heiraten.“

      Jetzt war es Undine, die sich das Lachen verkneifen musste.

      „Dieser Heiratsantrag schafft es bestimmt auf die Liste ganz oben.“

      „Welche Liste?“

      „Die der dämlichsten Heiratsanträge.“

      „Warum?“

      „Du denkst also nicht daran, mich vor lauter wahnsinniger Liebe zu heiraten, sondern weil du allen Ernstes keinen Schnee räumen möchtest? Jede nor­male Frau würde dich sofort verlassen. Du hast Glück, dass ich anders bin.“

      „Ach, liebe Undine, falls ich dich wirklich mal heiraten möchte, mache ich dir einen Antrag, der standesgemäß ist, das verspreche ich dir.“

      „Mein lieber Reiner, dieser Satz macht es nicht besser. Schieb dir ein Brötchen zwischen die Zähne, sonst schmeiße ich dich doch noch raus.“

      Sie grinste und schüttelte den Kopf. Dieser Mann brauchte dringend ein bisschen Nachhilfe in Sachen Romantik. Es war ein tolles Thema für den Mädelsabend morgen. Reiner würde ausflippen, wenn er wüsste, dass die Frauen sich darüber kaputtlachen werden.

      Nach dem Frühstück schob Reiner noch den Schnee vor dem Sponheimer Hof, dann fegte er sein Auto frei.

      „Ich muss jetzt los. Keine Ahnung, wann ich wieder zurück bin. Wir telefonieren mal zwischendurch, einverstanden?“

      „Ja, gerne, nachher kommt Lene, wir müssen noch ihre weihnachtliche Keramik brennen. Fahr vorsichtig!“

      Sie küssten sich und Reiner verschwand. Undine legte Holzscheite nach und bald war es so warm, dass sie das Fenster öffnen musste. In dem Moment betrat Lene den Hof. Sie strahlte, als sie ins Haus gepoltert kam.

      „Es hat geschneit!“

      „Ich weiß. Am liebsten würde ich eine Winterwanderung machen. Aber lass uns deine Sachen brennen, vielleicht haben wir danach noch Zeit.“

      „Ich liebe Schnee!“

      „Ich auch. Reiner hasst ihn. Der weiß gar nicht, was schön ist.“

      Und es war wirklich wunderschön. Auf den Dächern in der Oberstraße lag der Schnee ganz unberührt. Im Garten bogen sich die Äste der Bäume, die Skulpturen trugen weiße Mützen. Alles glänzte und glitzerte. Es würde ein toller Tag werden.

      7

      Reiner hatte mehr als eine Stunde gebraucht, um auf seinem Arbeitsplatz anzukommen. Dementsprechend war er schlecht gelaunt und knurrte Jennifer an, die bereits am Computer saß.

      „Sieben Unfälle in einer Stunde!“, rief sie ihm entgegen.

      „Jaja, die fahren alle wieder mit Sommerreifen und wir haben die ganze Arbeit.“

      „Wir eigentlich nicht. Wir sind ja nicht die Verkehrspolizei.“

      „Ich habe eben Mitgefühl mit meinen Kollegen. Was liegt denn an?“

      „Du und Mitgefühl? Na, lassen wir das. Es gibt einen Einbruchsversuch in die Stadtverwaltung in Nastätten.“

      „Wer bricht denn im Amt ein? Wie blöd kann man sein? Was gibt es denn da zu stehlen?“

      „Keine Ahnung. Lass uns mal hinfahren, aber erst müssen wir noch zum Chef.“

      Reiner runzelte die Stirn. Er mochte es nicht, schon morgens bei seinem Vorgesetzten vorgeladen zu werden.

      „Na dann los. Was will der denn?“

      „Das wird er uns gleich sagen. Nerv mich doch nicht mit deiner schlechten Laune. Was denkst du, wie lange ihr zu deiner Mutter braucht, wenn solch ein Wetter ist?“

      Damit hatte Jennifer einen weiteren wunden Punkt getroffen, an den Reiner noch gar nicht gedacht hatte. Bei Schnee auf den Autobahnen zu fahren gefiel ihm überhaupt nicht. Manche rasten rücksichtslos, dann stand man ewig im Stau und dann wäre da auch noch Undine, die den Schnee bewunderte, dauerhaft an seiner Seite. Ob er das aushielt?

      Seufzend und mit noch schlechterer Laune klopfte er an die Tür des Dienststelleneiters. In dessen Büro war es eiskalt, weil er wie jeden Morgen ausgiebig lüftete.

      „Du heizt mit dem Geld des Steuerzahlers ganz Sankt Goarshausen“, stänkerte Reiner.

      Winfried Brötzeler ging nicht drauf ein, schloss die Fenster und bot Jennifer und ihm einen Platz an. Reiner dachte: Auch noch hinsetzen, das bedeutet sicher Unheil.

      „Kaffee?“

      „Nein“, antwortete er misstrauisch. „Was ist hier los?“

      Der Dienststellenleiter strahlte über das ganze bärtige Gesicht, als er sich in seinem Schreibtischstuhl zurücklehnte.

      „In diesem Jahr wird es eine große Weihnachtsfeier geben und ihr werdet sie organisieren. Ich möchte, dass es gemütlich wird, mit gutem Essen, einem guten Wein und fröhlicher Stimmung.“

      „Wenn du jetzt auch noch Wichteln vorschlägst, lasse ich mich versetzen.“

      Winfried Brötzeler sah Reiner begeistert an.

      „Wichteln ist eine tolle Idee! Mensch, das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“

      Jetzt griff Jennifer ein.

      „Wichteln ist nicht mehr üblich, Chef! Außerdem können wir nicht ohne Reiner auskommen. Wir werden gerne irgendwo eine Lokalität buchen und ein gemütliches Zusammensein organisieren, aber für mehr fehlt uns die Zeit.“

      „Wieso das denn? Es ist gar nichts los im Moment, da habt ihr doch Zeit.“

      Der Dienststellenleiter sah richtig enttäuscht aus. Reiner war froh, dass er jetzt mit Jennifer in die engere Planung ging. Weihnachtsfeier war eigentlich schlimm, aber ein bisschen Essen


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