was Leiden schafft. Hermann Brünjes

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was Leiden schafft - Hermann Brünjes


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      „Na ja. Gemischt.“

      „Was bedeutet das?“

      „Er wirkt etwas, sagen wir, martialisch. Tarnkleidung, Bundeswehr, Geländespiele, Lagerfeuer, Angeln … all diese Pfadfindersachen findet er gut.“

      „Und doch haben sie ihm Ihren Sohn anvertraut?“

      „Ja, sicher. Ben hat total von ihm geschwärmt und die Zeit bei den Fischteichen hat ihm gutgetan. Er war manchmal sogar motiviert, etwas für die Schule zu tun.“

      „Haben Sie keine Angst gehabt, dass dieser Malle Ihren Sohn mit rechtem Gedankengut oder sonst ideologisch beeinflusst?“

      Sie schüttelt mit dem Kopf.

      „Nee. Dazu fehlt Malik das politische Bewusstsein. Er hat einfach nur Spaß am Draußen sein, Abenteuer, Action und Chillen mit einem Bier am Lagerfeuer.“

      „Na, das hört sich doch an, als kennen Sie ihn besser.“

      Sie lächelt wissend. „Ich war mal bei einem Grillabend dort.“

      Jetzt werden wir gestört.

      Geräusche kommen von der Eingangstür. Ein Mann steht in der Tür, Helge Lohse. Auch ihn habe ich anlässlich des Todes seines Sohnes vor einem dreiviertel Jahr kennengelernt. Er ist ein sportlicher Typ, IT-Experte und arbeitet in Lüneburg.

      Er wechselt seine Straßenschuhe gegen bequeme Pantoffeln, hängt seinen Wollmantel an die Garderobe und steht dann neben uns. Ich erhebe mich und wir dippen Corona-konform unsere Fäuste aneinander.

      „Herr Jahnke, der Journalist! Was verschafft uns die Ehre?“

      Seine Frau klärt ihn auf. Er runzelt die Stirn.

      „Sie meinen also, die Clique vom Krater oder dieser Malle haben etwas mit dem Tod von Ben zu tun?“

      „Nein, nein. Im Moment untersuche ich nur die Sache mit den Granaten. Aber es ist immerhin dieselbe Clique.“

      „Das stimmt. Doch bei Ben wurden weder irgendwelche Munitionsrückstände gefunden, noch hatte er eine Fischvergiftung. Ausgeschlossen an Ursachen für seine Erkrankung hat man so ziemlich alles, diagnostiziert leider gar nichts!“

      „Und was denken Sie?“

      Er schüttelt mit dem Kopf. „Ich denke gar nicht mehr. Sobald ich damit anfange, werde ich traurig und wütend zugleich.“

      „Warum wütend?“

      Hannah und Helge Lohse schauen einander an.

      „Weil die Ärzte ihm nicht geholfen haben. Weil sie ihn nicht obduzieren wollten. Weil man uns immer nur hingehalten hat: Sowas gäbe es eben immer wieder. Weil das Leben ohne ihn nicht mehr richtig rund läuft!“

      Ihm laufen Tränen über die Wange. Er wischt sie beschämt mit dem Handrücken ab. Auch seine Frau weint. Es wird Zeit für mich zu gehen. Ich reiße alten Wunden auf.

      Ich drücke mein Verständnis aus und bitte um Verzeihung.

      „Ist schon in Ordnung“, beruhigt sich Helge. „Uns ist ja auch schon aufgefallen, dass es sich um Bens alte Clique handelt. Zwar standen keine Namen in der Zeitung, aber es stand drin, wo sich die Explosionen ereignet haben. Und dieser Krater bei Himmelstal gehörte nun mal zum ‚Revier‘ unseres Sohnes und seiner Freunde.“

      *

      Während der Fahrt in die Kreisstadt empfinde ich eine seltsame Unruhe. Alles scheint logisch: Ich reiße alte Wunden auf und ein Ehepaar muss sich schmerzlich erinnern. Sie leiden sehr, sind verletzt und traurig. Wie auch sonst, wenn man einen Sohn verloren hat? Sie haben bereits eins und eins zusammengezählt und die Verbindung zum Krater und zur Clique hergestellt. Aber einen Zusammenhang mit Bens Tod sehen sie nicht. Wohl, weil es keinen gibt. Trotzdem.

      Als es um Malle ging, war Hannah komisch. Kannte sie ihn wirklich nur oberflächlich, oder besser als sie zugab?

      Samstag, 5. März

      Ich gestehe, ein bisschen nervös bin ich schon.

      Den Vormittag habe ich mit den Artikeln zum Baugebiet im Südkreis und dem gestrigen Abendtermin verbracht. Dann habe ich mir ein paar Nudeln gekocht und zwei Spiegeleier in die Pfanne gehauen, gegessen und noch einen Kaffee getrunken. Marens Rückkehr von der Frühschicht wollte ich diesmal nicht abwarten, da wir sonst noch Kaffee getrunken und geklönt hätten. Ich habe jedoch etwas vor und habe darauf extra bis jetzt gewartet.

      Vor dem Tor zu den Fischteichen steige ich vom Rad. Meine Kamera ist startklar. Das Tor ist nur angelehnt. Ich schiebe es beiseite und mein Stevens-Rad hindurch.

      Dann lehne ich es an den Stamm einer Erle. Noch sehe ich niemanden. Die Tannen versperren die Sicht. Erst als ich um eine Ecke biege, liegen die Fischteiche vor mir, umsäumt von Erlen und Weiden. Ein Mann werkelt irgendetwas vor der Hütte herum. Die wirkt baufällig, so als bedürfe sie nicht nur Farbe, sondern auch Reparaturen am Dach und mancher Holzteile.

      Am vorderen Teich stehen neben einer Holzbank zwei Jungen. Einer von ihnen ist Dennis, mein Nachbar.

      Es war also richtig entschieden, den Samstagnachmittag für meinen Besuch zu wählen. Der Jüngere angelt, Dennis scheint gerade einen Regenwurm auf den Haken seiner Angel zu ziehen. Vor mir, unter einem einfachen Verschlag, steht ein Quad. Sonst fällt mir nichts Besonderes auf.

      Ich gehe auf den Mann zu. Er ist klein, wirkt aber drahtig und kräftig. Seine dunklen Haare sind kurz geschnitten, er ist am Hals tätowiert und trägt einen Parka in Tarnfarben zu Jeans und abgewetzten Bundeswehrstiefeln. Nun bemerkt er mich und richtet sich auf.

      „Wer sind Sie?“ Seine Stimme klingt hart.

      Dennis hebt seinen Blick vom Haken. Bevor ich antworten kann, stellt er mich vor.

      „Das ist mein Nachbar Jens Jahnke, der Reporter.“

      Skeptisch reicht mir Malle die Hand. Sein Händedruck ist kräftig. Corona scheint hier nicht zu existieren.

      „Sie sind also der Schreiberling, der von der Explosion berichtet hat. Ich bin Malik Yilmatz, Malle, wenn Sie wollen.“

      Ich will nicht, behalte das aber für mich.

      „Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Dennis und Linus haben viel Gutes von Ihnen und dem Abenteuerspielplatz hier erzählt. Da dachte ich, das sehe ich mir mal an.“

      „Sie haben Linus besucht? Wie geht es ihm?“

      Ich sage, dass es Linus gut geht und denke, dass Malle seinen Fan ja auch mal hätte besuchen können. Aber so weit geht die Fürsorge dann vermutlich doch nicht.

      Mit weiter Armbewegung weist er über sein Grundstück.

      „Soll ich Sie mal herumführen? Obwohl, so viel gibt es nicht zu sehen.“

      Heute ist es zwar kühl aber trocken. Natürlich will ich das Gelände sehen, deshalb bin ich hier. Vor allem jedoch will ich mir ein Bild von Malle machen. Ich sage also Ja.

      Der jüngere Junge angelt weiter, Dennis kommt mit. Malik Yilmatz führt uns.

      Die meiste Zeit redet jedoch der begeisterte Dennis. „Dies sind die wichtigsten Teiche zum Angeln!“ schwärmt er. „Hier sind Forellen drin. Der Bach fließt durch die Becken und das Wasser ist sehr sauerstoffreich. Hier, eins weiter, sind Brassen und Rotfedern drin. Wehe, ein Hecht kommt in einen der Teiche. Dann sinkt der Fischbestand spürbar und wir müssen erst einmal den Raubfisch fangen, bevor wir normal weitermachen können. Und das ist nicht so einfach. Am Ufer der Teiche stehen Bäume. Da bleiben unsere Blinker hängen. Was meinen Sie, wie viele davon hier irgendwo herumschwimmen …?“

      Man spürt Dennis seine Begeisterung und auch Stolz ab.

      Nun aber greift Malle ins Gespräch ein.

      „Dennis, nun halt mal die Luft an. Es hört sich an, als sei


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