Charles Dickens. Charles Dickens

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Charles Dickens - Charles Dickens


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ich ihr unmöglich heraushelfen konnte. –

      »Er sagt – ich weiß, daß es sehr töricht ist, wir sind beide noch so jung – aber er sagt – sie war ganz aufgelöst in Tränen –, er liebe mich von Herzen, Esther.«

      »Sagt er das wirklich? So etwas hab ich mein Leben lang noch nicht gehört! Aber, mein allerliebster Schatz, das hätte ich dir schon vor vielen, vielen Wochen sagen können.«

      – Zu sehen, wie Ada mit glühenden Wangen freudig überrascht aufsah und mich umarmte und lachte und weinte und errötete und lachte, war entzückend. –

      »Aber, Liebling, für was für eine Gans mußt du mich halten. Dein Vetter Richard ist so offenkundig wie nur möglich in dich verliebt, ich weiß nicht, wie lange schon.«

      »Und du hast mir nie ein Wort davon gesagt!« rief Ada und küßte mich.

      »Nein, liebes Kind, ich wartete, bis du es mir selbst sagen würdest.«

      »Aber jetzt, meinst du nicht, daß es unrecht von mir ist?« Sie hätte mir ein Nein abschmeicheln können, auch wenn ich die hartherzigste Duenna in der Welt gewesen wäre, so aber sagte ich ganz offenherzig: »Nein.«

      »So, jetzt weiß ich ja das Schlimmste von der Sache.«

      »O, das ist noch nicht das Schlimmste, liebe Esther«, rief Ada und zog mich noch fester an sich und verbarg ihr Gesicht schon wieder an meiner Brust.

      »Nicht? Nicht einmal das?«

      »Nein, nicht einmal das«, murmelte Ada und schüttelte den Kopf.

      »Was, du willst doch nicht etwa sagen...« fing ich scherzend an.

      Ada blickte auf und lächelte unter Tränen.

      »Ja, es ist so, Esther. Du weißt, du weißt, es ist so.« Und dann schluchzte sie: »Von ganzem Herzen liebe ich ihn! Von ganzem Herzen, Esther!«

      Ich sagte ihr lachend, daß ich auch das ebenso genau gewußt habe wie das andre.

      Und wir saßen vor dem Feuer, und ich mußte eine Zeitlang ganz allein reden, wenn es auch nicht allzu lange dauerte, denn Ada war bald wieder ruhig und glücklich.

      »Meinst du, daß es Vetter John weiß, Mütterchen?«

      »Wenn Vetter John nicht blind ist, Herzblatt, so sollte ich meinen, dürfte er es ungefähr so genau wissen wie wir beide.«

      »Wir müssen mit ihm sprechen, ehe wir uns von Richard trennen«, gestand Ada schüchtern. »Und wir möchten gern, daß du uns einen Rat gibst und es ihm sagst. Vielleicht hast du nichts dagegen, wenn Richard hereinkommt, Mütterchen?«

      »So, so, Richard ist draußen. Was du sagst!«

      »Ich weiß es nicht ganz gewiß«, stammelte Ada mit einer verschämten Einfalt, die mein Herz hätte gewinnen müssen, wenn sie es nicht schon längst besessen hätte, »aber ich glaube, er wartet vor der Tür.«

      Selbstverständlich wartete er draußen.

      Sie stellten auf jede Seite neben mich einen Stuhl und setzten mich zwischen sich und schienen sich wirklich mehr in mich als in einander verliebt zu haben, so vertrauensvoll, aufrichtig und zärtlich waren sie zu mir. Sie ließen mich eine Weile gar nicht los, und ich freute mich viel zu sehr darüber, um ihnen zu wehren. Dann wurden wir allmählich ernster und fingen an zu bedenken, wie jung sie noch waren und daß manches Jahr vergehen müßte, ehe ihre taufrische Liebe zum Ziele kommen könnte, und daß sie nur zum Glücke führen würde, wenn sie wirklich und dauernd sei und sie zur Beständigkeit, tapferm Ausharren und Pflichttreue begeistere. Richard schwor, daß er sich die Finger bis auf die Knochen abarbeiten wolle für Ada, und Ada sagte, daß sie sich die Finger bis auf die Knochen abarbeiten wolle für Richard, und sie gaben mir alle möglichen Kosenamen, und wir saßen beratend und plaudernd die halbe Nacht beisammen. Schließlich, bevor wir von einander schieden, versprach ich ihnen, morgen darüber mit ihrem Vetter John zu reden.

      Gleich nach dem Frühstück begab ich mich zu meinem Vormund in das Zimmer, das uns in der Stadt das Brummstübchen ersetzte, und sagte ihm, ich hätte den Auftrag, ihm etwas mitzuteilen.

      »Nun, Mütterchen«, meinte er und klappte sein Buch zu. »Wenn du es übernommen hast, kann es nichts Schlimmes sein.«

      »Ich hoffe nicht, Vormund. Jedenfalls kann ich mich dafür verbürgen, daß es sich nicht um Heimlichkeiten handelt, denn es geschah erst gestern.«

      »So. Und was ist es denn, Esther?«

      »Vormund, erinnerst du dich an den schönen Abend unsrer Ankunft in Bleakhaus, wo Ada in dem dunkeln Zimmer sang?«

      – Ich wünschte, ihm den Blick, den er mir damals zugeworfen hatte, ins Gedächtnis zurückzurufen. Wenn ich mich nicht sehr irre, erinnerte er sich sogleich daran. –

      »Weil...« begann ich nach einigem Zögern.

      »Ja, mein Kind!« sagte er. »Laß dir nur Zeit.«

      »Weil... Weil Ada und Richard sich ineinander verliebt haben und es einander gestanden haben.«

      »So bald schon?« rief mein Vormund ganz erstaunt.

      »Ja. Und, um dir nur die Wahrheit zu sagen, Vormund, ich erwartete es fast.«

      »Den Kuckuck auch!«

      Ein paar Minuten lang saß er mit einem gewinnenden gütigen Lächeln in dem lebhaft den Ausdruck wechselnden Gesicht nachsinnend da und bat mich dann, sie wissen zu lassen, daß er sie zu sehen wünsche. Als sie kamen, schlang er den Arm um Ada in seiner väterlichen Weise und wandte sich mit heiterm Ernst an Richard.

      »Richard, es freut mich, Euer Vertrauen gewonnen zu haben. Ich hoffe, es mir zu erhalten. Wenn ich über die Beziehungen zwischen uns vieren, die mein Leben so aufhellen und ihm soviel neuen Inhalt und Genuß gegeben haben, nachdachte, hielt ich es allerdings in einer spätem Zeit für möglich, daß du und deine hübsche Kusine hier – sei nicht verlegen, Ada, sei nicht verlegen, liebes Kind – Lust bekommen könntet, miteinander durchs Leben zu gehen. Ich sah und sehe heute noch manchen andern Grund, der das wünschenswert erscheinen läßt, aber ich dachte dabei an eine spätere Zukunft, Rick, an eine spätere Zukunft.«

      »Auch wir denken an eine spätere Zukunft«, entgegnete Richard.

      »Gut. Das ist recht und vernünftig. Aber jetzt hört mich an, liebe Kinder. Ich könnte euch sagen, daß ihr euch selbst noch nicht genau kennt, daß tausend Dinge geschehen können, euch einander zu entfremden, daß es gut ist, daß die Blumenkette, die ihr euch angelegt habt, so leicht zu lösen ist, da sie sonst vielleicht zu einer Kette von Blei werden könnte. Aber das alles will ich euch nicht vorhalten. Solche Weisheit kommt früh genug, wenn sie überhaupt kommt. Ich will annehmen, daß ihr Jahre später einander noch im Herzen dasselbe sein werdet, was ihr euch heute seid. Alles, was ich euch jetzt sagen will, ist, schämt euch nicht, wenn ihr andern Sinnes werden solltet, wenn ihr entdeckt, daß ihr in reiferem Alter mehr in dem Verhältnis gewöhnlicher Verwandter zueinander steht als jetzt in euren blutjungen Jahren – du entschuldigst schon, Rick –, schämt euch nicht, es mir anzuvertrauen, denn es ist nichts Ungeheuerliches oder Ungewöhnliches daran. Ich bin nur euer Freund und entfernter Verwandter. Ich habe keinerlei Macht über euch. Aber ich wünsche und hoffe, mir euer Vertrauen zu erhalten, wenn ich nichts tue, um es mir zu verscherzen.«

      »Ich bin überzeugt, lieber Vetter«, entgegnete Richard, »daß ich auch zugleich für Ada spreche, wenn ich sage, daß du die größte Macht über uns hast, die es gibt, nämlich die, die aus Verehrung, Dankbarkeit und Liebe entspringt und jeden Tag stärker wird.«

      »Lieber Vetter John«, fiel Ada ein, an Mr. Jarndyces Schulter gelehnt, »meines Vaters Stelle kann nie wieder leer werden. Alle die Liebe und der Gehorsam, den ich jemals hätte geben können, gelten jetzt dir.«

      »Also kommt«, sagte Mr. Jarndyce. »Was ist nun unser erster Schritt? Schauen wir um uns und blicken wir hoffnungsfroh in die Ferne! Rick, die Welt liegt vor


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