Die Schatzkammer des Pharao. Robert Kraft

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Die Schatzkammer des Pharao - Robert Kraft


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Mantel.

      Ich bin doch nicht minder naß. Mein Schutzengel hat mich eben nach Hause gebracht. Sie wohnen doch wo ganz anders, zwei Meter von uns entfernt. Und selbst zwei Millimeter können so viel wie zwei Meilen bedeuten, zum Beispiel, wenn einem eine Kugel am Ohr vorbeipfeift. Vorwärts, Sie kommen sofort mit?«

      Die Pensionsmutter hatte doch gesagt, daß es keinen Hausschlüssel gebe, es sei hier nicht üblich, der Hausdiener sei die ganze Nacht zum Öffnen bereit.

      Diese junge Französin aber hatte einen Hausschlüssel in der Tasche.

      2. Kapitel

      »Harris, sieh, wen ich hier mitbringe!«

      Ein feiner Duft schlug dem Eintretenden entgegen, er fühlte sich plötzlich an den heimatlichen Weihnachtstisch unter dem Christbaum versetzt, und außerdem verschmolz ein Märchen aus Tausendundeinernacht mit einer feierlichen Zeremonie der katholischen Kirche.

      Die Einrichtung dieses Zimmers war nicht daran schuld, daß in ihm augenblicklich solche Bilder hervorgerufen wurden. Die war so wie die seines Wohnzimmers, gut englisch, durch vielen Gebrauch ein wenig abgenützt, durch einige deutsche Möbel behaglicher gemacht. Zum Beispiel stand auch hier ein Schreibsekretär. Statt der Couch, die man zu allem anderen gebrauchen kann nur nicht um sich darauf zu setzen oder gar hinzulegen, ein deutsches Sofa mit Rückenlehne.

      Die Art der Beleuchtung machte es. Statt des Gases oder elektrischen Lichtes, was beides den Pensionären zur Verfügung stand, brannten ein Dutzend Wachskerzen, spannendicke, meterlange Kirchenkerzen von allen Farben, im ganzen Zimmer verteilt.

      Daher das kirchliche vermischt mit dem Märchenhaften, daher der Weihnachtsgeruch, der durch den feinen Duft von Apfel noch verstärkt wurde.

      Auf dem Sofa saß ein junger Mann, vor sich auf dem Tische drei solche brennenden Riesenkerzen, einige Bücher und eine große Schale mit Äpfeln und Nüssen, mit deren Aufknacken er gerade beschäftigt war.

      Dr. Tannert staunte über dieses brünette Gesicht. Solch ein edles Profil hatte er noch nicht gesehen. Diese Adlernase, dieser Adlerblick der großen schwarzen Augen, dieser Schwung der Lippen, dieser unnahbare Stolz, der sich in jedem Zuge ausprägte, und dabei dennoch diese freundliche Ruhe - solch eine Vermischung hatte der junge Gelehrte noch nicht gesehen.

      Er erhob sich sofort, allerdings in eigentümlich phlegmatischer Weise. Stehend machte die schlanke mittelgroße Gestalt in dem schwarzen Gehrock einen noch viel vornehmeren Eindruck. Ja, schlank war die Figur wohl, sogar schmächtig, aber Tannert sah gleich die Hände, auch wieder die feinsten Männerhände, die er je gesehen, wie aus gelben Elfenbein geschnitzt, und dennoch starrend von Muskeln und Adern und Sehnen, woraus man auf seine Kräfte schließen konnte.

      »Herr Doktor Tannert, unser Nachbar hier gegenüber.«

      »Es ist mir sehr angenehm, Herr Doktor!« sagte eine tiefe Bruststimme, die man dieser schmächtigen Gestalt wiederum gar nicht zugetraut hätte.

      »Denk dir, Harris, was mir passiert ist. Ich bin angefallen worden.«

      Sie erzählte ihr Abenteuer, berichtete zwar, daß sie sich tapfer gewehrt hätte, gab aber die Ehre doch dem herbeigeeilten Doktor. Der hätte die Straßenräuber erst in die Flucht geschlagen.

      Dr. Tannert kam nicht dazu, sie zu korrigieren, der Wahrheit die Ehre zu geben. Er hörte gar nichts davon, war nur Auge.

      Während sie erzählte, hatte sie das einfache Hütchen und den Schleier abgelegt. Und der junge Deutsche wurde noch mehr von der Bewunderung hingerissen.

      Ja, die beiden waren Geschwister? Ganz genau das selbe Gesicht, wie das des Bruders, nur in weibliche Abrundung übertragen. Statt der Adlernase, ein Adlernäschen, die geschwungenen Lippen voller, das Kinn weicher.

      Das Ideal eines italienischen Bettelbuben!

      Der junge Gelehrte lachte dann, als er sich darüber Rechenschaft ablegte, wie er auf diesen merkwürdigen Vergleich gekommen war. Und doch, er war ganz richtig. Das prächtige Gesicht eines jener Lazzaroniknaben unter denen die Maler doch natürlich als Modell immer nur die schönsten Köpfe aussuchten.

      Die Ähnlichkeit wurde noch größer, als sie das blauschwarze Haar, das sie zu einer vollen Frisur geordnet trug, mit einem einzigen Griff auflöste, so daß es plötzlich in schwarzen Locken herabfiel, aber nur bis zu den Schultern. Nun war ein solcher römischer Adonis erst rechtfertig.

      Und auch sie hatte solch eine merkwürdige Hand, wunderbar fein, aber ungemein kräftig, jedes Muskelchen wie gemeißelt hervortretend, wenn auch nicht geradeso von Sehnen und Adern strotzend wie die des Bruders.

      Dr. Tannert wurde sich gar nicht bewußt, wie er in seinem nassen Mantel so unbeholfen in der Mitte des Zimmers stand, immer nur starrend und staunend, und ehe er zur Besinnung kam, daß er endlich doch auch etwas sagen müsse, wandte sich das Mädchen schon wieder an ihn, dabei schnell einige Wallnüsse zwischen den Händen aufknackend.

      Dieses schöne Antlitz mußte eigentlich sehr ernst sein, das passte zu den ganzen Zügen, war es auch - aber sofort, wenn sie sprach, wurde es durch ein ungekünsteltes, heiteres Lächeln noch mehr verschönt.

      »So, jetzt ist die Vorstellung vorüber, Sie sind eingeführt. Nun dürfen Sie sich in Ihrem Zimmer umziehen, jetzt erlaube ich es Ihnen. Aber wehe, wenn Sie nicht sofort wiederkommen! Ich hole Sie. Und nicht etwa Toilette machen! Ich will Sie in den Filzschuhen sehen, mit denen Sie heute früh über den Korridor gingen! Meine Pantoffeln sind noch viel abgetretener. Vorwärts verschwinden Sie! Der letzte, der wieder in diesem Zimmer ist, muß dem anderen die Nüsse aufknacken und die Äpfel schälen!«

      Bei den letzten Worten war sie schon nach der Seitentür gesprungen.

      Wie Dr. Tannert eigentlich in sein Zimmer gekommen war, wußte er gar nicht. Wußte nicht, wie er sich umzog. Nur das wußte er, daß er sich eben im Traum befand.

      »Nein, so etwas!« seufzte er manchmal. »So etwas habe ich noch gar nicht erlebt, gar nicht für möglich gehalten. Ganz fremd - ich stehe da wie ein Stockfisch - ich ich ich ... ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Das Mädchen muß mich geradezu verzaubert haben. Und diese holdselige Unschuld zerschlägt ab und zu einem Menschen das Schlüsselbein!«

      Als er schon hinübergehen wollte, merkte er erst, daß er an einem Fuße einen Filzschuh, am anderen einen Stiefel hatte. Kopfschüttelnd blickte er hinab auf das ungleiche Paar.

      »Was ist nur mit mir los? Und schon dieser halbe Versuch, dort drüben in Filzschuhen erscheinen zu wollen, ist doch eine beispiellose Ungezogenheit. Aber was hilft's? Sie hat es befohlen, ich muß gehorchen. Und wenn die mir je befiehlt, ich solle aus dem Fenster dieser zweiten Etage einen doppelten Salto mortale schlagen - ich würde ihn schlagen. Obgleich ich nicht einmal einen einfachen Salto kann. Hoffentlich befiehlt sie's nicht.«

      Immer noch kopfschüttelnd stellte er die Harmonie an den Füßen durch den zweiten Filzschuh her, ging hinüber, klopfte an.

      »Come in!« rief die tiefe Stimme des Bruders.

      Als Tannert die Tür öffnete, trat auch sie gerade durch die ihre in das Zimmer, in einem faltigen Morgen - oder Abendkostüm, einfach Schlafrock genannt, auch wieder so elegant und doch ganz einfach, ohne alle Borten und Bändchen und Spitzchen, wie Tannert auch schon bemerkt hatte, daß die beiden keine Ringe und keinen anderen Schmuck trugen.

      »Ach, das ist schade! Ich habe mich so beeilt. Von wegen der Aufknackerei. Setzen Sie sich - hierher in die andere Ecke - so. Harris, wo ist der Nußknacker? Natürlich wieder keiner da. Wir haben ein ganzes Dutzend, sonst liegen sie überall herum, aber wenn man einen braucht - natürlich keiner zu finden. Doch, hier ist einer. Und hier unter der Zeitung liegen gleich noch drei. Hier haben Sie einen. Oder warten Sie, ich werde Ihnen aufknacken. Denk dir Harris, der Herr Dr. Tannert geht nach Afrika, nach Arabien.«

      »Erlauben Sie, daß ich eine Bemerkung mache?« lächelte


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