Blutdienst. Stefan Landfried

Читать онлайн книгу.

Blutdienst - Stefan Landfried


Скачать книгу
Weg«, antwortete ich.

      Borg nahm ohne weitere Worte sein Schwert und kam mit mir.

      Am späten Nachmittag kamen wir in Karpgat an. Ohne Umwege suchte ich Jarl Thortryg auf. Dieser empfing mich direkt. »Sigvart? Ich dachte, du seist bei deiner Familie?«, fragte er.

      »Ja, Herr. Ich möchte Euch um Erlaubnis bitten, den Wirt in der Nähe des Krankenlagers herauszufordern, der seine Tochter misshandelt hat und dem ich versprochen habe, ihn zu töten, falls er es nochmal tut. Seine Tochter ist nun bei meiner Familie in Sicherheit und nun möchte ich diesen fetten Wirt töten. Er soll sich allerdings wehren dürfen.«

      Thortryg runzelte die Stirn. »Hast du vor, diese Frau zu ehelichen?«

      Ich dachte darüber einen kleinen Moment nach. »Ja«, war meine Antwort.

      Thortryg stand auf. »Du bist meine Leibwache und du hast mein Vertrauen, weil du mir das Leben gerettet hast. Ich danke dir, dass du vorher zu mir gekommen bist. Es geht hier in diesem Fall um Ehre. Du hast dich schützend vor eine Frau gestellt, die du, wie du sagst, auch ehelichen möchtest. Der Täter hat sein Wort gebrochen und sein Opfer weiter misshandelt, obwohl du ihm versprochen hast, ihn zu töten, wenn er es noch einmal tut. Dass du ihn herausfordern willst und ihn nicht einfach getötet hast, ist ehrenhaft von dir. So gibst du den Göttern die Möglichkeit, über Recht und Unrecht zu urteilen«, sagte er.

      »Ich glaube aufrichtig, dass er unrecht handelt und den Willen der Götter verdient, indem er mit mir in den Zweikampf geht.«

      Thortryg wartete einen Moment. Schließlich befahl er: »So sei es. Holt diesen Wirt und bereitet die Kampffläche vor!«

      Zwei Männer schwärmten aus, um den Wirt zu holen. Andere Männer kündigten einen Zweikampf an. Das Volk erfuhr, dass die Götter über einen Streit urteilen würden, wenn die Sonne ihren Niedergang antrat, am Fuß der Halle. Ich holte meinen Schild und überprüfte die Schärfe meiner Axt. Dann setzte ich mich vor die Halle und wartete. Borg saß in dieser Zeit in der Halle und bekam von einer drallen Dienerin etwas zu essen gereicht. Ich wunderte mich, wie diese Frau so kräftig werden konnte, bekamen Dienerinnen doch weniger zu essen und bewegten sich die ganze Zeit. Borg klopfte ihr auf den Hintern, als sie sich von ihm abwandte. Er starrte ihr lüstern hinterher.

      Der Kampfplatz vor der Halle war rasch gefüllt. Die ganze Stadt wollte einen Zweikampf auf Leben und Tod sehen. Der Wirt wurde in den Kampfring geschleudert. Er wehrte er sich vehement dagegen.

      »Hallo, Wirt«, rief ich. »Erkennst du mich noch?«

      Ungläubig trat der Wirt ein paar Schritte fort von mir.

      »Ich habe dir gesagt, dass ich dich töten würde, wenn du deiner Tochter … meiner baldigen Frau etwas antust.«

      »Baldige Frau?«, fragte er verständnislos.

      »Nimm deinen Schild und dein Schwert. Dann kämpfen wir.«

      Der Wirt bekam einen Schild und ein Schwert in die Hand gedrückt. Er war sprachlos und wusste nicht, wie ihm geschah.

      Thortryg stand am Eingang seiner Halle und erhob das Wort: »Bürger von Karpgat. Heute werden die Götter über Gerechtigkeit entscheiden. Diese beiden Männer kämpfen auf Leben und Tod.«

      Währenddessen war Rolf aus der Halle getreten und stellte sich neben den Jarl. Ich sah, wie Rolf versuchte gegen dieses Urteil zu protestieren. Ich wusste nicht, wieso. Was wollte er von dem Wirt?

      Meine Gedanken verloren sich kurz, was dem dicken Wirt auffiel. Er stürmte auf mich los, ohne dass Jarl Thortryg das Kommando zum Kampf gegeben hatte. Das war ein Zeichen seiner Niedertracht, die ich nur allzu gerne bestrafte. Rechtzeitig duckte ich mich unter seinem Schwert weg, doch dann zeigte er eine erstaunliche Geschwindigkeit.

      Ich spürte nur, wie sein Schild mich wegdrückte. Mit seiner reinen Körpermasse war er mir überlegen. Eine Drehung von mir gegen seinen Druck brachte ihn aus dem Gleichgewicht, sodass er fiel. Sein Schild donnerte auf den Boden und auch sein Schwert ließ er fallen. Reine Kraft ist dem Verstand eines Mannes nicht gewachsen. Ich trat sein Schwert weg, denn dieses fette Wiesel sollte nicht nach Walhalla gehen. Er versuchte, sich zu seinem Schild zu schieben. Doch ich trat auf seinen Arm und ließ meine Axt auf seine Hand schnellen. Genau unter den Fingergliedern durchtrennte ich das Fleisch und die Knochen. Sein Schmerzensschrei war markerschütternd.

      Ich griff nach den Fingern, hielt sie hoch, so dass jeder sie sehen konnte, und rief: »Mit diesen Fingern schlug er auf meine zukünftige Frau ein. Schlimmer noch. Es war seine eigene Tochter. Er fasste sie mit diesen Fingern an, um seine eigene Lust zu steigern.«

      Die Menge raunte und ich warf die Finger in verschiedene Richtungen davon.

      Währenddessen rutschte der dicke Wirt auf dem Boden herum, um mehr Abstand zu mir zu gewinnen. Doch ich kam mit schnellen Schritten und einem entschlossenen Blick auf ihn zu. Ich trat ihm ins Gesicht, so dass er das Bewusstsein verlor. Dann hackte ich ihm noch die andere Hand ab und warf auch diese in die Menge.

      Durch den Schmerz gewann der geschändete Mann wieder das Bewusstsein und brüllte. Ich drückte meine Stirn auf seine und flüsterte ihm zu: »Ich sagte doch, dass ich euch hier in der ganzen Stadt verteile.«

      Mein Blick war fest auf seine Augen gerichtet, die nun erschrocken zu mir aufblickten. Der Wirt spürte, wie seine Bauchdecke von meiner Axt durchschnitten wurde und ich sein Inneres nach außen riss. So ließ ich ihn ausbluten, bis kein Zucken oder Röcheln mehr von ihm zu sehen oder zu hören war.

      Blutverschmiert stand ich in der Menge. Einige der Anwesenden sahen mich schockiert an, andere blickten ungläubig auf den toten Wirt. Es war still. Nicht einmal Thortryg vermochte etwas zu sagen.

      »Bürger von Karpgat«, rief ich, »die Götter haben sich entschieden, diesen Mann sterben zu lassen. Sein Schicksal dient als Warnung. Solange ich in der Stadt umherstreife, wird es jedem Mann so ergehen, der sich an seiner Tochter oder Frau so vergreift, wie es dieser fette Wirt getan hat. Er wird nicht nach Walhalla gehen, sondern ohne Hände nach Helheim wandern. Verzweifelt wird er versuchen, seine Eingeweide festzuhalten, um vor dem Seelenverschlinger wegzulaufen.«

      Thortryg stand von seinem Platz auf und kam zu mir. Als er neben mir stand, blickte auch er in die Menge. »Die Götter haben gesprochen. Sigvart ist der Sieger.«

      Er hob meinen Arm in die Luft und die Menge fing an zu jubeln. Es war ein seltsames Gefühl. Ich bekam Zustimmung dafür, dass ich einen Mann getötet habe.

      Ich hatte noch Zeit, mich an einem Wasserfass zu waschen, ehe Jarl Thortryg, Borg, ich und ein paar weitere Männer von der Wolfshorde wieder in der Halle saßen und Bier tranken. Rolf, der sich ebenfalls wieder in die Halle begeben hatte, schaute mich immer wieder aus den Augenwinkeln an. In seinem Blick lag etwas Verächtliches.

      Jarl Thortryg beugte sich zu mir rüber. »Was hast du nun vor?«

      »Ich werde Weylef heiraten und sie wird auf meinem Hof leben. Sie wird meinem Vater helfen und nach der Hochzeit kehre ich zu Euch zurück«, antwortete ich. Und ich fügte hinzu: »Wenn Ihr gestattet, Herr.«

      Jarl Thortryg nickte und stieß mit mir an. Ich trank meinen Becher aus, stand auf und verbeugte mich zum Abschied. Es war wieder einer dieser Momente, in denen ich nicht wusste, wie ich mich dem Jarl gegenüber verhalten sollte. Er hat es mir noch nicht gesagt. Ich spürte Rolfs Blick auf meinem Rücken, aber ich drehte mich nicht um. Diese Nacht verbrachte ich noch in der Halle, bei meinem Freund Borg und meinem Jarl Thortryg. Er war mittlerweile auch so etwas wie ein Freund geworden.

      Thortryg liebte es zu feiern. Stets war er der letzte, der sich im Suff erhob und in sein Bett fiel, während Borg eher ein trinkender Glücksspieler war. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würfelte er oder versuchte seine Kraft mit anderen Kriegern zu messen. Nicht selten endete das Ganze in einer Schlägerei, die Borg öfter gewann als verlor. Thortryg mochte es, den Schlägereien zuzusehen, doch wenn die Männer unfair kämpften, mit Tritten gegen die Eier oder durch Blendung der Augen, erhob der Jarl seine mächtige Stimme und brachte die Halle damit zum Schweigen.


Скачать книгу