Die Frau und der Sozialismus. August Bebel
Читать онлайн книгу.des Epikur, Archäanassa jene des Plato. Andere berühmte Hetären waren Lais von Korinth, Gnathanea usw. Es gibt keinen berühmten Griechen, der nicht mit Hetären Umgang hatte. Das gehörte zu ihrer Lebensweise. Demosthenes, der große Redner, präzisierte in seiner Rede gegen Neära das geschlechtliche Leben der Männerwelt Athens also: »Wir heiraten das Weib, um eheliche Kinder zu erhalten und im Hause eine treue Wächterin zu besitzen; wir halten Beischläferinnen zu unserer Bedienung und täglichen Pflege, die Hetären zum Genuß der Liebe.« Die Ehefrau war nur der Kindergebärapparat, ein treuer Hund, der das Haus bewacht. Dagegen lebte der Herr des Hauses nach seinem bon plaisir, seiner Willkür. Oft ist es auch heute noch so.
Um das Verlangen nach käuflichen Frauen, namentlich in der jüngeren Männerwelt, befriedigen zu können, entstand die unter der Herrschaft der Mutterfolge unbekannte Prostitution. Die Prostitution unterscheidet sich von dem freien Geschlechtsverkehr dadurch, daß das Weib seinen Körper gegen materielle Vorteile, sei es an einen Mann, sei es an eine Reihe von Männern, verkauft. Prostitution ist vorhanden, sobald das Weib aus dem Verkauf seiner Reize ein Gewerbe macht. Solon, der für Athen das neue Recht formulierte und als Begründer des neuen Rechtszustandes gefeiert wird, war es, der die öffentlichen Frauenhäuser, das Deikterion (Staatsbordell), begründete, und zwar war für alle Besucher der Preis gleich. Nach Philemon betrug derselbe einen Obolus, ungefähr fünfundzwanzig Pfennig unseres Geldes. Das Deikterion war, wie die Tempel bei Griechen und Römern und im Mittelalter die christlichen Kirchen, unverletzlich, es stand unter dem Schutze der öffentlichen Gewalt. Bis ungefähr hundertundfünfzig Jahre vor unserer Zeitrechnung war auch der Tempel zu Jerusalem der gewöhnliche Sammelplatz der Freudenmädchen.
Für die Wohltat, die Solon durch Gründung der Deikterien der athenischen Männerwelt erwiesen, wurde er von einem seiner Zeitgenossen mit den Worten besungen: »Solon, sei gepriesen! Denn du kauftest öffentliche Frauen für das Heil der Stadt, der Sitten einer Stadt, die erfüllt ist von kräftigen jungen Männern, die sich ohne deine weise Einrichtung den störenden Verfolgungen der besseren Frauenwelt überließen.« Wir werden sehen, daß man in unserem Zeitalter genau mit denselben Gründen die Notwendigkeit der Prostitution und des Bordellwesens von Staats wegen rechtfertigt. So wurden durch die Staatsgesetze für die Männerwelt Handlungen als naturgemäßes Recht anerkannt, die, von seiten der Frauen begangen, als verachtungswürdig und schweres Verbrechen galten. Bekanntlich gibt es auch heute nicht wenig Männer, welche die Gesellschaft einer schönen Sünderin der Gesellschaft ihrer Ehefrau vorziehen und häufig zu den »Stützen des Staates«, den »Säulen der Ordnung« gehören und »Wächter über die Heiligkeit der Ehe und Familie« sind.
Die griechischen Frauen scheinen allerdings öfter für die ihnen angetane Unterdrückung Rache an ihren Eheherren genommen zu haben. Ist die Prostitution die Ergänzung der monogamen Ehe auf der einen Seite, so der Ehebruch der Frauen und die Hahnreischaft der Männer die Ergänzung auf der anderen Seite. Unter den griechischen Dramendichtern gilt Euripides als Weiberfeind, weil er in seinen Dramen mit Vorliebe die Frauen zum Gegenstand seiner Angriffe macht. Was er ihnen alles vorhält, geht am besten hervor aus einer Angriffsrede, die eine Griechin in Aristophanes' »Die Thesmophorienfeier« gegen Euripides richtet. Dort sagt sie:
Mit welcher Lästrung Schmutz besudelt er (Euripides) uns nicht?
Wo schwieg denn des Verleumders Zunge? Kurz und gut:
Wo's Schauende, Tragödien und Chorreigen gibt,
Da heißen Winkelkunden wir, Mannsüchtige,
Dem Becher hold, verräterisch, erzplauderhaft,
Kein gutes Haar bleibt uns, wir sind der Männer Kreuz.
Drum, sowie von den Sitzreihn uns heimkehrt der Mann,
Sieht er argwöhn'schen Blicks auf uns und spähet rings,
Ob ein Versteck nicht etwa einen Buhlen birgt.
Hinfort ist nichts von dem, was wir zuvor verübt,
Gestattet uns, so Arges setzet über uns
Den Männern in den Kopf er, so daß, wenn ein Weib
Ein Kränzchen flicht, sie für verliebt gilt, oder wann,
Indem im Haus sie schäfftert, sie was fallen läßt,
Der Mann sogleich: Wem gelten diese Scherben? fragt,
Dem Gastfreund aus Korinthos, das ist offenbar.
Es begreift sich, daß die beredte Griechin dem Ankläger ihres Geschlechts in solcher Weise dient, aber Euripides konnte schwerlich diese Anklagen erheben und hätte dafür bei den Männern keinen Glauben gefunden, wußten diese nicht zu gut, daß sie gerechtfertigt waren. Nach den Schlußsätzen der Anklagerede zu urteilen, bestand in Griechenland jene Sitte nicht, die früher in Deutschland und vielen anderen Ländern bestand, wonach der Hausherr dem Gastfreund für die Nacht die eigene Frau oder Tochter zur Verfügung stellte. So spricht Murner von dieser Sitte, die noch im fünfzehnten Jahrhundert in Holland Geltung hatte, mit den Worten: »Es ist in dem Niderlandt der Bruch, so der wyrt ein lieben gast hat, dez er yhm syn Frow zulegt uff guten glauben
Die zunehmenden Klassenkämpfe in den griechischen Staaten und der traurige Zustand in vielen dieser kleinen Gemeinwesen gab Plato zu Untersuchungen Veranlassung über die beste Verfassung und Einrichtung des Staates. In seinem »Staate«, den er als Ideal aufstellt, verlangt er für die erste Klasse der Bürger, die Wächter, die volle Gleichstellung der Frauen. Sie sollen gleich den Männern an den Waffenübungen teilnehmen und alle Pflichten wie jene erfüllen, nur sollen sie das Leichtere verrichten »wegen des Geschlechtes Schwäche«. Er behauptet, es seien bei beiden Geschlechtern die natürlichen Anlagen gleich verteilt, nur sei das Weib in allem schwächer als der Mann. Ferner sollten die Frauen den Männern gemein sein, desgleichen die Kinder, so daß weder ein Vater sein Kind, noch ein Kind seinen Vater kenne Aristoteles denkt bürgerlicher. Nach seiner »Politik« soll die Frau in der Wahl des Ehegatten freie Hand haben, aber sie soll ihm untergeordnet sein, doch das Recht besitzen, »einen guten Rat zu erteilen«. Thukydides spricht eine Ansicht aus, die den Beifall aller Philister hat. Er sagt, diejenige Gattin verdiene das höchste Lob, von der man außerhalb des Hauses weder Gutes noch Böses höre.
Bei solchen Anschauungen mußte die Achtung vor der Frau immer mehr sinken. Die Furcht vor Übervölkerung führte sogar dazu, den intimen Umgang mit ihr zu meiden. Man gelangte zu unnatürlicher Befriedigung des Geschlechtstriebs. Die griechischen Staaten waren Städte mit geringem Landbesitz, der über eine gegebene Bevölkerungszahl hinaus die gewohnte Ernährung nicht mehr ermöglichte. Diese Furcht vor Übervölkerung veranlaßte Aristoteles, den Männern die Fernhaltung von ihren Frauen und dagegen die Knabenliebe anzuraten. Schon vor ihm hatte Sokrates die Knabenliebe als ein Zeichen höherer Bildung gepriesen. Schließlich huldigten dieser widernatürlichen Leidenschaft die bedeutendsten Männer Griechenlands. Die Achtung vor der Frau sank auf das tiefste. Es gab Häuser mit männlichen Prostituierten, wie es solche mit weiblichen gab. In einer solchen gesellschaftlichen Atmosphäre konnte Thukydides den Ausspruch tun, die Frau sei schlimmer als die sturmgepeitschte Meereswoge, als des Feuers Glut und der Sturz des wilden Bergwassers. »Wenn es ein Gott ist, der die Frau erfand, wo immer er sei, er wisse, daß er der unselige Urheber des höchsten Übels ist.«'
Huldigte die Männerwelt Griechenlands der Knabenliebe, so verfiel die Frauenwelt in das andere Extrem, sie verfiel der Liebe zu Angehörigen des eigenen Geschlechts. Es war dieses besonders bei den Bewohnerinnen der Insel Lesbos der Fall, weshalb diese Verirrung die lesbische Liebe genannt wurde und noch genannt wird, denn sie ist nicht ausgestorben und besteht unter uns fort. Als Hauptrepräsentantin dieser Liebe galt die berühmte Dichterin Sappho, »die lesbische Nachtigall«, die um 600 vor unserer Zeitrechnung lebte. Ihre Leidenschaft findet glühenden Ausdruck in ihrer Ode an Aphrodite, zu der sie fleht:
Allbeherrscherin, die du thronest auf Blumen,
O Schaumgeborene, Tochter Zeus', listsinnende,
Hör' mich rufen,
Nicht in Jammer und bittrer Qual, o Göttin,
Laß mich erliegen! –
Und