Die Frau und der Sozialismus. August Bebel

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Die Frau und der Sozialismus - August Bebel


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das Vaterrecht herrschte, befand sich das mit Athen um die Macht rivalisierende Sparta noch unter dem Mutterrecht, ein Zustand, der den meisten Griechen ein gänzlich fremder geworden war. Die Überlieferung berichtet: Eines Tages fragt ein Grieche einen Spartaner, was für eine Strafe in Sparta die Ehebrecher treffe. Darauf antwortete dieser: »Fremdling, bei uns gibt's keine Ehebrecher!« Der Fremde: »Wenn aber doch einer wäre?« »So muß er zur Strafe«, spottete der Spartaner, »einen Ochsen geben, so groß, daß er mit seinem Kopf über den Taygetus reichen und aus dem Eurotas saufen kann.« Auf die verwunderte Antwort des Fremden: »Wie ein Ochse so groß sein könne?« erwiderte der Spartaner lachend: »Wie ist's möglich, daß zu Sparta ein Ehebrecher sein kann!« Dagegen drückte sich das Selbstbewußtsein der spartanischen Frau in der stolzen Antwort aus, die das Weib des Leonidas einer Fremden gab, als diese zu ihr sagte: »Ihr Lakedämonierinnen seid die einzigen Frauen, die über ihre Männer herrschen!« worauf sie antwortete: »Wir sind auch die einzigen Frauen, die Männer zur Welt bringen.« Der freie Zustand der Frau unter dem Mutterrecht förderte ihre Schönheit und hob ihren Stolz, ihre Würde und Selbständigkeit. Das Urteil aller alten Schriftsteller geht dahin, daß diese Eigenschaften bei ihnen im Zeitalter der Mutterfolge in hohem Grade entwickelt waren. Der unfreie Zustand, der später eintrat, wirkte notwendig nachteilig ein; die Veränderung kommt sogar in der Verschiedenartigkeit der Kleidung in den beiden Perioden zum Ausdruck. Das Kleid der dorischen Frau haftete frei und leicht auf der Schulter, es ließ die Arme und die Unterschenkel bloß, es ist das Kleid, das Diana trägt, die in unseren Museen frei und kühn dargestellt ist. Hingegen verhüllte das ionische Kleid die Gestalt und hemmte die Bewegung. Die Art, wie die Frau sich kleidet, ist weit mehr, als man gewöhnlich annimmt, und zwar bis in unsere Tage, ein Zeichen ihrer Abhängigkeit und Ursache ihrer Hilflosigkeit. Die Art der Frauenkleidung macht bis heute die Frau unbehilflich und zwingt ihr das Gefühl der Schwäche auf, was schließlich in ihrer Haltung und in ihrem Charakter zum Ausdruck kommt. Die Gewohnheit der Spartaner, die Mädchen bis ins mannbare Alter nackt gehen zu lassen, ein Zustand, den das Klima des Landes erlaubte, trug nach der Meinung eines alten Schriftstellers wesentlich dazu bei, ihnen Geschmack für Einfachheit und Sorgfalt für äußerlichen Anstand beizubringen, und hatte, nach den Anschauungen jener Zeit, durchaus nichts die Schamhaftigkeit Verletzendes oder die Wollust Erregendes. Auch nahmen die Mädchen gleich den Knaben an allen körperlichen Übungen teil. So wurde ein kräftiges, selbstbewußtes Geschlecht erzogen, das sich seines Wertes bewußt war, wie die Antwort der Frau des Leonidas an die Fremde beweist.

      4. Überreste des Mutterrechts in Sitten verschiedener Völker

      Im engsten Zusammenhang mit dem geschwundenen Mutterrecht standen gewisse Gebräuche, die moderne Schriftsteller in vollständiger Verkennung ihrer Bedeutung als »Prostitution« bezeichnen. So war es in Babylon religiöse Pflicht der mannbar gewordenen Jungfrau, im Tempel der Mylitta einmal zu erscheinen, um ihre Jungfrauschaft zu opfern, indem sie sich einem Manne preisgab. Ähnliches trug sich zu im Serapeum zu Memphis, zu Ehren der Göttin Anaïtis in Armenien, auf Cypern, in Tyrus und Sydon zu Ehren der Astarte oder Aphrodite. Ähnlichen Sitten dienten die Isisfeste der Ägypter. Dieses Opfer der Jungfräulichkeit sollte der Göttin Sühne leisten für die Ausschließlichkeit der Hingabe an einen Mann in der Ehe. »Denn nicht um in den Armen eines einzelnen zu verwelken, wird das Weib von der Natur mit allen Reizen, über welche es gebietet, ausgestattet. Das Gesetz des Stoffes verwirft alle Beschränkung, haßt alle Fesseln und betrachtet jede Ausschließlichkeit als Versündigung an ihrer Göttlichkeit«. Das fernere Wohlwollen der Göttin mußte durch jenes Opfer der Jungfräulichkeit an einen Fremden erkauft werden. – Im Sinne der alten Auffassung war es auch, wenn die libyschen Mädchen durch ihre Preisgabe ihre Mitgift erwarben. Nach dem Mutterrecht waren sie während des unehelichen Standes geschlechtlich frei, und die Männer fanden in diesem Erwerb so wenig Anstößiges, daß von ihnen diejenige als Frau vorgezogen wurde, die am meisten begehrt worden war. Ähnlich war es zu Herodots Zeit bei den Thrakern: »Die Jungfrauen bewachen sie nicht, sondern lassen ihnen volle Freiheit, sich mit wem sie mögen zu vermischen. Die Frauen dagegen bewachen sie streng; sie kaufen sie von ihren Eltern um großes Gut.« Berühmt waren die Hierodulen im Tempel der Aphrodite zu Korinth, in dem über tausend Mädchen vereinigt waren, die einen Hauptanziehungspunkt für die griechische Männerwelt bildeten. Und von der Tochter des Königs Cheops in Ägypten erzählt die Sage, daß sie aus den Erträgnissen der Preisgabe ihrer Reize eine Pyramide bauen ließ.

      Ähnliche Zustände bestehen noch heute auf den Mariannen, den Philippinen und polynesischen Inseln, ferner nach Waitz bei verschiedenen afrikanischen Volksstämmen. Eine andere Sitte, die noch spät auf den Balearen bestand und das Recht aller Männer an die Frau zum Ausdruck brachte, war, daß in der Brautnacht die blutsverwandten Männer bei der Braut zugelassen wurden, der Altersreihe nach. Erst zuletzt kam der Bräutigam. Diese Sitte hat sich bei anderen Völkerschaften dahin umgewandelt, daß als die Vertreter der Männer des Stammes Priester oder Stammeshäuptlinge (Könige) dieses Vorrecht bei der Braut üben. So dingen auf Malabar die Caimars Patamaren (Priester), um ihren Frauen die Blüte zu nehmen.... Der oberste Priester (Namburi) ist verpflichtet, dem König (Zamorin) bei seiner Verehelichung diesen Dienst zu erweisen, und der König bezahlt denselben mit fünfzig Goldstücken. In Hinterindien und auf verschiedenen Inseln des Großen Ozeans sind es bald die Priester, bald die Stammeshäuptlinge (Könige), die sich diesem Amte unterziehen. Ähnlich ist es in Senegambien, wo das Stammesoberhaupt die Deflorierung der Jungfrau als Amtspflicht übt und dafür ein Geschenk erhält. Bei anderen Völkern wurde und wird die Deflorierung der Jungfrau, manchmal sogar des wenige Monate alten Kindes weiblichen Geschlechts, durch für diesen Zweck eingerichtete Götzenbilder vorgenommen. Auch darf angenommen werden, daß das jus primae noctis (das Recht der ersten Nacht), das bis ins späte Mittelalter bei uns in Deutschland und in Europa in Anwendung war, der gleichen Tradition seine Entstehung verdankt. Der Grundherr, der sich als Gebieter seiner Hörigen oder Leibeigenen ansah, übte das auf ihn überkommene Recht des Stammesoberhauptes aus. Später mehr hierüber.

      Anklänge an das Mutterrecht zeigen sich ferner in der eigentümlichen Sitte bei südamerikanischen Stämmen – die auch bei den Basken, als ein Volk mit uralten Sitten und Gebräuchen, sich erhalten haben soll –, daß an Stelle der Wöchnerin sich der Mann ins Bett legt, sich wie eine Kreißende gebärdet und von der Wöchnerin pflegen läßt. Die Sitte bedeutet, der Vater anerkennt das Neugeborene als sein Kind. Diese Sitte soll auch noch bei verschiedenen Gebirgsstämmen Chinas bestehen, und sie bestand vor nicht langer Zeit noch auf Korsika. In den Denkschriften, die die Reichsregierung dem Reichstag (Session 1894/95) über Deutschlands Kolonien vorlegte, befindet sich in der Denkschrift über das südwestafrikanische Gebiet S. 239 folgende Stelle: »Ohne seinen Rat, die Ältesten und Begütertsten, kann er (der Stammhäuptling in einem Hererodorf) auch nicht den kleinsten Beschluß fassen, und nicht allein die Männer, sondern häufig genug auch die Weiber, selbst die Diener geben ihren Rat ab.« Und im Bericht über die Marschallinseln heißt es auf S. 254: »Die Herrschergewalt über sämtliche Inseln der Marschallgruppe hat niemals in den Händen eines einzelnen Häuptlings gelegen.... Da aber kein weibliches Mitglied dieser Klasse (der Irody) mehr am Leben ist und allein die Mutter dem Kinde Adel und Rang gibt, so sterben die Irodyn mit den Häuptlingen aus.« Die Ausdrucks- und Schilderungsweise der Berichterstatter zeigt, wie wildfremd ihnen die von ihnen erwähnten Verhältnisse sind, sie können sich in diesen nicht zurechtfinden .

      »Ich kann Ihnen die Versicherung geben«, schreibt unser Gewährsmann weiter, »daß selbst der Erbe des King (Königs) Bell in Kamerun dessen Neffe und nicht einer seiner Söhne ist. Die sogenannten Kinder Bells, von denen verschiedene in deutschen Städten dressiert werden, sind nur Kinder von seinen Frauen, deren Väter unbekannt sind; den einen könnte ich womöglich für mich reklamieren.«

      Dr. Heinrich v. Wlislocki, der jahrelang unter den Siebenbürger Zigeunern lebte und schließlich von einem ihrer Stämme adoptiert wurde, berichtet, daß unter den vier Zigeunerstämmen, die zur Zeit, als er noch unter ihnen lebte, ihre alte Verfassung erhalten hatten, zwei Stämme waren, die Aschani und Tschale, in denen Mutterfolge herrschte. Heiratet der wandernde Zigeuner, so tritt er in die Sippe seiner Frau ein, welche die ganze Einrichtung des zigeunerischen Hauswesens besitzt. Das vorhandene Vermögen ist Eigentum der Frau beziehungsweise der Sippe der Frau, der Mann ist Fremder. Und nach dem Recht der Mutterfolge verbleiben auch die Kinder in der


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