Die Frau und der Sozialismus. August Bebel

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Die Frau und der Sozialismus - August Bebel


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zum Sozialismus führe, gegen mich verwenden zu können, habe ich nachgewiesen.

      Indem ich Darwins naturwissenschaftliche Lehren als in inniger Beziehung zur sozialistischen Weltanschauung betrachte, glaubt Ziegler diese Auffassung auch damit widerlegen zu können, daß er sich auf Darwins Urteil über die Kriege und auf seine malthusianischen Anschauungen bezieht. Vor allem muß ich verlangen, daß, wenn man mich zitiert, man auch richtig zitiert. Was Ziegler auf Seite 186 seiner Schrift als meine Auffassung über den ewigen Frieden zitiert, ist grundfalsch und zeigt seine vollkommene Unfähigkeit, sich in die Gedankenwelt eines Sozialisten finden zu können. Daß manche Kriege einen kulturfördernden Einfluß gehabt, kann man unbedenklich zugeben, daß aber alle Kriege diesen Charakter gehabt, kann nur ein Ignorant in der Geschichte behaupten. Und daß gar heute die Kriege bei der massenhaften Tötung der kräftigsten Männer, der Blüte der Kulturnationen, und der massenhaften Vernichtung von Kulturmitteln, die gegenwärtig Kriege verschulden, dem Fortschritt der Menschheit förderlich sein sollen, kann nur ein Barbar noch glauben. Jeder längere Friede wäre dann nach der Auffassung der Ziegler und Genossen ein Verbrechen an der Menschheit. Was Ziegler über dieses Kapitel in seinem Buche sagt, erhebt sich nicht über die platteste Spießbürgerei. Nicht höher steht, was er, gestützt auf Darwin, über den Malthusianismus sagt. Darwins gänzlicher Mangel an sozialökonomischem Wissen verleitete ihn zu den gewagtesten Behauptungen, sobald es sich um soziale Thematas handelte; aber seit Darwin sind auf dem sozialen Gebiete so gewaltige Fortschritte gemacht worden, so daß, was für Darwin noch verzeihlich war, für einen seiner Jünger es nicht mehr ist, namentlich wenn dieser wie Ziegler mit der Prätension auftritt, auf diesem Gebiete ein maßgebendes Urteil zu haben. Was ich hierüber gegen ihn zu sagen hätte, habe ich in dem Abschnitt dieses Buches »Bevölkerung und Überbevölkerung« gesagt, ich verweise hier darauf.

      Einen der Haupttrümpfe, die Ziegler gegen mich ausspielt, betrifft meine Auffassung von der Entwicklungsfähigkeit des Menschen und speziell der Frau unter vernünftigen und naturgemäßen gesellschaftlichen Beziehungen, und zwar durch Erziehung und Vererbung. Ziegler legt hier seiner abweichenden Meinung, daß Vererbung erworbener Eigenschaften ausgeschlossen oder doch erst in unendlich langen Zeiträumen möglich sei – wobei er sich auf Weismann stützt –, eine solche Bedeutung bei, daß er davon die Durchführung der sozialistischen Idee abhängig macht. Er äußert: »Ehe die Menschen der neuen sozialen Organisation sich angepaßt hätten, würde die neue Organisation längst untergegangen sein«. Dieser Satz spricht für eine eigentümlich naive Auffassung, die Ziegler von werdenden Gesellschaftsformationen hat. Er verkennt, daß die gesellschaftlichen Bedürfnisse es sind, welche neue Gesellschaftsformationen erzeugen, die Gesellschaftsformation also mit den Menschen und die Menschen mit ihr wachsen, eins aus dem anderen und beides miteinander entsteht. Eine neue Gesellschaftsordnung ist eben ohne die Menschen, welche sie wollen und befähigt sind, sie am Leben zu erhalten und zur Fortentwicklung zu bringen, unmöglich. Wenn irgendwo von Anpassung die Rede sein kann, so hier. Die günstigeren Umstände, die jede neue Gesellschaftsordnung gegenüber der früheren enthält, übertragen sich auch auf die Individuen und veredeln sie stetig.

      Nach Ziegler erscheint die Auffassung von der Vererbung erworbener Eigenschaften bereits eine so abgetane, daß nur noch Rückständige an sie glauben. Als Nichtfachmann und überhäuft mit Arbeiten der verschiedensten Art, die dem hier behandelten Thema fern liegen, kann ich mir nicht beikommen lassen, auf meine eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen mich zu stützen, aber eine aufmerksame Beobachtung hat mir gezeigt, daß dieses von Ziegler mit so apodiktischer Sicherheit behandelte Thema sehr kontrovers ist und damit die anerkanntesten Vertreter des Darwinismus gegen sich hat. So veröffentlichte Dr. Louis Büchner in der »Beilage zur Allgemeinen Zeitung«, München, 13. März 1894, einen Aufsatz, betitelt »Naturwissenschaft und Sozialdemokratie«, in dem er die Zieglersche Schrift bespricht. Büchner spricht sich nicht nur gegen die Weismann-Zieglersche Auffassung aus, sondern weist zugleich darauf hin, daß neben Häckel auch Huxley, Gegenbauer, Fürbringer, Eimer, Claus, Cope, Lester Ward und Herbert Spencer sich für die Darwinsche Auffassung aussprechen. Weiter hat Hake in einer von Fachleuten sehr geschätzten Streitschrift: »Gestaltung und Vererbung. Eine Entwicklungsmechanik der Organismen«, gegen Weismann Stellung genommen. Auch Hegar spricht sich in seiner gegen mich gerichteten Abhandlung gegen Weismann aus. Ganz und gar auf dem Boden der Theorie von der Vererbung erworbener Eigenschaften steht ferner Professor Dr. Dodel, der in seiner Schrift: »Moses oder Darwin. Eine Schulfrage«Stuttgart 1895. Fünfte, vermehrte Auflage. , Seite 99 wörtlich äußert: »Von größter Wichtigkeit sind nun aber die Tatsachen der progressiven oder fortschreitenden Vererbung. Das Wesen derselben besteht darin, daß auch individuelle Merkmale, also neulich aufgetretene Merkmale, Eigenschaften jüngeren Datums auf die Nachkommen vererbt werden können.« Und Häckel schreibt über dieselbe Frage in einem Brief an L. Büchner unter dem 3. März 1894 – zitiert in der obenerwähnten Besprechung des Zieglerschen Buches durch Büchner –: »Aus folgendem Aufsatz ersehen Sie, daß mein Standpunkt in dieser fundamentalen Frage unverändert derselbe streng monistische (und zugleich Lamarcksche) ist. Die Theorien von Weismann und ähnliche führen immer zu dualisti-schen und teleologischen Vorstellungen, die zuletzt rein mystisch werden. In der Ontogenie fuhren sie direkt zum alten Präformationsdogma« usw.

      Auf demselben Boden stehen Lombroso und Ferrero in ihrem Werk: »Das Weib als Verbrecherin und Prostituierte«, in dem sie von den Instinkten der Unterwerfung und Hingabe sprechen, welche die Frau durch Anpassung erworben habe. Ebenso läßt Tarnowsky in eine unter gewissen Verhältnissen erworbene Perversität des Geschlechtssinnes vererben, und Krafft-Ebing spricht von dem Charakter der Frau, der durch unzählige Generationen hindurch nach einer bestimmten Richtung hin ausgebildet wurde.

      Diese Angaben bezeugen, daß ich mich mit meiner Auffassung über die Vererbung erworbener Eigenschaften in angesehener Gesellschaft befinde und Ziegler mehr behauptete, als er beweisen kann.

      Ziegler ist seinem bürgerlichen Beruf nach Naturwissenschaftler, aber als Zoon politicon – um mit Aristoteles zu reden – höchst wahrscheinlich Nationalliberaler. Dafür spricht die häufige Unbestimmtheit der Ausdrucksweise, wenn er für seine Beweisführung in Verlegenheit kommt; dafür sprechen ferner die krampfhaften Anstrengungen, die er macht, um die gesamte Menschheitsentwicklung mit dem gegenwärtigen bürgerlichen Zustand in Einklang zu bringen, indem er zu zeigen versucht, daß die sozialen und politischen Institutionen in bezug auf Ehe, Familie, Staat usw. zu allen Zeiten den heutigen ähnelten, womit bewiesen werden soll, daß am Ende des neunzehnten Jahrhunderts der Philister sich keine Gedanken darüber zu machen braucht, was das zwanzigste Jahrhundert ihm bringen wird.

      Ich komme zu Hegar. Dieser bezeichnet sein Buch als eine sozialmedizinische Studie. Wenn er das sozial strich und den hierauf bezüglichen Teil seiner Abhandlung fortließ, hätte die Arbeit nicht unwesentlich gewonnen. Denn der soziale Teil ist äußerst dürftig und zeugt von höchst mangelhafter Kenntnis unserer sozialen Verhältnisse und Zustände. Hegar erhebt sich darin mit keinem Satze über das bürgerliche Mittelmaß hinaus, und wie Ziegler ist er gänzlich unvermögend, auch nur einen Gedanken zu fassen, der über die engsten bürgerlichen Auffassungen hinausgeht. Hegar hat daher in weiser Selbsterkenntnis sehr klug getan, daß er seinen ursprünglichen Plan (siehe Vorrede in seinem Buche), eine Bearbeitung der ganzen Frauenfrage zu unternehmen, aufgab; er wählte ein beschränktes Thema, »um so den falschen und überaus schädlichen Ansichten und Lehren entgegenzutreten, welche... insbesondere durch Bebels ›Die Frau und der Sozialismus‹ in die großen Massen geworfen werden«. Und er setzt weiter hinzu: Gute, auf wirklich wissenschaftlicher Grundlage fußende Arbeiten, wie Ribbings »Sexuelle Hygiene«, fänden dagegen verhältnismäßig wenig Anklang.

      Letzteres Buch ist mir wohl bekannt, der Verfasser ist ein auf streng religiösem Boden stehender Herr. Das Buch ist aber recht geringwertig und trägt seine konservative Tendenz klar aufgedrückt. Von stark ausgeprägter Tendenz ist allerdings auch Hegars Widerlegung meiner Schrift. In seinem Eifer, zu widerlegen, beweist er mehr, als er als Fachmann beweisen kann. Dabei nimmt er überall die vornehmen Klassen in Schutz, die er als Muster von Sittlichkeit darstellt, wohingegen er Steine auf Steine auf die Arbeiter wirft, so daß man an zahlreichen Stellen glaubt, es mit einem klassenbewußten Bourgeois und nicht mit einem Manne der Wissenschaft zu tun zu haben. Soweit dagegen Hegar als Mann der Wissenschaft in seiner Darlegung wirklich


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