Ben Hur. Lewis Wallace

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Ben Hur - Lewis Wallace


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waren. Stallungen oder gesonderte Abteilungen waren nicht zu sehen.

      »Diese Vorräte«, sagte der Führer, »sind für Wanderer wie ihr. Nehmt davon, was ihr benötigt.« Dann wandte er sich zu Maria: »Kannst du hier ruhen?«

      »Diese Stätte ist heilig,« antwortete sie. »So will ich euch verlassen. Friede sei mit euch!«

      Als er sich entfernt hatte, machten sie sich eilig daran, die Höhle wohnlich herzurichten.

      Zu einer bestimmten Stunde am Abend hörte der Lärm in der Herberge auf. Gleichzeitig erhob sich jeder Israelit, blickte mit feierlich ernstem Gesichte gegen Jerusalem, kreuzte die Hände über der Brust und betete, denn es war die heilige neunte Stunde, zu welcher im Tempel auf dem Berge Moriah in Gottes geheimnisvoller Nähe das Opfer dargebracht wurde. Als das Gebet zu Ende war, begann das Gewoge aufs neue, jeder beeilte sich, ein Nachtmahl zu bereiten oder seine Lagerstätte herzurichten. Etwas später wurden die Lichter ausgelöscht; alles schwieg und sank in Schlaf.

      Ungefähr um Mitternacht rief jemand auf dem Dache: »Was ist das für ein Licht am Himmel? Wachet auf, Brüder, wachet auf und schauet!«

      Schlaftrunken richteten sich die Leute auf und blickten um sich, Staunen erfaßte alle, als sie zu vollem Bewußtsein gekommen waren. Ein Lichtstrahl, der in unermeßlicher Ferne über den nächsten Sternen seinen Anfang nahm, fiel schräg zur Erde, an seinem Beginne ein verschwindend kleiner Punkt, erweiterte er sich allmählich, so daß er auf der Erde sich auf Meilen zu erstrecken schien. Der Khan war so vom Licht beschienen. daß auf dem Dache jeder des andern Gesicht und das Staunen, das sich auf demselben malte, deutlich sehen konnte.

      Minutenlang blieb der Strahl unverändert am Himmel. Das Staunen der Leute verwandelte sich in Scheu und Furcht: die Zaghaften zitterten, die Kühnsten sprachen nur im Flüsterton.

      »Habt ihr je Ähnliches gesehen?« fragte einer.

      »Es scheint gerade über dem Berge dort zu sein. Ich kann nicht sagen, was es ist: ich habe auch nie etwas Ähnliches gesehen,« lautete die Antwort.

      »Ich weiß, was es ist,« rief einer. »Die Hirten haben einen Löwen gesehen und Feuer gemacht, um ihn von den Herden fernzuhalten.«

      Die Umstehenden atmeten erleichtert auf und sagten:

      »Ja, so ist es! Wir sahen die Herden heute drüben im Tale weiden.«

      Die Beruhigung dauerte aber nicht lange. Einer der Umstehenden rief:

      »Nein, nein! Wenn man alles Holz in allen Tälern Judas auf einem Haufen zusammentrüge und in Brand steckte, könnte die Flamme kein so starkes und helles Licht geben.«

      Tiefes Schweigen folgte dieser Bemerkung auf dem Dache, das nur einmal unterbrochen wurde, solange die Erscheinung dauerte.

      »Brüder!« rief ein Jude von ehrwürdigem Aussehen, »was wir hier schauen, ist die Himmelsleiter, die unser Vater Jakob im Traume gesehen. Gepriesen sei der Herr, der Gott unserer Väter!«

      Drittes Kapitel

      Ungefähr zwei Meilen südöstlich von Bethlehem liegt eine Ebene, die durch einen Gebirgszug von der Stadt geschieden ist. Gegen die Nordwinde wohl geschützt, war das Tal dicht mit Maulbeerbäumen, Zwergeichen und Fichten bewachsen, während die angrenzenden Schluchten mit Oliven- und Maulbeergebüsch bestanden waren. Alles das war um diese Jahreszeit von unschätzbarem Werte für die Schafe, Ziegen und Rinder, aus denen die wandernden Herden zusammengesetzt waren.

      Am äußersten Ende des Tales befand sich unter einer schroffen Felswand eine geräumige, Jahrhunderte alte Schafhürde. Hirten, die am Tage vorher auf diese Ebene hinaufgezogen waren, um neue Weideplätze zu suchen, hatten bei Sonnenuntergang ihre Herden hineingetrieben, weil sie dort vor wilden Tieren in Sicherheit waren. Am Eingange zündeten sie ein Feuer an und nahmen ein einfaches Mahl, dann setzten sie sich zur Ruhe und Unterhaltung nieder, während einer Wache halten mußte. Nach einer Weile legten sie sich zum Schlafe nieder, und nur der Wächter schritt draußen auf und ab.

      Die Nacht war, wie die meisten Winternächte in dem hügeligen Lande, hell und frisch; zahllose Sterne funkelten am Himmel. Kein Lüftchen regte sich. Nie schien die Luft so rein, und die Stille der Nacht war mehr als Schweigen; es war eine heilige Stille, ein Wink, daß der Himmel sich niederneigte, um der lauschenden Erde etwas Freudiges zuzuflüstern.

      Langsam verstrich die Zeit. Endlich war es Mitternacht, und der Wächter wollte schon seine Ablösung wecken, um sich selbst zur Ruhe zu legen, als er plötzlich überrascht stehen blieb. Ein heller Lichtstrahl umgab ihn wie sanftes Mondlicht. Atemlos wartete er. Aber das Licht wurde immer heller, bis es die ganze Umgebung blendend erleuchtete. Von Schrecken erfaßt, rief er:

      »Wacht auf, wacht auf!«

      Die Hunde sprangen auf und liefen heulend davon. Die Herden rückten erschrocken eng zusammen. Die Männer standen auf und griffen zu den Waffen.

      »Was ist's?« riefen sie wie aus einem Munde.

      »Seht!« rief der Wächter, »der Himmel steht in Flammen!«

      Der Glanz des Lichtes blendete sie so, daß sie ihre Augen verdeckten. Von Furcht und Schrecken erfaßt, warfen sie sich halb ohnmächtig mit dem Angesichte zur Erde nieder, wie um zu sterben. Eine Stimme aber sprach zu ihnen:

      »Fürchtet euch nicht!«

      Sie horchten auf.

      »Fürchtet euch nicht! denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volke zuteil werden soll!«

      Die Stimme klang so sanft und weich, daß sie keines Menschen Stimme sein konnte, und zugleich so hell, daß sie ihr ganzes Wesen durchdrang und sie mit Zuversicht erfüllte. Sie erhoben sich auf die Knie, und wie sie voll Ehrfurcht aufblickten, sahen sie in der Mitte des Lichtscheines die Erscheinung eines Mannes in glänzend weißem Gewande. Über seinen Schultern leuchteten die Spitzen zusammengefalteter Flügel hervor, über dem Haupte strahlte ein Stern in ruhigem Glanze wie der Abendstern. Und die Hirten erkannten, daß ein Engel Gottes zu ihnen herabgestiegen war.

      Der Engel aber fuhr fort:

      »Denn heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren worden, welcher ist Christus, der Herr!«

      Abermals schwieg er, während seine Worte sich tief in ihre Herzen senkten.

      »Und dies soll euch zum Zeichen sein,« sagte der Himmelsbote weiter: »Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend.«

      Der Engel sprach nicht mehr; seine frohe Botschaft war verkündet; dennoch blieb er eine Zeitlang.

      Plötzlich begann das Licht, dessen Mittelpunkt er zu sein schien, sich rosig zu färben und zu zittern; in hoher Ferne erschienen glänzende Flügel, und eine Menge strahlender Gestalten und viele Stimmen erschallten und sangen zu gleicher Zeit:

      »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!«

      Als die Hirten wieder zu sich gekommen waren, blickten sie einander wie traumverloren an, bis einer von ihnen sagte:

      »Es war Gabriel, der Bote des Herrn an die Menschen.«

      Keiner antwortete.

      »Christus der Herr ist geboren; sagte er nicht so?«

      Nun erlangte ein anderer die Sprache wieder und antwortete:

      »Ja, das sagte er.«

      »Und sagte er nicht auch: in der Stadt Davids? Das ist ja unser Bethlehem dort! Und wir würden ihn als Kind finden, in Windeln eingewickelt?« »Und in einer Krippe liegend.«

      Der, welcher zuerst gesprochen hatte, starrte nachdenklich ins Feuer; wie wenn er zu einem plötzlichen Entschlusse gekommen wäre, sagte er endlich:

      »Es gibt nur einen Ort in Bethlehem, wo Krippen sind; nur einen, und zwar in der Höhle dort bei der alten Herberge. Brüder, laßt uns hingehen und sehen, was sich zugetragen


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