Phänomenologischer Materialismus. Anton Reutlinger
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Anton Reutlinger
Phänomenologischer Materialismus
Ideenskizzen zur Welterzeugung
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Inhaltsverzeichnis
Natur, Erkenntnis, Wissenschaft
Realität und empirische Relativität
Phänomenologie und Bewusstseinsphilosophie
Phänomenales Bewusstsein und Kausalität
Vom Materialismus zum Humanismus
Natur, Erkenntnis, Wissenschaft
Phänomenologischer Materialismus
Ideenskizzen zur Welterzeugung
Die Wirklichkeit ist immer eine Vorstellung von der Wirklichkeit.
Das Bestreben der Naturwissenschaft, insbesondere der Physik, ist es, objektive und universelle Gesetzmäßigkeiten, im Sinne von Regelmäßigkeiten, in den Erscheinungen der Natur zu erkennen. Als nomothetische Wissenschaft werden den Beobachtungen der Natur Gesetzmäßigkeiten unterstellt und mit den Methoden der Mathematik formuliert. Im Gegenzug wird der Natur selbst eine inhärente Gesetzmäßigkeit unterstellt, die nomologisch erforscht werden kann. Gesetzmäßigkeiten sind die Formen nichtzufälliger Beziehungen zwischen Phänomenen, allgemein zwischen Wirkungen und ihren Ursachen als Kausalität. Die Phänomene selber werden als wahrnehmbare oder spürbare Gegebenheiten, wie Bewegungen und Farben von Gegenständen, Formen und Gestalten, Helligkeit und Dunkelheit oder Wärme und Kälte, als natürlich hingenommen. Die Besonderheit des Menschen ist die Bewusstheit der Erscheinungen als Wahrnehmungen und Empfindungen und ihrer Bedeutungen für die Bewältigung und Gestaltung des Lebens. Zu den sinnlichen Wahrnehmungen gesellt sich die Erfahrung durch gleichzeitige Wahrnehmung von Ereignissen mit verschiedenen Sinnen, sowie durch Vergleich mit früheren Wahrnehmungen derselben oder ähnlicher Dinge. Wiederholte Erfahrungen verfestigen sich in der Bildung und Tradierung von Ideen, sprachlichen Begriffen, Theorien und Handlungsmodellen über Generationen hinweg als Institutionen und schließlich als Gesellschaftsordnung und Kultur. Da Erfahrungen immer wieder neu und anders gemacht werden können, sind viele verschiedene Varianten möglich und können koexistieren.
Für die Tätigkeit des Bewusstseins sind verschiedene Begriffe in Gebrauch, abgesehen von den Deutungen im philosophischen Dickicht: Erscheinungen, Phänomene, Wahrnehmungen, Empfindungen, Erfahrungen und Erlebnisse. Da es dafür keine allgemein gültigen Definitionen der Bedeutung gibt, soll für diese Arbeit eine Regelung gelten: Phänomene zeigen Zustände und Ereignisse in der Außenwelt für ein individuelles oder subjektives Bewusstsein, abhängig von der Situation und Perspektive des Subjekts, aber unabhängig von Wahrheit oder Richtigkeit. Erscheinungen seien hier objektivierte, intersubjektive oder konsensfähige Repräsentationen und Beschreibungen wiederholbarer Wahrnehmungen, die unter definierten oder sogar standardisierten Bedingungen beobachtet und vielleicht gemessen werden. Wahrnehmungen beschreiben Sinnesreize und ihre Deutung, eingeschränkt auf die auf Abstand wirkenden visuellen, akustischen und olfaktorischen Sinnesreize. Empfindungen sind die den Körper direkt betreffenden oder von ihm selber ausgelösten Sinnesreize einschließlich der Gefühle. Zu unterscheiden ist zwischen dem Akt und dem Inhalt der bewussten Wahrnehmung, während bei Empfindungen meist beide zusammenfallen. Erfahrungen beziehen sich auf Wahrnehmungen von wiederholbaren Ereignisfolgen, aus denen eine Bedeutung für die Wirkungen sowie Konsequenzen für das eigene Handeln erkannt werden können. Herausragende oder seltenere Wahrnehmungen, meist mit starken Empfindungen verknüpft, gelten als Erlebnisse. Im Unterschied zum reinen, passiven Erleben umfasst Erfahrung die Folgen eigenen oder fremden Handelns, somit auch das Erkennen vernünftigen und unvernünftigen, nützlichen und schädlichen oder irrtümlichen Handelns.
Nicht immer sind die Grenzen zwischen den Begriffen jedoch klar und eindeutig. Die Wärme eines Gegenstandes wird wahrgenommen, die Wärme des Sommerwetters wird empfunden. Subjektive, situationsabhängige, unregelmäßige Wahrnehmungen von Erscheinungen gelten als Phänomene, wobei Subjektivität nicht auf Individuen beschränkt sein muss, sondern oftmals auch Gruppen umfassen kann. Der Mond erscheint als veränderliche Scheibe regelmäßig am Himmel, eine Mondfinsternis dagegen ist ein Phänomen, das nur temporär und lokal unter bestimmten Bedingungen und daher nicht von allen Menschen gleichzeitig beobachtbar ist. Phänomene entstehen oftmals auf Grund des Zusammentreffens mehrerer Einzelereignisse, treten deshalb unerwartet, selten oder scheinbar zufällig auf. Manchmal schwingt darin Erstaunen oder Verwunderung mit. Logisch denkbar wäre, dass es Erscheinungen gibt, die prinzipiell nicht mit menschlichen Sinnen oder für keinen der biologischen Organismen wahrnehmbar wären. Andererseits ist diese Annahme wieder unlogisch, zumindest unwahrscheinlich, weil jeder Organismus aus derselben Materie wie das Universum besteht und mit derselben Materie interagieren kann. Evident ist wiederum, dass die menschlichen Sinne in ihren Vermögen sehr beschränkt sind.
Das Anschieben des Autos braucht eine größere Kraftanstrengung als das Schieben des Kinderwagens. Das Heben eines Steines braucht eine größere Kraftanstrengung als das Heben eines gleich großen Gummiballes. Die Kraftanstrengung ist offenbar nicht ausschließlich von der Form und Größe des Gegenstandes abhängig. Es gibt also eine Eigenschaft der Gegenstände, die nicht sichtbar ist, aber beim Umgang mit den Gegenständen spürbar wird, wie die Schwere. Durch Experimente, die von Galilei und später von Newton durchgeführt wurden, hat sich gezeigt, dass es nicht verschiedene Eigenschaften sind, sondern nur eine einzige, die über die Kraftanstrengung bestimmt. Es ist die Masse eines Gegenstandes. Die Forscher haben sodann zwischen der Masse und der notwendigen Kraftanstrengung eine zuverlässige Gesetzmäßigkeit festgestellt. Dies ermöglichte den Menschen, die nötige Kraftanstrengung vorauszusagen und entsprechend den Einsatz von Menschen und Werkzeugen im voraus zu planen. Die Kenntnis der gesetzmäßigen Zusammenhänge zwischen Eigenschaften und Erscheinungen der Gegenstände ermöglichte den Bau riesiger und großartiger Paläste und Kathedralen und später die Konstruktion von Maschinen als Ersatz und zur Verstärkung der menschlichen Kraft. Bedingung und Nachweis für gesetzmäßige Kausalität ist die Notwendigkeit in der Relation von Ursache und Wirkung, die ihrerseits nur aus Natur- oder Denkgesetzen logisch abgeleitet werden und nicht empirisch bestimmt werden kann, da der Mensch nie das gesamte Universum überblickt, um begründete Allaussagen machen zu können