Quentin Durward. Walter Scott

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Quentin Durward - Walter Scott


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Kloster geflohen. Die Ogilvies sollten keinen Grund haben, Rache am Pater und dem Kloster zu nehmen. Daher nahm ich auch den Falken des frommen Paters mit. Entlassen aber bin ich unter der Hand in aller Form Rechtens aus dem Kloster, wie ja das Siegel und die Handschrift des Abtes beweisen.“

      „Na, das ist ja im Grunde auch besser“, meinte Balafré, „wenn auch schließlich König Ludwig nicht viel danach früge, ob Du gemaust hast oder nicht, so kann er es doch nicht leiden, wenn sich einer gegen ein Kloster vergangen hat. Darauf kann ich aber wetten, Junge, dass Dir alles Mögliche fehlt, zu einem anständigen Unterhalt?“

      „Nun, ja Onkel“, erwiderte der Jüngling, „Dir kann ich's ja gestehen: Dazu ist mir weiter nichts nötig, als das nötige Kleingeld.“

      „Eine schlimme Sache, wenn die Dinge so stehen“, meinte Balafré, „ich spare ja auch nichts vom Sold. Es ist nicht leicht mit Ehren, solchen Stand zu wahren. Was ich benötige, habe ich schließlich doch immer, und wenn es mal Matthäi am letzten wird, dann muss die goldene Kette herhalten. Du wirst dich fragen, Neffe, wie ich zu solchen schönen Dingen komme? Sie wachsen freilich nicht wie Narzissen auf dem Feld. Du kannst sie Dir dort holen wie ich, vom König von Frankreich! Denn wer Schätze zu suchen ein Herz hat, der findet sie dort, wenn auch hie und da mit Lebensgefahr; aber er findet sie!“

      „Ich hörte“, erwiderte Quentin, „der Herzog von Burgund hält einen besseren Hofstaat als der König von Frankreich. Unter seiner Fahne sei mehr Ehre zu gewinnen.“

      „Du redest wie ein Dummkopf“, entgegnete Balafré, „aber man kann's Dir nachsehen, denn als ich den Fuß nach Frankreich gesetzt hatte, redete ich gerade so dumm und albern wie Du. Ich hatte die Vorstellung von einem König, dass er den ganzen Tag unter einem Thronhimmel säße, mit seinen obersten Paladinen von früh bis spät schmause, die goldene Krone nie absetzt, oder an der Spitze seiner Truppen dem Feinde entgegenreite. Im Vertrauen gesagt, Neffe! Politik ist die richtige Kunst, die sich für die Könige schickt, und diese Kunst hat der König Ludwig von Frankreich so recht eigentlich für sich gepachtet. Er versteht es, wie kein anderer Monarch in ganz Europa! Du darfst mir glauben, Ludwig ist der klügste von allen Fürsten, der je den Purpur trug! Ich sah den Purpurmantel kaum ein einziges Mal auf seinen Schultern, solange ich in seinem Dienst bin. Viel öfter aber habe ich ihn herumlaufen sehen in seinem Schloss und seinem Land in einer Kleidung, wie sie sich kaum für unsereinen schicken möchte!“

      „Aber, Onkel“, wandte der Jüngling ein, „Ihr erwidert ja gar nichts auf meinen Einwand. Wenn ich in fremdem Land dienen muss, so möchte ich es doch gern da tun, wo mir der größte Vorteil winkt, wo ich mich am ehesten und hervorragendsten auszeichnen könnte!“

      „Das verstehe ich schon, lieber Neffe“, versetzte Balafré, „aber es fehlt Dir in solchen Dingen noch am richtigen Urteil. Der Burgunder Herzog ist ein Brausekopf, ein eisenfester Wagehals, der sich an der Spitze seiner Männer selbst ins Gefecht stürzt, und wenn wir, Du oder ich, uns bei ihm befänden, meinst Du, wir könnten es dort weiter bringen, als er und seine Adligen? Wollten wir nicht gleichen Schritt mit ihnen halten, dann wäre doch sicher der Herr burgundische Generalprofos nicht weit von uns, und täten wir's anderseits ihnen gleich, nun, dann wär's eben gut, und es hieße, wir hätten eben unseren Sold verdient. Höchstens hieße es einmal, wenn wir was ganz Besonderes verrichtet hätten, aus herzoglich burgundischem Munde: Ha! Brav gemacht! Sehr brav – gebt ihm einen Gulden, Seneschall, dass er mal auf unser Wohl einen guten Schluck trinken kann! Aber von Rang, Land oder Schätzen kommt in seinem Dienste an einen, der nicht Burgunder ist, kein Tüttelchen: das lass Dir gesagt sein, denn was der zu verschenken hat, kommt bloß an Landeskinder!“

      „Dann sagt mir aber, Onkel“, erwiderte Quentin, „wohin soll ich mich wenden?“

      „Zu demjenigen Fürsten“, antwortete Balafré, „der die Landeskinder fein säuberlich zur Arbeit anhält und Schotten einstellt, sie und ihr Land zu schützen, und ihnen dafür keine andern Lasten aufbürdet, als für ihren Sold aufzukommen! ... Franzosen, sagt König Ludwig, eignen sich nun einmal nicht zur Kriegführung, das haben die Tage von Crécy und Azincourt bewiesen, und wer ihm was gegen seine Ansicht sagen will, dem kommt er gleich mit diesen beiden Schlachten entgegengerückt, die für die französischen Ritter in so großem Maße unglücklich verliefen. Na, siehst Du nun ein, lieber Neffe, wo unser Weizen blüht, und wo Du, wenn Du reich werden willst, schließlich noch die allerbesten, wenn nicht die Einzigen, Aussichten dazu hast?“

      „Ich glaube, den Sinn Eurer Worte richtig zu erfassen, Onkel“, versetzte Quentin Durward, „aber mir scheint, viel Ehre ist bei diesem König nicht zu holen! Denn ich sehe nicht, wo es bei ihm Gefahren gibt. Mir kommt der Dienst bei ihm, verzeiht mir den Ausdruck, Onkel, so recht vor wie ein Schlaraffendienst. Warum hat ein alter Mann, dem doch niemand was zu Leide tut, so viel Wachen nötig? Wem kann was daran liegen, Sommer und Winter auf seinen Festungswerken herumzulungern oder in einem eisernen Käfig zu stecken? Ist das etwa viel Ehre, unter dem ewigen Verdacht des Ausreißers zu stehen? Ich komme mir da wirklich nicht anders vor, wie ein Falke, der auf seiner Stange hocken muss, ohne nur ein einziges Mal auffliegen zu dürfen.“

      Ich muss man sagen“, rief Balafré, „Mut und Feuer stecken in dir; es steckt was von Lesleyschem Geist in ihm; so war ich selber, und keinen Deut anders. Aber jetzt heißt meine Parole: Vivat König Ludwig! Lang lebe der König von Frankreich! Bei ihm vergeht fast kein Tag, an welchem es nicht einen Auftrag gibt, bei dessen Ausführung was für unsereinen kleben bleibt! Meine bloß nicht, als ob die schwierigsten Stückchen immer bei hellem Tage ausgeführt würden! Ich könnte Dir manches erzählen, wie Schlösser gestürmt, Gefangene eingebracht wurden, und wo einer, wenn auch keinen großen Namen, so doch größere Gunst zu gewinnen vermag, als all die Wagehälse zusammengenommen im Dienste des wagehalsigen Herzogs von Burgund! Wenn es unserm Könige beliebt, sich im Hintergrund aufzustellen und uns bei unserm Tun zu beobachten, so hat er doch ganz gewiss bessere Gelegenheit zu gerechtem Abwägen von jedes einzelnen Verdienstes, als wenn er sich selbst mit in dem Kampfe getummelt hätte. Nein, nein! Da hilft kein Reden! König Ludwig ist ein gar scharfblickender Herr und ein politischer Herrscher, wie wir keinen andern haben neben ihm!“

      Quentin Durward schwieg eine Weile, schließlich sagte er, leiser als bisher, aber nicht minder ausdrucksvoll: „Der gute Pater Peter meinte manchmal, durch manche Tat wurde nicht viel Ehre eingeheimst, oder mancherlei Vorteil zu gewinnen gewesen.Ich brauche Euch wohl nicht zu sagen, Onkel, dass meine Vermutung solche geheim erteilten und heimlich auszuführenden Aufträge nicht immer besonders ehrenvoll sein mögen.“

      „Wofür, Neffe, hältst Du mich denn?“, fragte Balafré finster; „ich bin allerdings in keinem Kloster erzogen worden, kann auch weder lesen noch schreiben; aber ich bin ein ehrlicher Lesley. Meinst Du, ich, als Dein Onkel, wollte Dir etwa Unwürdiges anbieten? Der beste Ritter Frankreichs, Guesclin selbst, könnte, wenn er noch am Leben wäre, stolz sein auf solche Taten, wie ich sie ausführte.“

      „Ihr seid mein einzige Ratgeber, Onkel“, antwortete Quentin Durward, „den mir ein unseliges Geschick aufbewahrt hat, und ich Zweifel nicht an Euren Worten. Trifft es zu, was gerüchtweise verlautet, dass der König von Frankreich hier in Plessis solch dürftigen Hof halte? Es soll keiner von seinen Edlen hier sein, keiner von seinen großen Vasallen und Hofleuten in seiner Nähe weilen, kein Kronbeamter zu seiner Verfügung stehen? Außer ein paar einsamen Ausflügen, an denen bloß die Leibdiener teilnehmen dürfen, ein paar geheime Sitzungen, zu denen lediglich eine kleine Zahl von Personen zugegen sind, wie beispielsweise sein Barbier, soll nichts hier vorgehen, was an eine königliche Hofführung erinnert? Wenn sich das wirklich so verhält, dann scheint mir doch wenig von den Bräuchen und Sitten seines Vaters des edlen Königs Karl, auf König Ludwig übergegangen zu sein. Dabei hatte König Karl das zur Hälfte von England eroberte Königreich wieder durch Krieg an sich gebracht!“

      „Du schwatzt Unsinn“, erwiderte Balafré, „und leierst wie ein Kind die alten Noten auf neuen Saiten. Wenn König Ludwig seinen Barbier Oliver Dain zu dingen braucht, die dieser besser versteht, als alle Pairs in seinem Land, hat nicht dann sein Königreich den Gewinn davon? Wenn er seinem martialischen Generalprofossen Befehl gibt, diesen oder jenen aufrührerischen Bürger in Haft zu nehmen oder den oder jenen Edelmann beiseitezuschaffen, dann geschieht


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