Quentin Durward. Walter Scott
Читать онлайн книгу.Ludwigs Leibwache stehen dreihundert schottische Bogenschützen, und darunter sind Adelige vom besten Blut Schottlands.“
„Und wenn ich König Ludwig wäre“, rief der Jüngling, „so vertraue ich mich diesen Söhnen Schottlands an, ließe Burg und Wälle niederreißen, die sumpfigen Gräben auffüllen und versammelte meine Pairs und Paladine um mich zu prächtigen Turnieren und festlichen Mal zu versammeln, ohne mich von Feinden mehr beirren zu lassen, als vom Gesumme einer Fliege.“
Der Begleiter des Jünglings lächelte wieder in seiner absonderlichen Weise, wandten dem Schloss wieder den Rücken zu und begaben sich wieder in den Wald, wählten aber jetzt einen breiteren und augenscheinlich auch betreteneren Pfad, als auf dem sie zum Schloss gelangt waren. „Auf diesem Wege gelangen wir ins Dorf hinein, Plessis, wie man es in der Gegend nennt. Dort werdet Ihr gute und anständige Bewirtung finden. Etwa zwei Meilen von hier liegt die Stadt Tours, die der schönen und reichen Landschaft den Namen gab. Aber im Dorf findet Ihr Unterkunft ebenso gut, nur erheblich billiger.“
„Ich danke Euch für die Auskunft“, sagte der Jüngling, „aber ich werde hier nicht lange bleiben. Außer einem Bissen Fleisch und einem Trunk, der um ein weniges besser ist als Wasser, stelle ich an das von Euch empfohlene Dorf keine Ansprüche.“
„Ich war der Meinung“, wandte der andere ein, „Ihr hattet vor, einem Bekannten hier guten Tag zu sagen?“
„Das wohl“, antwortete Durward, „einem Bruder meiner Mutter, einem gar stattlichen Mann, wie nur selten einer den Fuß auf die Heide von Angus gesetzt hat.“
„Wie heißt er denn?“, fragte der andere; „wir können uns umhören, denn Euch möchte ich es nicht raten, ohne weiteres ins Schloss zu spazieren: Man könnte Euch leicht für einen Spion halten“.
„Bei meines Vaters Hand!“, rief der Jüngling, „ich, ein Spion? Wer mir solches unterstellt, wird schnell Bekanntschaft mit meinem kalten Eisen machen! Mein Onkel heißt, da Ihr danach fragt, Lesley. Und des Namens braucht sich, wie ich wohl sagen kann, kein Schotte zu schämen.“
„Daran Zweifel ich nicht“, erwiderte der andere, „aber in der schottischen Garde dienen meines Wissens drei mit Namen Lesley?“
„Mein Onkel heißt Ludwig“, antwortete Durward.
„Von den drei Lesleys bei der Garde“, erwiderte der andere, „führen zwei den Vornamen Ludwig.“
„Mein Onkel heißt wohl auch Ludwig, der Genarbte“, versetzte Durward, „die Familiennamen sind bei uns so allgemein, dass wir den Einzelnen durch einen Zunamen zu kennzeichnen pflegen, sofern er sich nicht durch seinen Besitz an sich schon unterscheidet.“
„Oho, den kenn ich gut“, sagte der andere, „es ist ein braver und tapferer Mann, auch ein tüchtiger Soldat. Hoffentlich kann ich Euch helfen, euch mit ihm zu treffen. Es wird euch nicht Schaden, möcht es Euch nicht, das kann ich wohl sagen, wenn Ihr mit ihm sprecht, denn er gehört zu jenen Edelleuten, die streng auf den Dienst halten und nicht oft den Fuß aus der Garnison setzen. Es sei denn, die Pflicht ruft ihn zum König. Aber nun beantwortet mir eine Frage, junger Mann. Ich möchte darauf wetten, dass es Euch darum geht, an Eures Onkels Seite in der königlichen Garde zu dienen. Wenn Ihr hiernach strebt, so habt Ihr, wie ich wohl sagen darf, Großes im Sinn.“
„Daran gedacht habe ich wohl einmal“, bemerkte Durward gleichgültig, „aber das war ein Traum, der lange vorbei ist.“
„Wieso ein Traum?“, fragte der Ältere strengeren Tones als bisher, „erscheint Euch, ein Dienst, den die besten Eures Landes für eine Ehre halten, als solche Lappalie, dass Ihr Euch bloß im Traum damit befasst?“
„Aufrichtig gesprochen: der Dienst beim König von Frankreich wäre mir schon recht; aber was schert mich seine Uniform und guter Sold, wenn ich mich in solchen finstern Kasten oder gar in solches Schwalbennest einsperren lassen soll? Da lobe ich mir die frische, freie Luft! Zudem“, setzte er leiser hinzu, „ist mir ein Schloss, wo die Bäume dergleichen Eicheln tragen, wie man sie dort sieht, nicht sonderlich angenehm.“
„Ich kann mir denken, was Ihr meint; aber es wäre schon besser, wenn Ihr Euch ein bisschen deutlicher aussprächet.“
„Nun, wenn Ihr's denn durchaus deutlich hören wollt“, sagte Durward, „so danke ich schön für Eichen, an denen Menschen in grauen Wämsern baumeln von der Art, wie ich eins auf dem Leibe habe.“
„So so!“, rief der andere, „das muss ich sagen: Es geht doch nichts über ein Paar gute, scharfe Augen! Ich habe wohl auch was dort hin und her schaukeln sehen, hab aber gedacht, es sei ein Rabe, der sich auf einem Zweig niedergelassen hat. So etwas gehört aber keineswegs hier zu den Raritäten. Wenn der Herbst herankommt, so könnt Ihr dort oft ein halbes Dutzend oder mehr vom selben Schlage hängen sehen ... Was stört Euch dabei? Es sind doch bloß Fahnen, die die Galgenvögel verscheuchen sollen; und wer solchen Kerl dort baumeln sieht, der sagt doch eben höchstens, dass es einen Halunken weniger gibt, und dass das Volk im Lande wieder ein bisschen freier aufatmen kann. Solche Rechtspflege liebt nun einmal unser König.“
„Ich an seiner statt hätte sie aber lieber ein bisschen weiter von meinem Schloss“, sagte der Jüngling, „bei uns in Schottland werden tote Raben dort aufgehängt, wo lebendige nisten, nicht aber in unsern Gärten oder Taubenhäusern. Pfui Teufel! Der Verwesungsgestank dringt ja schon bis hierher!“
„Seid Ihr ein redlicher Diener Eures Fürsten, junger Bursche“, sagte der Mann, „dann werdet Ihr wohl kaum einen Geruch für angenehmer halten als den, der von dem Aase eines toten Verräters herüberzieht.“
„Aber darüber den Geruch und das Gesicht einzubüßen, könnte mir doch eben auch nicht passen“, antwortete der Schotte. „Zeigt mir einen Verräter lebendig, und ich will ihn greifen mit meinem Arme, und niederschlagen mit meiner Waffe; aber wessen Leben dahin ist, gegen den sollte es auch keinen Hass mehr geben ... Doch wenn ich nicht irre, so sehen wir bereits drüben das Dorf. Dort sollt Ihr sehen, dass mir weder Nässe noch Gestank den Appetit heute verderben kann. Drum so schnell wie möglich in den Gasthof! Bevor ich aber von Eurer Gastfreundschaft Gebrauch mache, wollt Ihr mir, bitte, sagen, wer Ihr seid, und wie ich Euch anzureden habe.“
„Gemeinhin nennt man mich Meister Peter“, gab der andere zur Antwort, „ich bin kein Freund von Titeln. Ich bin ein freier Mann und lebe von dem, was ich habe und mir verdiene.“
„Dagegen lässt sich nichts sagen, Meister Peter“, versetzte der Schotte, „und ich danke es dem günstigen Zufall, der mich hierher führte, dass er mich mit Euch zusammengebracht hat. Für einen guten Rat bin ich immer dankbar.“
Unterdessen kam der Kirchturm in Sicht und bald waren sie auch in der Nähe des Dorfeinganges; aber Meister Peter, von dem Wege, der auf die offene Heerstraße führte, ein wenig abbiegend, meinte jetzt, der Gasthof, wohin der Schotte gehen wolle, sei ein wenig abgelegen und nehme auch nur bessere Reisende auf „Meint Ihr damit solche, die mit einer gutgespickten Börse reisen“, versetzte der Schotte, „dann gehöre ich nicht dazu, sondern will's lieber versuchen mit jenen, die, statt in Gasthöfen, auf offener Heerstraße plündern.“
„Ihr Schotten seid ein vorsichtiges Volk! Der Engländer rennt ins erstbeste Gasthaus hinein und macht eine Zeche, wie es ihm gerade passt, ohne früher an die Rechnung zu denken, als bis ihm der Magen voll ist. Ihr vergesst aber, Meister Quentin, und Quentin ist doch wohl Euer Name, dass ich Euch ein Frühstück schuldig bin für das Bad im Bach, das Ihr durch meinen Irrtum genommen habt. Diese Buße muss ich schon auf mich nehmen für die Euch zugefügte Kränkung.“
„Ach, ich denke an das bisschen Wasser und an den Verdruss, den ich von Euch erlitten, schon lange nicht mehr“, antwortete Quentin, „meine Sachen hab ich mir ja schon wieder trocken gelaufen; da aber meine Mahlzeit heut ein bisschen karg war, will ich Euer Anerbieten nicht von der Hand weisen. Wenn ich mich nicht irre, so seid Ihr ein schlichter, ehrsamer Bürger, und ich sehe nicht ein, warum ich Euch ein Frühstück abschlagen sollte.“
Inzwischen waren sie einen schmalen Abhang, von großen Ulmen umschattet, hinabgestiegen, an dessen Ende sie durch