Quentin Durward. Walter Scott
Читать онлайн книгу.mit einem Jagdhorn um den Hals und zu Füßen eine Koppel Hunde.
Hierher lenkte Durwards Führer seine Schritte, und kaum waren sie auf die Lichtung hinausgetreten, als auch schon der Einsiedler in seiner Kutte aus seiner Hütte trat, um sich in die Kapelle zu begeben. Durward verneigte sich tief vor dem frommen Mann, wie es die gute Sitte erforderte, während sein Begleiter, dem Anschein nach von noch tieferer Frömmigkeit erfüllt, sich auf ein Knie niederließ, den Segen des frommen Mannes zu empfangen, und ihm dann demütigen Schrittes und in einer Haltung, die auf tiefe Zerknirschung hinwies, in das Gotteshaus folgte.
Das Innere der Kapelle war dem Heiligen, der hier verehrt wurde, auf das engste angepasst, denn es entsprach durchaus seinem Beruf, da er auf Erden wandelte. An Stelle von Teppichen und Vorhängen sah man nur Felle von Jagdtieren, und überall an den Wänden waren Verzierungen angebracht von Hörnern, Bogen, Köchern und andern Jagdsymbolen und Jagdgerätschaften; und selbst die Messe zeigte durch ihre abgekürzte Form, dass es eine sogenannte „Jagdmesse“ war, wie sie vor Edlen und Mächtigen gehalten zu werden pflegte, die in der Regel, wenn sie sich in eine Kirche zum Gottesdienste begeben, ihrem Sport mit Ungeduld entgegensehen. Durwards Begleiter schien jedoch während der kurzen feierlichen Handlung die gespannteste Aufmerksamkeit zu entfalten; und der schottische Jüngling sah zu seinem lebhaften Bedauern ein, dass er dem alten Herrn das bitterste Unrecht angetan habe, als er sich von seinem Charakter solche ungeheuerliche Vorstellung gemacht hatte, wie, dass er ein Räuber und Wegelagerer sein oder wenigstens zu solchem Gesindel halten könne. Jetzt fiel es ihm im Gegenteil schwer, ihn nicht für einen Heiligen zu halten.
Sobald der Gottesdienst zu Ende war, verließ der alte Herr mit dem jungen Mann die Kapelle. „Es ist nicht mehr weit bis zum Dorf“, sagte der Erstere, „Er kann nun sein Fasten mit Ruhe brechen, ohne eine Sünde befürchten zu müssen. Folgt mir also!“ Er wandte sich nach diesen Worten rechts und schritt einen Pfad entlang, der langsam zu steigen schien; als er ein Stück weit gegangen war, riet er seinem Begleiter, sich ja scharf in der Mitte zu halten, und als Durward fragte, warum denn das notwendig sei, gab er die Antwort: „Wir sind nun in der Nähe des Hofes, und es ist doch eine andere Sache, ob man auf königlichem Boden oder in seiner Bergwildniss wandelt. Den Weg ausgenommen, auf dem wir uns jetzt befinden, ist jeder Zoll hier ungangbar gemacht durch Schlingen und Fußangeln; sie stehen mit Sicheln im engsten Kontakt, die dem unvorsichtigen Wanderer die Beine so glatt wegsäbeln, wie eine Gartenschere die Schösslinge von den Bäumen wegputzt. Es liegen auch Eisen hier verstreut, die einem jeden, der sie berührt, die Füße durch und durch stechen; auch in Gruben könnt Ihr geraten, die tief genug sind, Euch für alle Ewigkeit zu begraben. Wie gesagt, es wird gut sein, Du hälst Dich dicht neben mir, denn wir wandeln jetzt auf königlicher Domäne und werden nun bald auch die Vorderseite des Schlosses sehen“,
„Wäre ich der König von Frankreich“, erwiderte der junge Mann, „so gäbe ich mir solche Mühe mit Fußangeln und dergleichen schon lange nicht, sondern versuchte statt dessen lieber, ein so gütiges Regiment zu üben, dass keiner meiner Untertanen Ursache hätte, mir anders als in freundlicher Absicht zu nahen; und was solche Leute betrifft, die sich meiner Domäne ohne Fehl und Arg näherten, nun, dann sollte es mir bloß lieb sein, wenn ihrer recht viele kommen wollten.“
„Pst, pst!“ machte sein Begleiter, indem er ihn mit unruhigen Blicken musterte, „Er ist ein bisschen vorlaut, Patron mit der Samttasche! Ich hätte schon längst sagen sollen, dass hier alle Blätter Ohren haben. Es empfiehlt sich also, die Zunge zu wahren, denn hier kommt jeder Laut im Nu zu den Ohren des Königs.“
„Was frage ich danach?“, erwiderte Durward, „in meinem Halse hängt eine schottische Zunge, die sich nicht sträuben wird, dem König Ludwig, den übrigens Gott segnen möge, alles ins Gesicht zu sagen, was ich denke. Was aber die Ohren angeht, die, wie Ihr sagtet, hier alle Blätter haben, nun, so lasst es Euch gesagt sein, dass ich sie an einem menschlichen Kopfe schwerlich sehen könnte, ohne dass die Lust mich überkäme, sie auf der Stelle mit meinem Weidmesser abzusäbeln.“
Drittes Kapitel.
Von Waldrand, an welchem Durward mit seinem seltsamen Begleiter stehen geblieben war, um sich das königliche Schloss Plessis-les-Tours anzusehen, zog sich eine offene Esplanade, die, von einer völlig verwitterten, aber mächtig hohen Eiche abgesehen, die in ihrer Mitte stand, frei von Bäumen und Strauchwerk war, um die Festungswerke herum, hinter denen sich das eigentliche Schloss erhob. Drei Außenwälle, einer immer höher als der andre, in allen Ecken mit Türmen und Basteien gesichert, zogen sich um die Gebäude. Vor ihnen lag ein dreifacher Graben von annähernd zwanzig Fuß Tiefe, der durch einen Kanal aus einem Nebenarm des Flusses Cher gespeist wurde, und dessen innerer Rand mit starken Palisaden besetzt war, die die Stelle der „spanischen Reiter“ der neueren Befestigungskunst vertraten. Diese Palisaden waren scharf gespitzt, so dass es ein sehr schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Stück Arbeit gewesen wäre, über sie hinweg zu steigen.
Hinter der innersten Mauer erhob sich das Schloss selbst mit seinen aus verschiedenen Zeitaltern stammenden Bauten. Der älteste Bau von allem, war jedoch der alte, schauerliche Kerkerbau, der sich wie ein schwarzer Riese in die Luft hinaufreckte, aller Fenster entbehrend und nur mit einer Reihe unregelmäßiger Schießscharten versehen. Die anderen Gebäude schienen ebenso jeglicher Annehmlichkeit zu entbehren, wenigstens zeigten auch sie an ihrer Vorderfront keine Spur eines Fensters, eben so, wie der Kerkerbau. Sie waren in dieser Hinsicht Bestandteilen eines Kerkers weit ähnlicher als eines königlichen Palastes.
Zu diesem unfreundlichen Schloss konnte man bloß durch ein einziges Tor gelangen, das sich, wie Durward bemerkte, in der Mitte der ersten äußeren Ringmauer befand. Die zwei hohen, dicken Türme mit dem Tor gehörten zu den gewöhnlichen Bollwerken von Schlossportalen der damaligen und wohl auch späteren Zeiten an. Durward sah auch das Fallgitter und die Zugbrücke. Ersteres heruntergelassen, Letztere hinaufgezogen. Wer sich ins Schloss begeben wollte, musste etwa 30 Ellen lang zwischen der ersten und zweiten Mauer entlang gehen; kam er als Feind, so war er den Wurfgeschossen von beiden Wällen ausgesetzt. Hatte er die zweite Ringmauer passiert, so musste er neuerdings den geraden Weg verlassen, um zum Portal der dritten und innersten Ringmauer zu gelangen. Damit musste er, bevor er den äußeren Hof, der sich längs der Vorderseite des Schlosses hinzog, erreichte, durch zwei enge, gefahrvolle Hohlwege hindurch. Kanonen waren hier in der Lage, einen angreifenden Feind mit Kugeln zu bestreichen. Durward staunte über das, was sich seinen Blicken hier bot. Menge an Schlingen, Fußangeln und Fallgruben, warteten zudem auf einen Feind und die sah er nur, da ihn seine Begleiter darauf aufmerksam machten. Auf den Mauersimsen waren Ausguckkäfige mit Schildwachen bei Tag und Nacht besetzt, die allgemein unter der Bezeichnung „Schwalbennester“ bekannt waren. Sie verhinderten, dass jemand ungesehen in das Schloss eindringen konnte. Andererseits lief er Gefahr, von der ersten Schildwache, an der er vorbeikam, aus solchem Käfig niedergeschossen zu werden. Die Wachen rekrutierten sich alle, ohne Ausnahme, aus den schottischen Bogenschützen der königlichen Leibwache und erhielten für ihren anstrengenden Dienst im Schloss nicht nur reichlich Sold und kostbare Uniform, sondern genossen auch sonst besondere Vorteile und Ehren.
„Na, junger Mann“, wandte sich der ältere Mann an den Jüngling, „nun sagt mir doch: Habt Ihr je eine Burg gesehen, die so fest wäre wie diese? Glaubt Ihr, dass es Männer auf Gottes Erdboden gibt, die sich wagten, sie zu stürmen?“
„Es ist ja ein ungemein festes Schloss“, erwiderte Durward, nachdem er die Bauten nochmals mit scharfen Blicken gemustert hatte, „und bewacht scheint es ja auch sehr scharf zu werden; indessen“, setzte er nach einer kurzen Pause hinzu, „dem Tapferen ist kein Ding unmöglich.“
„Gäbe es in Eurem Vaterland Leute, die sich zu solcher Unternehmung bereitfinden ließen?“, fragte der ältere Mann wieder, mit unverkennbarer Verachtung im Tone.
„Behaupten kann ich's nicht“, erwiderte der Jüngling, „aber in meiner Heimat fehlt es nicht an tausenden wagemutigen Männern, die eine kühne Tat scheuen, wenn's einer gute Sache dient.“
„So so?“, meinte der andere; „und ihr gehört auch dazu?“
„Ich will nicht prahlen und mich dadurch versündigen“, versetzte Durward, „aber mein Vater hat manche Tat vollbracht, zu der kein geringerer