C wie Charakterwelt. Dieter Lüders
Читать онлайн книгу.die Axt im Walde! Gut oder nicht gut? Töten oder nicht töten? Sterbehilfe und Abtreibung, das geht in diese Richtung. Was Hoffnung verspräche, das wäre Änderung, Heilung und Verbesserung.
Menschen können sich ändern. Es ist wie im Tierreich. Viele werden blind geboren. Mit der Kindheit verhält es sich ebenso. Adoleszenz und Pubertät zählen auch zu den Abschnitten der Unvollkommenheit. Und auch der spätere Lebensweg kann immer nur Flickwerk sein. Weil, bisher ist noch kein Lebensmeister vom Himmel gefallen. Das Schicksal setzt den Hobel an den Charakter. Bei manch einem früher, beim anderen später, und an wieder anderen scheint dieser Kelch vorbei zu gehen.
Es kommt auch immer auf die Umwelt an, in die man gesetzt worden ist. Für die einen ist das Leben eine Zumutung, und für die andern ist es die Lösung. In beiden Fällen haben sie eine Meinung und eine Ansicht. Sie können zumindest schon mal sehen. Und sie können erkennen, dass der Wald aus Bäumen besteht. Wenn hier und da noch etwas Feinschliff hinzu kommt, dann erkennen sie vielleicht auch irgendwann: Unmenschen sind auch nur Menschen.
Und nun zum Abschluss dieses Vorwortes noch ein Gedanke: Die Axt im Walde und der Elefant im Porzellanladen. Beide haben sie eines gemeinsam. Sie haben kein Mitgefühl für den Trümmerhaufen, den sie hinterlassen. Einfach nur verbranntes Land zu hinterlassen, Brandrodung und Brandstiftung sollten wohl kaum das Ziel eines Lebensweges sein.
Bäume in Form zu bringen oder ihnen Leben einzuhauchen, das währe geradezu göttlich. Wenn es aber dazu nicht reicht, dann könnte man sich damit begnügen, dass man gerne mal einem Zimmermann oder einem Gärtner über die Schulter schauen darf.
Zwischen Gelingen und Misslingen, in Streit, Anstrengung und Sieg bildet sich der Charakter.
Leopold von Ranke
Einleitung
In diesem Buch geht es nicht um mehr Regeln und noch mehr Gesetze. Im Gegenteil. Dieses Wissen hier soll den Leser dahin führen, dass er Regeln und Gesetzen kritisch gegenüber treten kann. Und um sich selber ein Bild machen zu können, dazu braucht man vor allem erst mal eines: einen Rahmen.
Ein Rahmen grenzt die Gedanken zwar ein, aber so, dass alle Möglichkeiten in einem überschaubaren Rahmen zusammengefasst sind. Es fehlt also keine Charaktereigenschaft, wenn man innerhalb dieser Möglichkeiten nachzudenken beginnt.
Eine andere Eigenschaft des Rahmens ist es, dass es eine obere und eine untere Grenze gibt. Auch eine Linke und eine Rechte. Erst also, wenn man die Grenzen kennt, dann kann man irgendwo dazwischen, meistens sogar in der goldenen Mitte, die wahre Realität finden.
Beispiel: Auf dem Bürgersteig liegt eine Geldbörse: Die obere Grenze wäre in diesem Fall die äußerste Noblesse, dass man den Geldbeutel an sich nimmt und sie sofort zur nächsten Polizeidienststelle oder ins nächste Fundbüro trägt. Die unterste Grenze wäre, dass man sich erst einmal umsieht, ob keiner guckt... Dann heimlich aufheben, schnell mal reinschauen... Alles Geld entnehmen und den Rest einfach in die nächste Hecke werfen...
Die Realität dazwischen spielt sich dann aber meist folgendermaßen ab: Eine Geldbörse! Mein Konto, meine Rechnungen, habe ich es nötig? Erst mal reinsehen... Wenig Geld, aha. Dann abgeben. Ist ein Fundbüro in der Nähe? Nein. Lieber wieder hinlegen? Und wenn es ein armer Mensch verloren hat? Die Laufereien, die er dann hätte... Und wenn es jemand anderes gefunden hätte?
Oder es befinden sich mehrere große Geldscheine darin. Was dann? Was könnte ich mir damit alles kaufen? Die teuren Schuhe die ich neulich gesehen habe? Endlich mal wieder das Auto voll tanken, und nicht immer nur für zwanzig Euro und dann auf Reserve fahren... Oder zur Abwechslung mal wieder etwas spenden?
Und da schließt sich der Rahmen. Wie kann man fremdes Geld spenden? Wenn man nun einschätzen möchte, was die beste Entscheidung eines guten Charakters wäre, dann sieht man sehr schnell, was geht und was nicht geht. Aber das kann man nicht vorher erlernen. Für die meisten Lebensentscheidungen gibt es keine Regeln. Da hilft es nur, wenn man sich selber ein Bild machen kann. Klar, man kann andere Leute fragen, was nun das beste wäre. Freunde, Bekannte, Verwandte. Aber denen glaubt man sowieso letztendlich nicht. Und das sollte man auch nicht.
Jede Entscheidung wird einem selbst zum Gericht. Man kann nicht einfach sagen: Meine Freundin hat aber gesagt, dass es das Beste ist, wenn ich dies und das tun soll. Damit kommt man nicht durch. Ratschläge sollte man sich bei Gewissenskonflikten zwar schon einholen, aber letztendlich muss man höchst persönlich mit seinem Gewissen klar kommen. Immer muss man vor sich selber zuerst gerade stehen können. Erst dann kann man anderen hinter sagen, dass man es vorher nicht besser gewusst hat.
Wobei das größte anzunehmende Übel die Besinnungslosigkeit ist. Unsere Gesellschaft bewegt sich leider genau in diese Richtung. War es einst einmal vorgesehen, dass man am Sonntag zur Ruhe kommen konnte, so ist das längst von der Ruhelosigkeit24.de-Religion ins Kreuzfeuer genommen worden. Der Glaube, dass man zu jeder Stunde und an jedem Tag alles tun und lassen können solle, wonach es einem ist. Das soll einem das Heil für das eigene Gewissen versprechen, damit man nicht mehr mit sich selber ins Gericht gehen muss.
Wie schwach und verletzbar kann ein Charakter letztendlich denn noch werden? Gestandene Persönlichkeiten, mit umfassenden Meinungen und mit einem eigenen Rückgrat, was hält sie in Form, wenn der Wind einmal von vorne weht? Richtige Antwort: Eine trainierte Muskulatur. Falsche Antwort: Viel Medizin und viele Ärzte.
Auch hier gilt wieder die einzige Regel: Alle Möglichkeiten abwägen, auch Vernunft und Gefühl darf man nicht überhören. Dann einmal darüber schlafen, und mehr kann man einfach nicht tun. Niemand kann einen dann noch an den Karren fahren. Das Gewissen ist erst dann frei, wenn man alle Möglichkeiten in Betracht gezogen hat. Dass man einige Möglichkeiten nicht kannte, das fällt dann unter die Rubrik: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Dann kommen die Selbstvorwürfe.
Man kann es sich ersparen, dass man im Gefängnis landet, nur weil man vorher unwissend war. Hinterher ist man immer schlauer.
Vorher schlau zu sein, dass erspart einem das Gericht. Man muss nicht erst in einen Fettnapf treten, nur weil man die Tretminen auf dem Terrain vorher nicht gesehen hat.
Nur wer ein Gefühl dafür entwickelt hat, was geht und was nicht geht, der kann vorher, im Licht der Erkenntnis, auch Hindernisse und Fallen erahnen. Plumpes Dahintrotten ohne eigene Meinung, das tun nur Kamele. Mit dem Strom treiben nur tote Fische. Lebendige Charaktere geben sich ihren eigen Weg vor, dem folgen sie, und hinter ihren Entscheidungen können sie auch stehen.
Und das auch nur deshalb, weil sie sich ständig fragen, weil sie ständig zweifeln und besorgt sind, was denn nun der nächste Schritt sein könnte. Weil sie sich selber fragen und andere. Das nennt man Subsidiarität. Erst kommt das eigene kleine Gericht, dann die nächst größere Instanz. Amtsgericht, Landgericht, Strafgericht und so weiter.
Das eigene Gewissen ist hierbei aber die kleinste Instanz. Dann der Lebenspartner, Verwandte, Freunde, Nachbarn und so weiter. Wenn man erst von anderen in die Mangel genommen werden muss; na dann gute Nacht. Beispiel: Der Nachbar macht laute Musik und bringt den Frömmsten um seinen Frieden. Da funktioniert beim Nachbarn die erste Instanz nicht. Er überhört sie, oder er belügt sie. Ach, einmal ist keinmal, scheiß drauf. Der Schaden liegt nicht beim Nachbarn mit der lauten Musik. Sein Lebenspartner bremst ihn nicht, Bekannte und Verwandte bieten ihm keinen Einhalt. Aber das Recht schläft nicht, auch wenn er es nicht wahrhaben will. Irgend eine Instanz wird ihn bremsen, sei es der Vermieter, oder er wird vor einem Amtsrichter enden.
Wie gesagt, das Recht schläft nicht, es arbeitet, bis das Unrecht einen Dämpfer kassiert. In vielen Fällen trifft es jedoch nicht den Täter. Wenn der Nachbar A Musik macht, dass der Nachbar B nicht in den Schlaf kommt, dann kann es Nachbar B am nächsten Tag passieren, dass er mit dem Gabelstapler gegen die Aufzugtür ballert, weil ihm Schlaf fehlt. Statt Kraft zu schöpfen, ist seine Freizeit draufgegangen, um noch mehr Energie an den Ärger zu vergeuden. Im schlimmsten Fall bis in den Dispo. Er muss mit Zins und Zinseszins dafür bezahlen, dass Nachbar A sich nicht zügeln wollte oder konnte.
Dichtes Auffahren ist auch so ein Ärgernis. Auch hier wird Stress potenziert.