Quentin Durward. Walter Scott

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Quentin Durward - Walter Scott


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      »Bei St. Andreas!« sagte Quentin, »deine Unverschämtheit macht mich wider Willen lachen – wie oder worin hätte deine gelungene Schurkerei mir dienlich sein können? Ich hörte allerdings, daß Ihr übereinkamt, mein Leben zu erhalten, und diese Bedingung würden Eure würdigen Verbündeten gar schnell vergessen haben, wären wir einmal an einander gerathen – doch worin dein Verrath dieser Damen mir dienen konnte, außer daß er mich dem Tod oder der Gefangenschaft aussetzte, das ist eine Sache, die über allen menschlichen Verstand geht.«

      »So wollen wir nicht weiter daran denken,« sagte Hayraddin, »denn ich bin Willens, Euch noch durch meine Dankbarkeit zu überraschen. Hättet Ihr mir meinen Lohn versagt, so hätte ich angenommen, daß wir quitt wären, und hätte Euch Eurer eignen thörichten Leitung überlassen. Nun aber bleibe ich noch Euer Schuldner für jene Sache an den Ufern des Cher.«

      »Indem ich dich verfluchte und schimpfte, hab' ich, wie mich dünkt, mich schon bezahlt gemacht,« sagte Quentin.

      »Harte Worte, so gut wie freundliche,« sagte Hayraddin, »sind nur Wind, der in der Wagschale kein Gewicht hat. Hättet Ihr mich geschlagen, statt nur zu drohen, allerdings« –

      »Es scheint fast, daß ich mich auf diesem Wege bezahlt machen muß, wenn Ihr mich länger reizt.«

      »Ich würd' es nicht rathen,« sagte der Zigeuner; »solche Zahlung, von unbedachter Hand geleistet, dürfte die Schuld übersteigen, und einen heillosen Rest auf Eurer Seite lassen, den ich weder vergäbe, noch vergäße. Und nun lebt wohl, aber nicht auf lange – ich gehe, um den Damen von Croye Adieu zu sagen.«

      »Du?« sagte Quentin erstaunt – »du willst bei den Damen vorgelassen werden, und hier, wo sie fast klösterlich unter dem Schutze der Schwester des Bischofs, einer vornehmen Stiftsdame, leben? Es ist unmöglich!«

      »Aber doch wartet Marthon, um mich zu ihnen zu bringen,« sagte der Zigeuner spöttisch; »und ich muß Eure Vergebung erbitten, wenn ich Euch etwas schnell verlasse.«

      Er wandte sich wie zum Fortgehen, kehrte aber sogleich um und sagte mit bedeutendem und ernstem Nachdruck: »Ich kenne Eure Hoffnungen – sie sind kühn, doch nicht eitel, wenn ich sie unterstütze. Ich kenne Eure Befürchtungen – sie sollten Klugheit, nicht Schüchternheit lehren. Jedes Weib kann gewonnen werden. Ein Grafentitel ist nur ein Beiname, der sich für Quentin eben so gut passen wird, als der andre Beiname, Herzog, für Karl paßt, oder der eines Königs für Ludwig.«

      Ehe noch Durward antworten konnte, hatte der Zigeuner die Halle schon verlassen. Quentin folgte augenblicklich; doch, besser als der Schotte mit den Gängen des Hauses bekannt, hatte Hayraddin einen Vorsprung, den er benutzte; der Verfolger verlor ihn aus dem Gesichte, als er eine schmale Hintertreppe hinabstieg. Noch folgte Durward, obwohl ohne sich genau bewußt zu sein, warum er es that. Die Treppe endete mit einer Thür, die sich in den Gang eines Gartens öffnete, wo er den Zigeuner wieder einen gekrümmten Pfad hineilen sah.

      Von zwei Seiten war der Garten von den Gebäuden des Schlosses umgeben – eines hohen alten Baues, zum Theil festungartig gebaut, zum Theil einem kirchlichen Gebäude gleichend; an den andern beiden Seiten war eine hohe, feste Mauer die Begränzung. Während Hayraddin durch die Gartengänge nach einem andern Theile des Gebäudes kam, wo sich eine Hinterpforte unter einem großen, massiven, mit Epheu überwachsenen Schwibbogen öffnete, schaute er zurück, und gab mit der Hand ein triumphirendes Zeichen des Abschiedes, und Quentin bemerkte, daß in der That die Hinterthür von Marthon geöffnet, und daß der schlechte Zigeuner eingelassen ward, und natürlicherweise auch in die Gemächer der Gräfinnen von Croye gelangte. Quentin biß sich vor Unwillen auf die Lippen, und tadelte sich selbst ernstlich, daß er den Damen nicht die ganze Schändlichkeit von Hayraddins Charakter dargestellt und sie mit seinen Umtrieben gegen ihre Sicherheit bekannt gemacht hatte. Die anmaßende Weise, in welcher der Zigeuner versprochen hatte, seine Wünsche zu fördern, steigerte noch seinen Zorn und Unmuth; und er fühlte, daß selbst die Hand der Gräfin Isabelle entweiht sein würde, wenn man sie durch solche Vermittelung erhalten könnte. »Aber es ist Alles Betrug,« sagte er – »ein Stück jener elenden Gauklerkunst. Er hat sich unter irgend einem falschen Vorwand Zutritt bei den Damen verschafft, und gewiß in einer heillosen Absicht. Es ist gut, daß ich ihre Wohnung erfahren habe. Ich will auf Marthon warten, und mir eine Zusammenkunft mit ihnen verschaffen, wär' es auch nur, um ihnen Vorsicht anzurathen. Es ist hart, daß ich List anwenden und Verzug erdulden muß, während solche, wie er, offen und unbedenklich Zutritt haben. Aber sie sollen finden, daß, obwohl ich aus ihrer Nähe verbannt bin, Isabellens Sicherheit stets der Hauptgegenstand meiner Wachsamkeit ist.«

      Während der junge Liebende solche Gedanken nährte, nahte ihm ein bejahrter Herr von des Bischofs Hofe durch dieselbe Thür, die ihn in den Garten geführt hatte, und machte ihm bemerklich, obwohl auf die höflichste Weise, daß dieß ein Privatgarten sei, und bloß für den Gebrauch des Bischofs und der Gäste vom höchsten Range bestimmt.

      Quentin hörte ihn diese Mittheilung zweimal wiederholen, ehe er sie begriff; dann fuhr er wie aus dem Traume empor, verbeugte sich und eilte aus dem Garten, während ihm der Hofbeamte den ganzen Weg folgte, und ihn mit förmlichen Entschuldigungen, wegen seiner nothwendigen Pflichterfüllung überhäufte. Ja, so beharrlich war er in seinen Versuchen, die Beleidigung, die nach seiner Meinung Quentin fühlen mußte, zu beseitigen, daß er sich erbot, ihm selber Gesellschaft zu leisten, um so zu seiner Unterhaltung beizutragen; Quentin, der im Innern diese lästige Förmlichkeit verwünschte, fand endlich kein besseres Mittel, zu entkommen, als daß er den Wunsch äußerte, die nahe Stadt zu besuchen, und zu diesem Ende begann er einen so raschen Schritt anzunehmen, daß er damit dem Hofmanne alle Lust benahm, ihn weiter als bis an die Zugbrücke zu begleiten. In wenigen Minuten befand sich Quentin innerhalb der Mauern der Stadt Lüttich, damals eine der reichsten Städte Flanderns, und folglich der ganzen Welt.

      Schwermuth, selbst Liebesschwermuth, liegt nicht so tief, wenigstens in dem Herzen eines männlichen und lebhaften Jünglings nicht, als die weichen Schwärmer, die sich von ihr beherrschen lassen, zu glauben geneigt sind. Sie weicht unerwarteten und plötzlichen sinnlichen Eindrücken, Ortveränderungen, Scenen, welche neue Ideenverbindungen erwecken und dem Einflusse des geschäftigen Treibens der Menschheit. Binnen wenigen Minuten ward Quentins Aufmerksamkeit durch die Manchfaltigkeit der Gegenstände, die sich ihm in rascher Aufeinanderfolge in den geschäftigen Straßen Lüttichs zeigten, so sehr eingenommen, als hätte nie eine Gräfin Isabelle oder ein Zigeuner in der Welt existirt.

      Die hohen Häuser, die stattlichen, obwohl schmalen und düstern Straßen, die glänzende Ausstellung der reichsten Güter und prächtigsten Rüstungen in den Läden und Niederlagen ringsum, die Straßen, wo sich die geschäftigen Bürger jedes Standes drängten, hin und wieder gehend mit Gesichtern, welche sorglichen Ernst oder geräuschvolle Regsamkeit ausdrückten; die gewaltigen Wagen, welche die Gegenstände der Ein- und Ausfuhr hin und her führten, die letztere bestehend in Tuch, Serge, Waffen aller Art, Nägeln und Eisenwerk, während die erstere alle Artikel des Nutzens und des Luxus umfaßte, die theils zum Verbrauch einer reichen Stadt, oder zum weitern Transport bestimmt waren, – alle diese Gegenstände bildeten ein umfassendes Gemälde des Reichthums, des Geräusches und des Glanzes, welches für Quentin bisher völlig fremd gewesen war. Er bewunderte auch die vielen Ströme und Kanäle, die von der Maas ausgingen und sich mit ihr vereinten, die Stadt nach verschiedenen Richtungen durchschnitten, und jedem Theile derselben den Handelsverkehr durch ihre Wasserpfade erleichterten; auch versäumte er nicht eine Messe in der ehrwürdigen alten Kirche St. Lambert zu hören, die im achten Jahrhundert gestiftet sein soll.

      Als Quentin diese Stätte der Gottesverehrung verließ, bemerkte er erst, daß er, der bisher auf alles ringsum mit ungezügelter Neugier geschaut hatte, selbst ein Gegenstand der Aufmerksamkeit für verschiedene Gruppen stattlich aussehender Bürger war, welche sich versammelt zu haben schienen, um ihn zu betrachten, als er die Kirche verließ, und unter denen sich ein Gemurmel und Flüstern erhob, welches sich weiter und weiter verbreitete; indeß nahm die Zahl der Gaffer mehr und mehr zu, und eines jeden neuen Ankömmlings Blicke richteten sich neugierig auf Quentin, mit einem Ausdrucke, welcher große Theilnahme und Neugier, vermischt mit einem gewissen Grade von Hochachtung anzeigte.


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