Quentin Durward. Walter Scott
Читать онлайн книгу.von Charolais genannt, nur auf Zureden seines Vaters, Herzog Philipp des Guten, die Stadt der Plünderung nicht preisgab. Und doch, trotz all' diesen frischen Erinnerungen, trotz dem, daß ihre Bresche nicht hergestellt und ihre Zeughäuser schlecht versehn sind, reicht der Anblick der Mütze eines Bogenschützen hin, um sie wieder aufzureizen. Mag Gott Alles zum Besten wenden! Aber ich fürchte, es wird blutigen Verkehr geben zwischen einer so trotzigen Bevölkerung und einem so hitzigen Fürsten; und ich wollte, mein trefflicher und sanfter Herr hätte eine geringere Würde und größere Sicherheit, denn seine Bischofsmütze ist mit Dornen, statt mit Hermelin gefüttert. Dieß sage ich Euch, fremder Herr, um Euch zu erinnern, daß, wenn Eure Angelegenheiten Euch nicht zu Schönwald aufhalten, dieß ein Platz ist, den jeder vernünftige Mann so schnell als möglich verlassen sollte. Ich fürchte, daß Eure Damen derselben Meinung sind; denn einer der Diener, der sie auf der Reise begleitete, ist zurück an den französischen Hof mit Briefen gesandt worden, die wahrscheinlich die Meldung enthalten, daß sie im Begriffe sind, ein sicheres Asyl zu suchen.
Zwanzigstes Kapitel.
Das Billet.
»Wohlan – du bist ein gemachter Mann
wenn du es sein willst – wo nicht, so will ich dich noch als Genossen von Dienern sehen, der nicht werth ist, Fortunens Finger anzurühren.
Zwölfte Nacht.
Als die Tafel aufgehoben war, führte der Kaplan, der besonderes Gefallen an Quentin Durward's Gesellschaft zu haben schien, oder auch vielleicht einige nähere Nachricht von seinen Morgenbegegnissen zu erlangen wünschte, ihn in ein Nebenzimmer, dessen Fenster an der einen Seite in den Garten gingen; als er sah, daß seines Gefährten Blick sich verlangend dorthin heftete, schlug er Quentin vor, hinab zu gehen und die seltnen fremden Gewächse zu betrachten, mit welchen der Bischof seine Beete geziert hatte.
Quentin entschuldigte sich, daß er sich nicht eindrängen möge, und theilte die Zurückweisung mit, die er am Morgen erfahren hatte. Der Kaplan lächelte und sagte, es bestehe allerdings ein altes Verbot in Bezug auf des Bischofs Privatgarten; »aber dieß,« fügte er mit einem Lächeln hinzu, »war nur geltend, als unser ehrwürdiger Herr ein junger fürstlicher Prälat und nicht älter als dreißig Jahre war, wo denn viele schöne Damen das Schloß des geistlichen Trostes wegen besuchten. Und da war nöthig,« sagte er mit niedergeschlagenem Blick und einem halb einfältigen, halb klugen Lächeln, »daß diese büßenden Damen, welche immer in den Gemächern wohnten, die jetzt die edle Stiftsdame inne hat, einigen Raum hatten, um frische Luft zu schöpfen, wo sie vor profanen Blicken gesichert waren. Aber in den letzten Jahren ist dies Verbot, obwohl nicht förmlich aufgehoben, doch gänzlich außer Anwendung gekommen, und es bleibt nur noch übrig wie ein Aberglaube, der in dem Hirn eines gealterten Ceremonienmeisters spukt. Gefällt es Euch also, so gehen wir sogleich hinab und wagen es darauf.«
Nichts konnte für Quentin angenehmer sein, als die Aussicht, freien Zutritt in den Garten zu erlangen, mittelst dessen, wenn der Zufall seine Leidenschaft wie bisher begünstigte, er hoffte, den Gegenstand seiner Neigung zu sprechen oder wenigstens zu sehen, etwa in einem solchen Thurm, oder Balkonfenster, oder dergleichen, wie im Gasthaus zur Lilie bei Plessis, oder wie im Dauphinthurme im Schlosse selbst. Isabelle schien immer, wo sie auch wohnen mochte, dazu bestimmt, die Dame vom Thurme zu sein.
Als Durward mit seinem neuen Freunde in den Garten hinabstieg, schien derselbe ganz wie ein irdischer Weiser einzig mit den Dingen der Erde beschäftigt; während Quentins Augen, wenn sie auch nicht den Himmel, gleich denen eines Astrologen, suchten, wenigstens an den Fenstern umherschweiften, auch an den Balkonen und vorzüglich an den Thürmen, welche an jeder Seite der innern Fronte des alten Gebäudes hervorragten, um die zu erspähen, die sein Leitstern sein sollte.
So beschäftigt hörte der junge Liebende ganz unaufmerksam zu, wenn er überhaupt zuhörte, wie sein ehrwürdiger Führer die Pflanzen, Sträucher und Kräuter herzählte; das eine war vorzüglich als Arzneimittel gut, ein anderes spendete ein seltenes Gewürz für die Küche, und ein drittes, das erlesenste von allen, hatte kein anderes Verdienst, als seine außerordentliche Seltenheit. Doch war es immer nothwendig, wenigstens scheinbar einige Aufmerksamkeit zu zeigen, und dieß fand der junge Mann so schwierig, daß er den dienstfertigen Naturkundigen sammt dem ganzen Pflanzenreiche recht herzlich zum Teufel wünschte. Endlich erlöste ihn der Schall einer Glocke, der den Kaplan zu einer Amtspflicht rief.
Der ehrwürdige Mann machte viele unnöthige Entschuldigungen, daß er seinen neuen Freund verließe, und endigte mit der angenehmen Zusicherung, daß er in dem Garten bis zum Abendessen wandeln könne, ohne Störung fürchten zu müssen.
»Es ist,« sagte er, »der Ort, wo ich stets meine Predigten studire, da ich hier am ungestörtesten von Fremden bin. Ich bin im Begriff, jetzt eine in der Kapelle zu halten, wenn es Euch belieben sollte, mich als Zuhörer zu beehren. – Man glaubte immer, ich besäße einiges Talent; aber der Ruhm sei ihm, dem er gebührt.«
Quentin entschuldigte sich für diesen Abend, indem er ein heftiges Kopfweh vorschützte, welches die freie Luft am besten heilen dürfte; und endlich ließ ihn der wohlmeinende Priester allein.
Man kann sich denken, daß bei der neugierigen Betrachtung, welcher er nun mit mehr Muße jedes Fenster und jede Oeffnung nach dem Garten zu unterwarf, auch diejenigen nicht übersehen wurden, welche sich in der unmittelbaren Nachbarschaft der kleinen Thür befanden, bei welcher er Hayraddin und Marthon gesehen hatte, als jener vorgab, nach dem Zimmer der Gräfinnen zu gehen. Aber nichts rührte oder zeigte sich, was die Rede des Zigeuners widerlegen oder bestätigen konnte, und schon fing es an, dunkel zu werden; Quentin fing an, zu fürchten, er wußte kaum warum, daß sein so langes Verweilen im Garten Gegenstand des Mißfallens oder Argwohns werden könnte.
Eben hatte er sich entschlossen, hinwegzugehen, und ging eben zum letzten Male, wie er sich zugesagt hatte, unter den Fenstern vorüber, die solche Anziehungskraft für ihn hatten, als er von oben ein leises und vorsichtiges Husten hörte, als wolle es seine Aufmerksamkeit erregen und zugleich der Beobachtung anderer entgehen. Als er in freudiger Ueberraschung aufblickte, öffnete sich ein Fenster – eine weibliche Hand ließ sich sehen, die ein Billet fallen ließ, welches auf einen Rosenbusch, der unten an der Mauer stand, herabsank. Die Vorsicht, mit welcher man dieß Briefchen hatte fallen lassen, machte eine gleiche Klugheit und Verschwiegenheit dem Leser zur Pflicht. Der Garten, der, wie wir sagten, von zwei Seiten durch die Gebäude des Schlosses umgeben ward, war natürlich auch von den Fenstern vieler Zimmer beherrscht; doch befand sich hier eine Art von Felsengrotte, die der Kaplan mit großer Selbstgefälligkeit Durward gezeigt hatte. Das Billet ergreifen, in den Busen verbergen und nach jenem Versteck eilen, war das Werk einer Minute. Hier öffnete er das kostbare Briefchen und segnete zugleich das Andenken der Mönche zu Aberbrothock, deren Unterweisung ihn fähig gemacht hatte, den Inhalt zu entziffern.
Die erste Zeile enthielt die Weisung: »lies dieß insgeheim,« – und der fernere Inhalt lautete so: »Was Eure Augen zu kühn gestanden, haben die meinen vielleicht allzurasch begriffen. Aber ungerechte Verfolgung macht ihr Opfer kühn, und es war vielleicht besser, mich der Dankbarkeit eines Einzigen zu vertrauen, als ein Gegenstand der Verfolgung Vieler zu bleiben. Fortuna hat ihren Thron auf einem Felsen; aber tapfere Männer scheuen sich nicht, ihn zu erklimmen. Wenn Ihr etwas zu thun wagt für Eine, die sich großer Gefahr aussetzt, so findet Euch nur bei Tagesanbruch in diesem Garten ein, und tragt auf Eurer Mütze eine blau und weiße Feder; aber erwartet keine weitere Mittheilung. Eure Sterne haben, wie man sagt, Euch zur Größe bestimmt und mit dankbarem Gemüth ausgestattet. – Lebt wohl – seid treu, pünktlich und entschlossen, und zweifelt an Eurem Glücke nicht.« In diesen Brief war ein Diamantring eingeschlossen, auf welchen rautenförmig das alte Wappen des Hauses von Croye eingeschnitten war.
Quentins erste Empfindung bei dieser Gelegenheit war ungemischtes Entzücken – ein Stolz und eine Freude, die ihn zu den Sternen zu heben schienen – eine Entschlossenheit, Alles zu thun, oder zu sterben, unter deren Einflusse er all' die tausend Hindernisse, die sich zwischen ihn und das Ziel seiner Wünsche stellten, nur verachtete.
In diesem Zustande des Entzückens, und unfähig, eine Unterbrechung