Raban und Röiven Eine magische Freundschaft. Norbert Wibben

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Raban und Röiven Eine magische Freundschaft - Norbert Wibben


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behielten aber ihre magischen Fähigkeiten, Solveig natürlich auch. Obwohl Elfen länger leben und langsamer altern als Menschen, ist sie mittlerweile auch für Elfen schon sehr alt. Ich bin mir nicht sicher, aber sie könnte die letzte Elfe sein, die zaubern kann.« Der Kolkrabe bekommt einen nachdenklichen Blick. Nach einer längeren Pause schreckt er auf. Raban wäre beinahe gestürzt und bewegt ruckartig seine Arme, um das Gleichgewicht zu halten.

      »Äh, wo war ich? Genau. Die dunklen Zauberer hatten es in der Vergangenheit darauf abgesehen, alle anderen Lebewesen zu unterwerfen. Gegen die Elfen hegten sie immer einen besonderen Groll oder sogar Widerwillen, wie du sicher aus den Büchern weißt.

      Zaubern konnten die Bösen seit damals nicht mehr, trotzdem arbeiteten ihre Nachkommen weiter daran, die Herrschaft in diesem Land zu übernehmen. In der Vergangenheit standen die Elfen immer auf Seiten der Guten und waren erbitterte Gegner der dunklen Zauberer. Den Hass auf die Elfen haben diese offenbar immer an ihre Kinder weitergegeben. Der Urenkel des damaligen Oberhauptes der bösen Zauberer, sein Name war Bearach, sinnt noch heute auf Möglichkeiten zur Rache.«

      Eine große Pause entsteht, bis Röiven fortfährt:

      »Jetzt kommen wir zu einer unrühmlichen Tat von einem meiner Vettern.« Die nächsten Laute bilden keine sinnvollen Worte in Rabans Kopf, obwohl er den Eindruck hat, Schimpfworte zu vernehmen.

      »Verflucht sei der Tag, an dem er aus dem Ei geschlüpft ist! Grimur, das ist sein Name, wollte schon immer etwas Besseres sein. Ich habe den Verdacht, er wollte unser König werden, aber lassen wir das. Er trieb sich viel mit Krähen und Elstern herum, bis er auf Baran traf.

      Wie ich dir bereits sagte, kann ich zaubern. Das ist für die Mitglieder meiner Familie nichts Ungewöhnliches, für die meisten Kolkraben aber schon. Meine Familiengeschichte reicht sehr weit zurück, bis zu den Anfängen der Zauberei in diesem Land.

      Also, Grimur hatte das Talent zum Zaubern geerbt und wurde ein hochbegabter Magier. In seinem Machtstreben waren diese Fähigkeiten solange nützlich, bis er Baran kennenlernte. Das ist ein böser Mensch und der bereits genannte Urenkel von Bearach, dem obersten der dunklen Zauberer.

      Obwohl es ein ungeschriebenes Gesetz gibt, niemals unsere Fähigkeit des Zauberns an Menschen weiterzugeben, konnte Grimur nicht widerstehen. Er erlag den Schmeicheleien Barans und unterrichtete diesen in Magie. Eines Tages wurde er von ihm in einen silbernen Käfig gelockt.

      Du musst wissen: Silber unterbindet unsere Fähigkeiten zu zaubern.

      Wider besseren Wissens glaubte Grimur den Versprechungen Barans, dass er freigelassen und belohnt werden würde, wenn er die letzten Zaubergeheimnisse auf ihn übertragen würde. Erst weigerte sich mein Vetter, doch nach Tagen des Nahrungsentzugs wurde er wieder einmal aus dem Käfig geholt und übertrug die geforderten Kräfte. Den versprochenen Lohn erhielt Grimur natürlich nicht. Er wurde statt dessen in eine Steinfigur verwandelt.«

      In der erneuten Pause stellt Raban fest:

      »Also gibt es jetzt wieder einen Menschen, der zaubern kann. Und das ist noch dazu ein böser Mensch?«

      »Genau. Weil mein so überheblicher und verblendeter …« Erneut formen sich die nächsten Laute zu keinen sinnvollen Worten in Rabans Kopf. Dann seufzt Röiven und fährt fort: »Ich wurde von der weisen Eule Minerva aufgefordert, eine Rettungsaktion für die Elfen zu starten, da ihnen jetzt großes Unheil von Baran droht. Ich sollte bis zum Ende der heutigen Nacht einen bestimmten Menschen zu ihr bringen, und das bist du. So, jetzt kennst du meinen Auftrag.«

      Der Kolkrabe dreht seinen Kopf und schaut dem Jungen in die Augen. Er erkennt darin sowohl Staunen als auch Unverständnis.

      »Soweit habe ich das verstanden, aber warum sollte ich helfen können? Ich bin doch nur ein kleiner Junge, der nicht einmal im Raufen geübt ist. Wie soll ich da etwas gegen einen bösen Zauberer ausrichten können?«

      »Warum ich dich hierher holen sollte, werden wir sicher gleich von der Eule erfahren. Jedenfalls wurde mir genau beschrieben, wo ich einen Menschen mit Namen Raban finden würde. Dieser Name ist eher selten unter euch Menschen, aber Minerva wusste, in eurem Ort gibt es ihn. Und jetzt ist die Nacht fast vorüber, also beeile dich!« Die letzten Worte klingen flehend.

      Raban hastet weiter abwärts. Beinahe strauchelt er über einen quer über dem Pfad liegenden, herabgefallenen Ast einer riesigen Eiche, die hoch über ihnen aufragt.

      »Das hat aber lange gedauert, fast sogar zu lange!«, erklingt eine neue Stimme von hoch oben.

      Der Junge schaut sich überrascht um. Sie sind am Fuß des Berghangs angelangt und stehen vor einer offenbar uralten Eiche. Im Hintergrund erkennt er undeutlich den schmalen Eingang einer Höhle. Sollten sie am Ziel sein?

      »Hallo Minerva«, erklingt Röivens Stimme. »Es ging leider nicht schneller. Einige Menschenkinder hatten es auf mich abgesehen und verletzten mich. Wenn Raban nicht …«

      Hier wird er unterbrochen:

      »Das ist ja schön und gut, aber wir haben keine Zeit für ausschweifende Erklärungen.«

      Ein dunkler Schatten scheint aus dem Wipfel des Baums herunterzufallen. Er bleibt aber in Höhe eines der unteren Äste hängen. Jetzt erkennt Raban einen herzförmigen, helleren Fleck in dem Schatten. Er strengt seine Augen an und tritt näher an den Baum heran. Ja, es stimmt. Eine Schleiereule sitzt dort und schaut mit ihren dunklen Augen in seine Richtung.

      »Hallo Raban«, wird er angesprochen.

      »Hallo … Minerva. Woher kennst du mich und warum bin ich hier?«

      »Ich kenne dich nicht. Aber du musst Raban sein, da Röiven den Auftrag hatte, einen Menschen mit diesem Namen zu mir zu bringen.« Jetzt schaut die Eule zum Kolkraben, der bestätigend seinen Kopf ein wenig senkt.

      »Also gut. Dann werde ich dir, bzw. euch beiden erklären, warum ihr hier seid.«

      Beide, der Junge und der große Vogel auf seinem Arm, schauen gespannt zur Eule.

      »Hat Röiven dir erklärt, dass die Elfen von Baran, einem bösen Zauberer bedroht werden?«

      »Ja. Und Baran ist ein Urenkel des letzten oberen Dubharan.«

      Erstaunt klappt die Eule ihre Augendeckel mehrmals auf und zu.

      »Ich höre, du hast bereits einige Informationen erhalten.«

      »Er kennt aber auch das Geschehen von vor 100 Jahren, da er die Bücher gelesen hat«, ergänzt der schwarze Vogel mit krächzender Stimme.

      »Das freut mich, dann kennt er sich ja bestens aus.« Raban spürt, wie er von der Schleiereule gemustert wird. »Intelligent sieht er aus, aber ist er auch mutig genug? Hm«, überlegt Minerva. »Da wir nicht viel Zeit haben, muss es gewagt werden.

      Röiven und Raban, ich erteile euch den Auftrag, die Elfen vor ihrer größten Gefahr zu retten. Nun, was sagt ihr?«

      »Ähem, darf ich etwas fragen?«, erkundigt sich der Junge vorsichtig.

      »Natürlich, wenn es nicht zu lange dauert. Was willst du wissen?«

      »Weshalb weißt du, dass den Elfen Gefahr droht?«

      »Kurz zusammengefasst kann ich das so erklären: Jedes Lebewesen kennt die große Weisheit der Eulen. Alle Eulen versammeln sich mehrmals im Jahr zu einer großen Beratung. Bei unserer letzten Zusammenkunft wurde uns klar, dass die Elfen in großer Gefahr schweben. Ich wurde von unserem Rat beauftragt, etwas dagegen zu unternehmen.« Ihre Augendeckel klappern mehrmals zur Bestätigung.

      »Das führt mich zu meinen nächsten Fragen«, entgegnet Raban. »Warum soll ich in der Lage sein, die Elfen aus ihrer größten Gefährdung zu retten und wie sieht die Gefahr nun eigentlich aus?«


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