Die Dubharan. Norbert Wibben

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Die Dubharan - Norbert Wibben


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altmodischen, roten Dachschindeln sind von Flechten und Moos überzogen. Durch eine mittlerweile wackelige Pforte im Zaun führt ein, mit roten Ziegeln eingefasster, gerader Kiesweg, durch die Beete des Vorgartens zum Eingang des Hauses. Dieser Vorgarten, zwischen Zaun und Haus, hat früher einmal sehr schön ausgesehen, jetzt haben sich die Stauden und Blumen aber ungehindert im Beet ausgebreitet.

      Seit Eilas Großmutter vor zwei Jahren plötzlich gestorben ist, wird der Vorgarten etwas vernachlässigt. Der Großvater verlässt das Haus nur ungern, viel lieber liest er stundenlang in einem seiner vielen Bücher. Großmutter und Großvater haben sich sehr geliebt, so dass das Alleinsein für Brian nicht einfach ist. Eila ist sich sicher, dass er sich genauso auf die gemeinsame Zeit mit ihr freut, wie sie auch. Sie hat ihren Großvater sehr gern.

      Innen ist das Haus heimelig eingerichtet. Vom Eingang gelangt man in einen kleinen Flur, von dem es nach rechts in eine kleine Küche mit niedriger Decke geht. Der Fußboden besteht dort aus Sandsteinplatten. Ausgestattet ist die Küche mit einem alten Herd, einem Sideboard mit dem Tagesgeschirr, einem schon wackeligen Küchenschrank für Töpfe und die Vorräte, einer Spüle und einem kleinen Ess- und Arbeitstisch mit vier Stühlen. Die Spüle befindet sich unterhalb eines zweiflügeligen Fensters mit Oberlicht, von dem aus der Vorgarten und der Weg zum Eingang einsehbar sind.

      Von der Eingangstür liegt linker Hand vom Flur das Wohnzimmer. Es ist ein sehr großer Raum mit vielen Teppichen auf dem Sandsteinboden. An den Wänden stehen, bis zur Decke reichende, mächtige Bücherregale mit unzähligen Bänden. Trotzdem stapeln sich unzählige Bücher in allen Ecken auf dem Boden, für die in den Schränken und Regalen kein Platz mehr ist. Mittig im Zimmer steht ein großer, dunkelbrauner Tisch mit ovaler Platte, um den vier Stühle angeordnet sind. Zwei Ohrensessel und ein Sofa laden zum Verweilen ein. Ein offener Kamin gibt dem Zimmer, zusammen mit den Regalen und den vielen Büchern, eine besonders gemütliche Atmosphäre.

      Gegenüber der Tür befindet sich ein großer Schreibtisch mit einem festen Aufsatz. Dieser besteht aus jeweils drei übereinander angeordneten Schubkästen an der linken und rechten Seite und einem offenem Fach dazwischen, mit einem Ablagebrett auf halber Höhe. Diese Schubfächer sind nie abgeschlossen und scheinen auch nichts von besonderem Wert zu enthalten. Auf dem Aufsatz stehen Bilder von Großvater zusammen mit Großmutter, je ein einzelnes von Großmutter und Eila, und eins von ihren Eltern vom letzten Treffen in den Winterferien, vor einem großen, geschmückten Baum. Links von der Tür befindet sich wiederum ein zweiflügeliges Fensters mit Oberlicht und Blick in den Vorgarten.

      In diesem Zimmer liest Brian oft in einem der Bücher oder schaut sich Fotografien in Alben an. Eila kann sich ebenso wie er völlig in ein Buch versenken. Sie liest gerne, so dass sie sich mit den vielen Büchern in Großvaters Wohnzimmer wie im Paradies fühlt. Gerade wenn das Kaminfeuer lustig prasselnd wohlige Wärme abstrahlt und die Flammen Schatten und Muster über die Bücherschränke und in die Ecken wandern lässt, wirkt das Wohnzimmer zauberhaft und friedlich. Ein heißer, dampfender Kakao oder auch ein Kräutertee passen dabei vorzüglich zu den Butterplätzchen von Frau Dixon.

      Die Großeltern hatten vor fünf Jahren Frau Dixon in ihre Dienste genommen. Mairead konnte Haushalt und Garten wegen ihres Alters nicht mehr bewältigen und hatte sich damals für die Pflege des von ihr angelegten Gartens entschieden. Frau Dixon übernahm die Tätigkeiten im Haushalt. Seit Großmutters Tod kommt sie weiterhin zwei bis drei mal in der Woche und unterstützt den Großvater.

      Mitten in Nordland stürmt ein junger Mann in das Studierzimmer von Roarke.

      Roarke ist ein älterer Mann in unbestimmbarem Alter. Er hält sich gerade und überragt die meisten seiner Landsleute. Um seine langen, etwas gewellten, dünnen Haare trägt er ein dunkelgrünes Stirnband, damit sie nicht ständig vor seine Augen fallen. Sie sind weiß mit einem leichten, silbernen Schimmer. Die Augenbrauen sind etwas buschig und ebenso wie sein langer Bart von gleicher Farbe wie sein Haar. Sein wettergegerbtes Gesicht ist oval und etwas gebräunt. Wenn die blau-grauen, mit grünen Sternchen gesprenkelten Augen auf sein Gegenüber blicken, scheinen sie bis tief in dessen Seele schauen zu können. Roarke trägt ein langes, weißes Gewand, um die Taille mit einem grünen Gürtel gerafft. Die Hände sind feingliedrig und haben lange Finger. In der linken Handfläche ist ein Sonnensymbol zu sehen. Seine Fußbekleidung ist unter dem Gewand nicht zu sehen, es sind jedoch weiche, warm gefütterte Lederschuhe.

      »Maireads Armreif wurde in ihrem Haus aktiviert«, sprudelt es aufgeregt aus dem jungen Mann heraus. Er hat weder an die Tür geklopft, noch eine Anrede abgewartet. Roarke saß bis zu diesem Moment lesend und immer wieder nachdenkend in einem bequemen Lehnstuhl. Er hat dabei eine Pfeife geraucht und kleine Rauchringe in die Luft gepafft. Damit muss er bereits längere Zeit verbracht haben, da in dem Zimmer eine dichte Wolke schwebt.

      Erschrocken blickt er auf und überlegt laut: »Mairead ist seit etwa zwei Jahren tot. Wer hat dann dort ihren Armreif aktiviert? Wer ist dieser Zauberer? Ist ein Mitglied ihrer Familie ein auserwählter Zauberer, der jetzt den Reif nutzt? Falls ja, ist dieser wahrscheinlich unerfahren, obwohl er sehr viel magisches Potenzial haben muss, sonst wäre er nicht auserwählt. —

      Die Aktivierung dieses Armreifs ist vielleicht auch von den dunklen Zauberern bemerkt worden. Ihre Macht wird bereits seit Längerem wieder größer. Konnte der Aktivierungsimpuls auch von ihnen lokalisiert worden sein? Ich befürchte, dass das so ist. Damit ließe sich das Verschwinden von mittlerweile drei oder sogar vier der Armreife erklären. Ich weiß, dass zwei bisherige Besitzer getötet wurden, Riley und Robert, aber deren Armreife konnten nicht sichergestellt werden. Außerdem wird Knuth, ein junger Träger eines der Armreife, seit mehreren Wochen vermisst. Falls ich Recht habe, und die Dubharan tatsächlich die Aktivierung eines Armreifs orten können, bedeutet das eine Bedrohung für uns! Ich muss sichergehen und das prüfen lassen!«

      Im Bruchteil einer Sekunde weiß er, wer dafür geeignet ist. Er befiehlt dem jungen Mann: »Hole schnellstens Finley zu mir!«

      Der Bote stürzt zur Tür, reißt sie wieder auf und will aus dem Zimmer stürmen. Dabei stolpert er fast über einen anderen jungen Mann, der gerade an die Tür klopfen will. Beide straucheln heftig.

      Der zweite Jüngling mag etwa 20 Jahre alt sein und hat ein schmales Gesicht. Seine blonden Haare sind mit einem grünen Band zu einem kurzen Pferdeschwanz im Nacken gebunden. Er hat eine schlanke Gestalt, die durchtrainiert und etwas muskulös ist. Bekleidet ist er mit einem eng anliegenden, weißen Obergewand und einer grauen, grün abgesetzten Hose. Die Hose wird von einem dunkelgrünen Gürtel gehalten. Der Gürtel ist nur zu sehen, da das Obergewand durch den Zusammenprall etwas hochgerutscht ist. Dieser junge Mann blickt mit seinen graublauen, hellen Augen ernst zu dem anderen und öffnet den Mund.

      Bevor er etwas fragen kann spricht ihn Roarke an.

      »Es ist gut, dass du hier bist, Finley. Ich wollte dich gerade holen lassen. Eigentlich ist es nichts Ungewöhnliches, wenn einer der sieben Armreife aktiviert wird. Obwohl es in letzter Zeit des öfteren an ungewöhnlichen Orten geschah …«, er stockt kurz, um dann fortzufahren: »Ich habe gerade von der Aktivierung eines Armreifs an dem Wohnsitz eines Zauberers erfahren, der aber vor zwei Jahren gestorben ist. Du musst überprüfen, was das zu bedeuten hat. Stelle unbedingt sicher, dass der Armreif nicht durch einen der dunklen Magier genutzt oder erbeutet wurde. Der Aktivierungsimpuls kam aus Maireads Haus. Sei vorsichtig, vielleicht ist ein Angriff der Dubharan abzuwehren!«

      Finley schaut Roarke an.

      »Ich weiß, wo Maireads Haus steht, und werde das sicher mit Leichtigkeit schaffen, sei unbesorgt! Falls ich nicht gleich gegen mehrere Zauberer antreten muss, bin ich in wenigen Augenblicken wieder zurück! Falls doch, dauert das vielleicht etwas länger.«

      Er hält seine linke Hand an eine Stelle seines Obergewandes vor der Brust. Unter dem Gewand trägt er, für andere unsichtbar, eine Kette mit einem goldenen Medaillon, auf dem kurz seine Hand ruht.

      »Du musst vorsichtig sein!«, will Roarke noch sagen, während Finley: »Portaro«, spricht und schon verschwunden ist.

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