Die Jagd nach dem Meteor. Jules Verne

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Die Jagd nach dem Meteor - Jules Verne


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am 24. März....

      »Geehrter Herr Direktor!

      Ich erlaube mir, Ihnen folgende Tatsache, die für die astronomische Wissenschaft von hohem Interesse sein dürfte, zu unterbreiten: Am Vormittage des 16. März d. J. habe ich ein Meteor entdeckt, das mit beträchtlicher Geschwindigkeit über die nördliche Hälfte des Himmels zog. Seine, deutlich nordsüdliche Bahn machte mit dem Meridian einen Winkel von 3°31', den es mir mit aller Genauigkeit zu messen gelang. Es war um sieben Uhr siebenunddreißig Minuten und zwanzig Sekunden, wo es im Objektiv meines Fernrohrs sichtbar wurde, und um sieben Uhr siebenunddreißig Minuten und siebenundzwanzig Sekunden, wo es schon verschwand. Seitdem ist es mir trotz der eingehendsten Nachforschung nicht gelungen, es wieder zu finden. Deshalb bitte ich Sie, von dieser Beobachtung Notiz zu nehmen und mir den Empfang des vorliegenden Briefes zu bescheinigen, der mir, wenn das erwähnte Meteor nochmals sichtbar werden sollte, die Priorität dieser wertvollen Entdeckung sichern würde.

      Gestatten Sie, Herr Direktor, die Versicherung meiner größten Hochachtung, mit der ich mich unterzeichne als

      Ihren ergebensten

       Dean Forsyth.«

       (Elisabethstraße.)

      »Dem Herrn Direktor der Sternwarte

       von Cincinnati (Ohio).

      Whaston, am 24. März....

      Am Morgen des 16. März a. c. zwischen sieben Uhr siebenunddreißig Minuten zwanzig Sekunden und sieben Uhr siebenunddreißig Minuten neunundzwanzig Sekunden hatte ich das Glück, ein neues Meteor zu entdecken, das über die Nordhälfte des Himmels von Norden nach Süden flog, wobei seine scheinbare Richtung einen Winkel von 3°31' machte. Seit diesem Zeitpunkte habe ich die weitere Bahn des betreffenden Meteors nicht mehr aufspüren können. Wenn es aber, woran ich nicht zweifle, über unsern Horizont zurückkehrt, erscheint es mir gerecht, als der Urheber dieser Entdeckung angesehen zu werden, die in den astronomischen Annalen unsrer Zeit verzeichnet zu werden verdient. Im Hinblicke hierauf habe ich mir die Freiheit erlaubt, den vorliegenden Brief an Sie abzusenden, und ich bitte Sie hiermit, mir dessen richtigen Empfang zu bescheinigen.

      Gestatten Sie mir, Herr Direktor, mit meinem ergebensten Gruße die Versicherung meiner besonderen Hochachtung.

      Dr. Sydney Hudelson.«

       17, Morrißstraße.

      Fünftes Kapitel

      Worin Mr. Dean Forsyth und der Doktor Sydney Hudelson trotz ihrer Bemühung etwas Weiteres über ihr Meteor doch nur aus den Tageszeitungen erfahren.

      Auf die beiden vorstehenden Briefe, die eingeschrieben und dreimal versiegelt an die Adresse der Direktoren der Sternwarten von Pittsburg und Cincinnati abgesendet worden waren, sollte die Antwort nur in einer Mitteilung über deren Eingang und ihre Eintragung in die betreffenden Akten bestehen. Mehr verlangten ja die Absender nicht. Beide rechneten darauf, das Meteor bald wieder zu finden. Daß dieses Asteroid sich in den Weltraum so weit verirrt haben sollte, daß es der Anziehungskraft der Erde entzogen bliebe und folglich in der sublunarischen Welt niemals wieder gesehen werden könnte, das wehrten sie sich zu glauben. Nein, den bestehenden Naturgesetzen unterworfen, mußte es über dem Horizont von Whaston wieder auftauchen, wo man es nochmals beobachten und anmelden, sowie seine Koordinaten bestimmen könnte, und worauf es dann auf den Namen seines berühmten Entdeckers getauft würde.

      Ja, wer war aber dieser Entdecker? Eine sehr heikle Frage, deren Beantwortung auch einen weisen Salomo in Verlegenheit gesetzt hätte. Am Tage der Wiederkehr des Meteors würden ja zwei diese Ehre in Anspruch nehmen. Wenn Francis Gordon und Jenny Hudelson die Gefahr der gegenwärtigen Sachlage gekannt hätten, würden sie sicherlich den Himmel angefleht haben, es so zu gestalten, daß ihre Vereinigung vor dem Wiedererscheinen des unheildrohenden Meteors stattgefunden hätte.

      Und ebenso sicher würden sich Mrs. Hudelson, Loo, Mitz und alle Freunde der beiden Familien ihrem Gebete angeschlossen haben.

      Doch niemand wußte etwas, und trotz der zunehmenden Zerstreutheit der beiden Rivalen, die man wohl wahrnehmen, aber nicht erklären konnte, beunruhigte sich in dem Hause der Morrißstraße außer dem Doktor Hudelson kein Mensch über das, was in den Tiefen des Firmamentes vorging. Besorgnisse hatte niemand, dringende Beschäftigung jeder. Da waren Besuche zu empfangen und abzustatten, Einladungen auszusenden, Vorbereitungen zur Trauung und Auswahl vieler Geschenke zu treffen, alles Dinge, die nach der Ansicht der kleinen Loo den Arbeiten des Herkules vergleichbar waren und bei denen keine Stunde verloren werden durfte.

      »Nun ja, wenn man seine erste Tochter verheiratet, da ist das eine große Aufgabe, sagte sie, da fehlt's noch an der Übung. Bei mir wird sich das später ganz allein machen.

      – Oho, erwiderte Francis Gordon, sollte unser Fräulein Loo schon ans Heiraten denken? Wer ist denn der glückliche Sterbliche?

      – Bekümmern Sie sich darum, meine Schwester zu freien, gab ihm das Mägdlein zurück, das nimmt schon Ihre ganze Zeit in Anspruch. Mischen Sie sich aber nicht in Dinge, die mich angehen!«

      Ihrem Versprechen gemäß begab sich Mrs. Hudelson nach dem Hause in der Lambethstraße. Was den Doktor betraf, wäre es töricht gewesen, auf ihn zu rechnen.

      »Was du tust, wird ja gut sein, liebe Flora, ich verlasse mich ganz auf dich, hatte er auf die Aufforderung, die zukünftige Wohnung des jungen Ehepaares zu besichtigen, geantwortet. Übrigens geht das doch vor allem Francis und Jenny an.

      – Aber, Papa, sagte Loo, denkst du denn auch nicht am Hochzeitstage von deinem Turme herunterzukommen?

      – O doch, Loo; das versteht sich.

      – Und dich, deine Tochter am Arm, in der Saint-Andrew-Kirche zu zeigen?

      – Natürlich, Loo, ganz gewiß.

      – Und zwar in schwarzem Rock und weißer Weste, in schwarzen Beinkleidern und weißer Krawatte?

      – Ja ja, Loo.

      – Wirst du dich da nicht einmal entschließen können, deine Planeten zu vergessen, um der Traurede des Reverend O'Garth zu lauschen, die der jedenfalls tief erregt halten wird?

      – Gewiß, Loo. So weit sind wir aber noch nicht. Und da der Himmel klar ist, was ja jetzt so selten vorkommt, so geht nur ohne mich.«

      Mrs. Hudelson, Jenny, Loo und Francis Gordon ließen also den Doktor sich mit seinem Fernrohre und seinem Teleskop beschäftigen, während Mr. Dean Forsyth – das unterlag keinem Zweifel – in dem Turme der Elisabethstraße mit seinen Instrumenten dasselbe vornahm. Würde diese zweifache Hartnäckigkeit vielleicht ihren Lohn finden und das schon einmal gesehene Meteor, wär's auch nur eine Sekunde, vor dem Objektive der Apparate vorüberziehen?

      Um zu dem Hause in der Lambethstraße zu gelangen, wendeten sich die vier »Inspizienten« die Morrißstraße hinunter und gingen über den Konstitutionsplatz, wo der liebenswürdige Richter John Proth die Gesellschaft begrüßte. Dann gingen sie – ganz wie es vor einigen Tagen Seth Stanfort getan hatte, als er Arcadia Walker erwartete – die Exeterstraße hinauf und kamen nun nach der Lambethstraße.

      Darin war das gesuchte Haus eins der hübschesten und allen modernen Anforderungen entsprechend eingerichtet. An seiner Rückseite lagen ein Arbeitskabinett und ein Speisezimmer nach dem Garten zu, der zwar nicht groß, aber von laubreichen Buchen beschattet und mit herrlichen Blumenbeeten geschmückt war, worauf sich eben die ersten Frühlingsblumen entfalteten. Wirtschaftsräume und Küche waren nach angelsächsischer Mode im lustigen hohen Keller untergebracht.

      Das Erdgeschoß bildete mehr eine erste Etage, und Jenny konnte ihren Verlobten nur beglückwünschen, eine so anheimelnde Wohnstätte gefunden zu haben. Mrs. Hudelson teilte völlig die Ansicht ihrer Tochter und erklärte, etwas Besseres würde auch in keinem andern Teile von Whaston zu finden sein.

      Dieses schmeichelhafte Urteil erschien noch mehr gerechtfertigt, als man nach dem obersten Stockwerk des Hauses gekommen war. Hier befand sich eine mit Geländer umgebene große Terrasse, von


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