Die Jagd nach dem Meteor. Jules Verne

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Die Jagd nach dem Meteor - Jules Verne


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Honorar, sagte dazu Seth Stanfort.

      – Für die Armen der Stadt,« sagte Mistreß Arcadia Stanfort.

      Nachdem sich dann noch beide vor dem Richter verbeugt hatten, gaben sie ihren Pferden die Zügel und galoppierten in der Richtung nach der Wilcox-Vorstadt davon.

      »Na ja, gut... gut! rief Kate, die vor Verwunderung so gelähmt war, daß sie ausnahmsweise zehn Minuten lang ganz stumm dagestanden hatte.

      – Was soll das heißen, Kate?« fragte Mr. John Proth.

      Die alte Kate ließ ihren Schürzenzipfel fallen, den sie einen Augenblick wie ein gelernter Seiler zusammengedreht hatte.

      »Ach... ich weiß nicht... ich meine nur, Herr Richter, gestand sie, daß die beiden Leutchen da rechte Toren sind.

      – Ohne Zweifel, ehrsame Kate, ohne Zweifel, stimmte John Proth ihr bei, während er seine friedliche Gießkanne wieder zur Hand nahm. Ist denn das etwa aber etwas so Wunderbares? Sind denn die, die sich verheiraten, nicht immer etwas närrische Leute?«

      Zweites Kapitel

      Das den Leser in das Haus Dean Forsyths einführt und ihn in Verbindung mit dessen Neffen Francis Gordon und seiner Haushälterin Mitz bringt.

      »Mitz... Mitz!

      – Mein Söhnchen?...

      – Was ist denn mit ihm los, mit meinem Onkel Dean?

      – Ja, das weiß ich auch nicht.

      – Ist er etwa krank?

      – Jetzt wohl nicht; wenn das aber so fortgeht, wird er's sicher werden.«

      Diese Worte wurden zwischen einem jungen Mann von dreiundzwanzig und einer Frau von fünfundsechzig Jahren gewechselt, und zwar im Speisezimmer eines Hauses der Elisabethstraße in der schon oft genannten Stadt Whaston, wo eben eine der auch nach amerikanischem Muster originellsten Trauungen stattgefunden hatte.

      Dieses Haus der Elisabethstraße gehörte dem Mr. Dean Forsyth. Mister Dean Forsyth zählte fünfundvierzig Jahre, was man ihm auch gut genug ansah. Ein mächtiger, auffallender Kopf, kleine Augen mit einer Brille mit sehr scharfen Gläsern, leicht gewölbte Schultern, ein kräftiger Hals, den in jeder Jahreszeit ein Halstuch, das bis zum Kinn hinausreichte, in doppelter Lage umhüllte, ein weiter, faltiger Oberrock, eine weiche Weste, deren unterste Knöpfe nie benutzt wurden, etwas zu kurze Beinkleider, die nicht bis auf die Schuhe reichten, eine auf halbergrautem, wirrem Haar tief im Nacken sitzende hohe Mütze, ein Gesicht mit tausend Falten, das mit dem fast allen Nordamerikanern gemeinsamen Spitzbart endigte, ein reizbarer Charakter, der sich immer nur zwei Millimeter von der Marke »Zorn« entfernt hielt... das wäre etwa das Signalement dieses Mr. Dean Forsyth, von dem sein Neffe Francis Gordon und seine Haushälterin Mitz am Morgen des 21. März sprachen.

      Francis Gordon, der seine Eltern schon sehr frühzeitig verloren hatte, war von Dean Forsyth, einem Bruder seiner Mutter, erzogen worden. Obgleich ihm von seinem Onkel später ein gewisses Vermögen zufallen sollte, hatte er nicht geglaubt, sich ernster Arbeit entziehen zu dürfen, und Mr. Forsyth war derselben Meinung gewesen. Der Neffe erwarb sich deshalb auf der berühmten Harward-Universität zuerst die allgemeine höhere Schulbildung und studierte dann die Rechte. Jetzt fungierte er als Advokat in Whaston und war als der schlagfertigste Verteidiger der Witwen und Waisen und als der beste Vermittler in kleinen Streitigkeiten bekannt. Er kannte die Gesetze des Landes gründlich und zeichnete sich durch eine fließende Sprechweise mit eindringlicher, überzeugender Stimme aus. Alle seine Kollegen, die jungen wie die alten, schätzten ihn aufrichtig, und er hatte sich überhaupt nie einen Feind gemacht. Von ansehnlichem Äußern, mit vollen kastanienbraunen Haaren und schönen schwarzen Augen, von elegantem Auftreten, geistvoll ohne Bosheit, dienstwillig ohne sich vorzudrängen, nicht ungeschickt in allen Arten des Sports, dem die amerikanische Gentry so leidenschaftlich zu huldigen pflegt... dabei war's ja kein Wunder, daß er unter den vornehmen jungen Männern der Stadt mit zu den ersten gehörte. Warum hätte er es da nicht wagen können, sein Herz der reizenden Jenny Hudelson, der Tochter des Doktor Hudelson und dessen Gattin, einer gebornen Flora Clarish, zuzuwenden?

      Noch ist es jedoch zu zeitig, die Aufmerksamkeit des Lesers auf diese junge Dame zu lenken. Jenny Hudelson wird richtiger erst im Schoße ihrer Familie auf der Bühne zu erscheinen haben, und dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. Zu lange wird das jedoch nicht mehr dauern. Wir sind nur gezwungen, streng methodisch bei der Weiterentwicklung dieser Erzählung zu verfahren, die durch Seitensprünge zu sehr gestört werden würde.

      Was Francis Gordon betrifft, sei hier hinzugefügt, daß er in dem erwähnten Hause der Elisabethstraße wohnte, welches er jedenfalls auch vor dem Tage seiner Vermählung mit der Miß Jenny nicht verlassen würde... doch nochmals: lassen wir Miß Jenny, wo sie ist, und sagen wir nur, daß die gute Mitz die Vertraute des Neffen ihres Herrn war, den sie wie einen Sohn, eigentlich mehr wie einen Enkel liebte, denn die Großmütter halten ja gewöhnlich den Rekord in der mütterlichen Zärtlichkeit.

      Mitz, eine Musterdienerin, dergleichen man jetzt vergeblich suchen würde, gehörte noch zu der jetzt erloschenen Art, die etwas von der Natur des Hundes und der Katze an sich hat: von der des Hundes, der sich treu an seinen Herrn anschließt, und von der der Katze, die an das Haus gefesselt bleibt, in das sie gehört. Man kann sich wohl leicht vorstellen, daß Mitz dem Mr. Dean Forsyth gegenüber das Herz auf der Zunge hatte. Wenn dieser unrecht hatte, sagte sie es ihm frank und frei ins Gesicht, doch mit so bestechenden Wendungen, daß sich ihre Worte in deutscher Sprache gar nicht treu wiedergeben lassen. Wollte Forsyth aber dennoch keine Einsicht haben, so blieb ihm nichts andres übrig, als sie stehen zu lassen, sich in sein Kabinett zurückzuziehen und dieses fest zu verriegeln.

      Mr. Dean Forsyth brauchte jedoch niemals zu fürchten, hier allein zu sein. Er fand in dem Zimmer stets noch eine andre Person, die sich in derselben Art den Verweisen und Ermahnungen Mitzens entzogen hatte.

      Diese Persönlichkeit hörte auf den Namen Omikron. Ein seltsamer Name, der sich von der untermittlern Natur eines Männchens herleitete, welches, wenn der Betreffende nicht gar so klein gewesen wäre, gewiß auch noch den Zunamen Omega erhalten hätte. Im Alter von fünfzehn Jahren vier Fuß sechs Zoll groß, war das Männchen später nicht weiter gewachsen. Sein richtiger Name lautete Tom Wife, und er war in jenem Alter, schon zu Lebenszeiten des Vaters Dean Forsyths, als junger Diener in dessen Haus gekommen. Da er jetzt fünfzig Jahre zählte, liegt es auf der Hand, daß er bereits fünfunddreißig Jahre bei dem Oheim Francis Gordons im Dienste stand.

      Hier müssen wir einflechten, woraus denn dieser Dienst bestand. Darin nämlich, Mr. Dean Forsyth bei seinen Arbeiten zu unterstützen, Arbeiten, für die er eine nicht minder große Leidenschaft hatte als sein Herr.

      Mr. Dean Forsyth arbeitete also?

      Ja freilich; doch nur aus Liebhaberei, aber mit welchem Eifer, mit welcher Zähigkeit, das wird sich im weitern Verlaufe dieser Erzählung zeigen.

      Womit beschäftigte sich denn Mr. Dean Forsyth? Mit Heilkunde oder Rechtswissenschaft, mit Literatur oder Kunst oder vielleicht mit Handelsgeschäften, wie so viele Bürger des freien Amerika?

      Fehlgeschossen!

      Nun, womit denn dann? fragt der Leser. Doch wohl mit den Wissenschaften?

      Auch das nicht, wenigstens dieser Plural ist nicht richtig. Nein, nicht mit den Wissenschaften, sondern mit der Wissenschaft, nämlich der erhabensten, in der Einzahl: ausschließlich mit der, die sich die Astronomie nennt.

      Er träumte nur von Planeten- und Sternentdeckungen. Nichts oder fast nichts von dem, was auf unserer Erdkugel vorging, schien ihn zu interessieren, er lebte nur in dem unendlichen Weltraume. Da er darin aber weder ein Frühstück noch ein Mittagsmahl gefunden hätte, mußte er des Tags über wohl oder übel wenigstens zweimal von da herabsteigen. Gerade am heutigen Tage stieg er nicht zur gewohnten Stunde herunter; er ließ auf sich warten, worüber Mitz, die den Tisch längst zurecht gemacht hatte, wirklich


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