Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 24. Frank Hille

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Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 24 - Frank Hille


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O-Messe.

      „Auf den Tieftauchversuch bin ich schon gespannt“ sagte der Ingenieur „und ich halte es da mit einem Spruch meiner Oma: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wir sollten uns ganz langsam an die Tiefe herantasten.“

      „Aber aber, LI, halten Sie mich etwa für einen Hasardeur“ erwiderte Haberkorn grinsend „der alles auf eine Karte setzt, obwohl er weiß, dass er schon gut davonkommt, wenn er nicht alles verliert? Na bitte. Ich habe keineswegs vor jetzt noch den Helden der größtmöglich erreichten Tiefe zu spielen. Dazu ist mir der Schlitten noch viel zu wenig erprobt. Natürlich lautet unser Auftrag genau so, nämlich sich der maximalen Tauchtiefe anzunähern. Immerhin geben die Konstrukteure diese mit etwas mehr als 300 Meter an. Ich stimme Ihnen aber vollständig zu: wir werden uns ganz gemütlich in kleinen Schritten vorwagen, und bei den geringsten Unregelmäßigkeiten abbrechen. Das ist es nicht wert, dass wir kurz vor Feierabend noch durchrauschen. Außerdem könnten wir ja dann keinen Bericht mehr geben. Also ist keinem gedient, wenn wir zu hoch pokern. Wir essen jetzt erst mal in Ruhe Mittag und dann peilen wir später die Tiefe und sehen, ob wir es angehen können.“

      Das Boot war in Kiel versorgt worden, auch mit frischen Lebensmitteln. Der Schmutt hatte Kartoffeln und Gulasch mit Rotkraut zubereitet. Haberkorn schmeckte das Essen, es war tatsächlich richtig gekocht worden, und kam nicht aus der Dose. Die Kühlmöglichkeiten im Boot waren beträchtlich erweitert worden und es schien ihm so, als ob die Konstrukteure erst vor kurzem begriffen hatten, dass ein gewisses Wohlbefinden der Besatzung auch eine entscheidende Rolle spielte. Vieles war verbessert worden: die Schlafmöglichkeiten, die Bedingungen für die Körperhygiene, die Toilettenanlagen. Das alles änderte aber nichts daran, dass die Männer in einer Stahlröhre eingesperrt waren, die jederzeit vom Gegner attackiert und zerstört werden konnte. Gegen diese nervliche Belastung konnte man nichts tun, und im Gegensatz zu früheren Zeiten, als psychisch zerrüttete Matrosen von Bord gehen konnten, ließ die dünne Personaldecke das nicht mehr zu.

      „Eier einziehen und Arschbacken zusammenkneifen“ hieß die Lösung.

      Natürlich hatte es sich in der Marine herumgesprochen, dass immer mehr Boote vernichtet, und die überlegene Seemacht der Alliierten jetzt so festzementiert worden war, dass jeder Angriff auf ein gegnerisches Geleit oder selbst einzelne Schiffe nahezu selbstmörderisch war. Dennoch fanden sich immer noch junge Männer bereit in die Boote einzusteigen. Der Mythos der "Ritter der Tiefe" war lange genug aufgebaut worden, um diese vergleichsweise kleine Truppe der Kriegsmarine als Eliteeinheit anzusehen. Haberkorn konnte das gut nachvollziehen. Es war vermutlich besser, das Risiko des U-Boot-Fahrens auf sich zu nehmen, als ein im Landkrieg vollkommen unbedarfter Marineinfanterist im Schützengraben zu stehen, und den im Töten routinierten Gegnern als billiges Opfer zu dienen. So oder so standen die Chancen auf einen Heldentod in dieser Kriegsphase hoch.

      Haberkorn hatte sich eine Weile auf dem Sofa ausgeruht und war dann durch das Boot gegangen. Er hatte sich die Neugierigkeit und Begeisterung für neue Technik bewahrt und mit seiner eigenen gründlichen Art prägte er sich den Ort der wichtigsten Aggregate ein und könnte, dank dem ausgiebigen Studium diverser Handbücher, deren Aufbau und Funktionsweise regelrecht herbeteten. Manchmal sagte er sich, dass die Konstrukteure viel zu detailverliebt vorgegangen waren und nicht berücksichtigt hatten, dass sie eine Kriegsmaschine entwerfen sollten, die sich unter äußerst rauen Bedingungen bewähren musste. Eine grobe aber zuverlässige Ausführung wäre ihm in vielen Fällen lieber gewesen. Aber, und so war er ja zum Teil selbst, deutsch sein hieß, Wert auf höchste Perfektion zu legen. Dass dies in Bezug auf den Einsatzzweck des Bootes nicht immer sinnvoll war, musste er so hinnehmen.

      Sein Verhältnis zur Besatzung konnte man als recht optimal bezeichnen. Haberkorn wusste, dass er vergleichsweise hochqualifizierte Männer an Bord hatte, und er behandelte sie auch so. Niemals würde er in der Lage sein in Krisensituationen an allen Brennpunkten gleichzeitig zu sein, seine Hauptverantwortung war die Schiffsführung. Demzufolge musste er sich auf seine Leute verlassen können, und er begegnete ihnen mit Respekt. Das wurde aufmerksam registriert, und so vertraute man sich gegenseitig.

      In der Zentrale sprach er mit dem Obersteuermann.

      "Wenn Sie wollen, können wir den Tieftauchversuch beginnen" hatte der Mann gesagt "wir haben jetzt 450 Meter Wasser unter dem Kiel. Das reicht also locker für einen Test."

      Auf seinen fragenden Blick hatte der LI gesagt:

      "Die Maschine ist klar für den Tieftauchversuch."

      "Na gut, gehen wir es an. Wir brechen sofort ab, wenn sich Probleme ergeben sollten. In fünf Minuten beginnen wir. LI, wir steigen mit geringer Lastigkeit ab. Zeit haben wir ja schließlich genug, denn diesmal hockt uns auch keine Biene oder ein Zerstörer im Nacken. Also: immer schön langsam mit den Pferden."

      Mehr als fünfzig Männer hockten in einer 70 Meter langen und knapp 1.200 Tonnen wiegenden mit Technik vollgestopften Stahlröhre und wollten herausfinden, ob die Konstrukteure und die Werftarbeiter ihnen ein Boot an die Hand gegeben hatten, welches mehr als 300 Meter tief tauchen sollte. Das würde es sicher können, aber es sollte seine Besatzung vor allem auch wieder sicher an die Oberfläche zurückbringen und auftauchen müssen.

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