Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel


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das europäische Afrika, ein Küstenland; der dritte ist das Stromgebiet des Nil, das einzige Talland von Afrika, das sich an Asien anschließt. –

      Jenes eigentliche Afrika ist, so weit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das jenseits des Tages der selbstbewussten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist. Seine Verschlossenheit liegt nicht nur in seiner tropischen Natur, sondern wesentlich in seiner geographischen Beschaffenheit. Das Dreieck desselben, (wenn wir die Westküste, die in dem Meerbusen von Guinea einen sehr stark einwärtsgehenden Winkel macht, für eine Seite nehmen wollen und ebenso die Ostküste bis zum Kap Gardafu für eine andere,) ist von zwei Seiten überall so beschaffen, dass es einen sehr schmalen, an wenigen einzelnen Stellen bewohnbaren Küstenstrich hat. Hierauf folgt nach innen fast ebenso allgemein ein sumpfiger Gürtel von der aller üppigsten Vegetation, die vorzügliche Heimat von reißenden Tieren, Schlangen aller Art, – ein Saum, dessen Atmosphäre für die Europäer giftig ist. Dieser Saum macht den Fuß eines Gürtels von hohen Gebirgen aus, die nur selten von Strömen durchschnitten werden und so, dass auch durch sie kein Zusammenhang mit dem Innern gebildet wird; denn der Durchbruch geschieht nur wenig unter der Oberfläche der Gebirge und nur an einzelnen schmalen Stellen, wo sich häufig unbefahrbare Wasserfälle und wild sich durchkreuzende Strömungen formieren.

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       Über diese Gebirge sind die Europäer seit den drei bis viertehalb Jahrhunderten, dass sie diesen Saum kennen und Stellen desselben in Besitz genommen haben, kaum hie und da und nur aus kurze Zeit gestiegen und haben sich dort nirgends festgesetzt. Das von diesen Gebirgen umschlossene Land ist ein unbekanntes Hochland, von dem ebenso die Neger selten herabgedrungen sind. Im sechzehnten Jahrhundert sind aus dem Innern an mehreren, sehr entfernten Stellen Ausbrüche von gräulichen Scharen erfolgt, die sich auf die ruhigeren Bewohner der Abhänge gestürzt haben.

      Ob eine und welche innere Bewegung vorgefallen, welche diesen Sturm veranlasst, ist unbekannt.

       Was von diesen Scharen bekannt geworden, ist der Kontrast, dass ihr Benehmen, in diesen Kriegen und Zügen selbst, die gedankenloseste Unmenschlichkeit und ekelhafteste Rohheit bewies, und dass sie nachher, als sie sich ausgetobt hatten, in ruhiger Friedenszeit sich sanftmütig, gutmütig gegen die Europäer, da sie mit ihnen bekannt wurden, zeigten. Das gilt von den Fullahs, von den Mandingos, die in den Gebirgsterrassen des Senegal und Gambia wohnen. – Der zweite Teil von Afrika ist das Stromgebiet des Nils, Ägypten, welches dazu bestimmt war, ein großer Mittelpunkt selbständiger Kultur zu werden, und daher ebenso isoliert und vereinzelt in Afrika dasteht, als Afrika selbst im Verhältnis zu den andern Weltteilen erscheint. – Der nördliche Teil von Afrika, der vorzugsweise der des Ufergebietes genannt werden kann, denn Ägypten ist häufig vom Mittelmeer in sich zurückgedrängt worden, liegt am Mittel- und Atlantischen Meer, ein herrlicher Erdstrich, auf dem einst Karthago lag, wo jetzt Marokko, Algier, Tunis und Tripolis sind. Diesen Teil sollte und musste man zu Europa herüberziehen, wie dies die Franzosen jetzt eben glücklich versucht haben: Er ist wie Vorderasien zu Europa hingewendet; hier haben wechselweise Karthager, Römer und Byzantiner, Muselmänner, Araber gehaust, und die Interessen Europas haben immer hinüberzugreifen gestrebt.

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      Der eigentümlich afrikanische Charakter ist darum schwer zu fassen, weil wir dabei ganz auf das Verzicht leisten müssen, was bei uns in jeder Vorstellung mitunter läuft, die Kategorie der Allgemeinheit.

       Bei den Negern ist nämlich das Charakteristische gerade, dass ihr Bewusstsein noch nicht zur Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre und darin die Anschauung seines Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung seiner als des Einzelnen und seiner wesentlichen Allgemeinheit ist der Afrikaner in seiner unterschiedslosen, gedrungenen Einheit noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wesen, das ein anderes, höheres gegen das Selbst wäre, ganz fehlt. Der Neger stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar: Von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muss man abstrahieren, wenn man ihn richtig auffassen will; es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden. Die weitläufigen Berichte der Missionare bestätigen dieses vollkommen, und nur der Mohammedanismus scheint das einzige zu sein, was die Neger noch einigermaßen der Bildung annähert.

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       Die Mohammedaner verstehen es auch besser wie die Europäer, ins Innere des Landes einzudringen. Diese Stufe der Kultur lässt sich dann auch näher in der Religion erkennen. Das erste, was mir uns bei dieser vorstellen, ist das Bewusstsein des Menschen von einer höheren Macht, (wenn diese auch nur als Naturmacht gefasst wird,) gegen die der Mensch sich als ein Schwächeres, Niedrigeres stellt. Die Religion beginnt mit dem Bewusstsein, dass es etwas Höheres gebe als der Mensch. Die Neger aber hat schon Herodot Zauberer genannt; in der Zauberei liegt nun nicht die Vorstellung von einem Gott, von einem sittlichen Glauben, sondern sie stellt dar, dass der Mensch die höchste Macht ist, dass er sich allein befehlend gegen die Naturmacht verhält. Es ist also nicht von einer geistigen Verehrung Gottes noch von einem Reiche des Rechts die Rede. Gott donnert und wird nicht erkannt: Für den Geist des Menschen muss Gott mehr als ein Donnerer sein, bei den Negern aber ist dies nicht der Fall. Obgleich sie sich der Abhängigkeit vom Natürlichen bewusst sein müssen, denn sie bedürfen des Gewitters, des Regens, des Aufhörens der Regenzeit, so führt sie dieses doch nicht zum Bewusstsein eines Höheren; sie sind es, die den Elementen Befehle erteilen, und dies eben nennt man Zauberei. Die Könige haben eine Klasse von Ministern, durch welche sie die Naturveränderungen anbefehlen lassen, und jeder Ort besitzt auf eben diese Weise seine Zauberer, die besondere Zeremonien, mit allerhand Bewegungen, Tänzen, Lärm und Geschrei ausführen und inmitten dieser Betäubung ihre Anordnungen treffen.

       Das zweite Moment ihrer Religion ist alsdann, dass sie sich diese ihre Macht zur Anschauung bringen, sich äußerlich setzen und sich Bilder davon machen. Das, was sie sich als ihre Macht vorstellen, ist somit nichts Objektives, in sich Festes und von ihnen Verschiedenes, sondern ganz gleichgültig der erste beste Gegenstand, den sie zum Genius erheben, sei es ein Tier, ein Baum, ein Stein, ein Bild von Holz. Dies ist der Fetisch, ein Wort, welches die Portugiesen zuerst in Umlauf gebracht, und welches von feitizo, Zauberei, abstammt. Hier im Fetische scheint nun zwar die Selbständigkeit gegen die Willkür des Individuums aufzutreten, aber da eben diese Gegenständlichkeit nichts anderes ist als die zur Selbstanschauung sich bringende individuelle Willkür, so bleibt diese auch Meister ihres Bildes. Begegnet nämlich etwas Unangenehmes, was der Fetisch nicht abgewendet hat, bleibt der Regen aus, entsteht Misswuchs, so binden und prügeln sie ihn oder zerstören ihn und schaffen ihn ab, indem sie sich zugleich einen andern kreieren; sie haben ihn also in ihrer Gewalt. Es hat ein solcher Fetisch weder die religiöse Selbständigkeit, noch weniger die künstlerische; er bleibt lediglich ein Geschöpf, das die Willkür des Schaffenden ausdrückt, und das immer in seinen Händen verharrt. Kurz, es ist kein Verhältnis der Abhängigkeit in dieser Religion. Was aber auf etwas Höheres bei den Negern hinweist, ist der Totendienst, in welchem ihre verstorbenen Voreltern und ihre Vorfahren ihnen als eine Macht gegen die Lebendigen gelten. Sie haben dabei die Vorstellung, dass diese sich rächen und dem Menschen dieses oder jenes Unheil zufügen könnten, in eben dem Sinne, wie dies im Mittelalter von den Hexen geglaubt wurde; doch ist die Macht der Toten nicht über die der Lebendigen geachtet, denn die Neger befehlen ihren Toten und bezaubern sie.

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      (Siehe Band 152e in dieser gelben Buchreihe)

      Auf diese Weise bleibt das Substantielle immer in der Gewalt des Subjekts. Der Tod selbst ist den Negern kein allgemeines Naturgesetz; auch dieser, meinen sie, komme von übelgestimmten Zauberern her. Es liegt allerdings darin die Hoheit des


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