Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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ist als Gegenständliches bestimmt, erscheint darum als Gegebenes, Unmittelbares, Autorität, und ist entweder dem Inhalte nach als endlich und beschränkt oder als Schranke für das denkende Subjekt und die unendliche Reflexion desselben in sich.

      Zunächst aber ist bemerklich zu machen, wie das Leben, das aus dem Tode hervorgeht, selbst nur wieder ein einzelnes Leben ist, und wenn die Gattung als das Substantielle in diesem Wechsel angesehen wird, so ist der Untergang des einzelnen ein Wiederabfallen der Gattung in die Einzelheit. Die Erhaltung der Gattung ist so nur als die gleichförmige Wiederholung derselben Weise der Existenz. Ferner ist zu bemerken, wie die Erkenntnis, die denkende Auffassung des Seins, die Quelle und Geburtsstätte einer neuen Gestalt ist, und zwar einer höheren Gestalt in einem teils erhaltenden, teils verklärenden Prinzip. Denn der Gedanke ist das Allgemeine, die Gattung, die nicht stirbt, die sich selbst gleichbleibt. Die bestimmte Gestalt des Geistes geht nicht bloß natürlich in der Zeit vorüber, sondern wird in der selbstwirkenden, selbstbewussten Tätigkeit des Selbstbewusstseins aufgehoben. Weil dies Aufheben Tätigkeit des Gedankens ist, ist es zugleich Erhalten und Verklären. – Indem somit der Geist einerseits die Realität, das Bestehen dessen, was er ist, aufhebt, gewinnt er zugleich das Wesen, den Gedanken, das Allgemeine dessen, was er nur war. Sein Prinzip ist nicht mehr dieser unmittelbare Inhalt und Zweck, wie er war, sondern das Wesen desselben.

       Das Resultat dieses Ganges ist also, dass der Geist, indem er sich objektiviert und dieses sein Sein denkt, einerseits die Bestimmtheit seines Seins zerstört, anderseits das Allgemeine desselben erfasst, und dadurch seinem Prinzip eine neue Bestimmung gibt. Hiermit hat sich die substantielle Bestimmtheit dieses Volksgeistes geändert, d. i. sein Prinzip ist in ein anderes, und zwar höheres Prinzip aufgegangen.

      Es ist das Wichtigste im Auffassen und Begreifen der Geschichte, den Gedanken dieses Übergangs zu haben und zu kennen. Ein Individuum durchläuft als Eines verschiedene Bildungsstufen und bleibt dasselbe Individuum; ebenso auch ein Volk, bis zu der Stufe, welche die allgemeine Stufe seines Geistes ist. In diesem Punkt liegt die innere, die Begriffsnotwendigkeit der Veränderung. Das ist die Seele, das Ausgezeichnete in dem philosophischen Auffassen der Geschichte.

      Der Geist ist wesentlich Resultat seiner Tätigkeit: seine Tätigkeit ist Hinausgehen über die Unmittelbarkeit, das Negieren derselben und Rückkehr in sich. Wir können ihn mit dem Samen vergleichen; denn mit diesem fängt die Pflanze an, aber er ist auch Resultat des ganzen Lebens derselben. Die Ohnmacht des Lebens zeigt sich aber darin, dass, was anfängt, und was Resultat ist, auseinanderfallen. So auch im Leben der Individuen und Völker. Das Leben eines Volkes bringt eine Frucht zur Reife; denn seine Tätigkeit geht dahin, sein Prinzip zu vollführen. Diese Frucht fällt aber nicht in den Schoß des Volks zurück, das sie ausgeboren und gezeitigt hat; im Gegenteil sie wird ihm ein bittrer Trank. Lassen kann es nicht von ihm, denn es hat den unendlichen Durst nach demselben, aber das Kosten des Tranks ist seine Vernichtung, doch zugleich das Aufgehen eines neuen Prinzips.

      Über den Endzweck dieses Fortschreitens haben wir uns oben erklärt. Die Prinzipien der Volksgeister in einer notwendigen Stufenfolge sind selbst nur Momente des einen allgemeinen Geistes, der durch sie in der Geschichte sich zu einer sich erfassenden Totalität erhebt und abschließt. –

       Indem wir es also nur mit der Idee des Geistes zu tun haben und in der Weltgeschichte alles nur als seine Erscheinung betrachten, so haben wir, wenn wir die Vergangenheit, wie groß sie auch immer sei, durchlaufen, es nur mit Gegenwärtigem zu tun; denn die Philosophie, als sich mit dem Wahren beschäftigend, hat es mit ewig Gegenwärtigem zu tun. Alles ist ihr in der Vergangenheit unverloren, denn die Idee ist präsent, der Geist unsterblich d. h. er ist nicht vorbei und ist nicht noch nicht, sondern ist wesentlich jetzt. So ist hiermit schon gesagt, dass die gegenwärtige Gestalt des Geistes alle früheren Stufen in sich begreift. Diese haben sich zwar als selbständig nacheinander ausgebildet; was aber der Geist ist, ist er an sich immer gewesen, der Unterschied ist nur die Entwicklung dieses Ansich. Das Leben des gegenwärtigen Geistes ist ein Kreislauf von Stufen, die einerseits noch nebeneinander bestehen und nur anderseits als vergangen erscheinen. Die Momente, die der Geist hinter sich zu haben scheint, hat er auch in seiner gegenwärtigen Tiefe.

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      Geographische Grundlage der Weltgeschichte

       Geographische Grundlage der Weltgeschichte

       Gegen die Allgemeinheit des sittlichen Ganzen und seine einzelne handelnde Individualität gehalten ist der Naturzusammenhang des Volksgeistes ein Äußerliches, aber insofern wir ihn als Boden, auf welchem sich der Geist bewegt, betrachten müssen, ist er wesentlich und notwendig eine Grundlage. Wir gingen von der Behauptung aus, dass in der Weltgeschichte die Idee des Geistes in der Wirklichkeit als eine Reihe äußerlicher Gestalten erscheint, deren jede sich als wirklich existierendes Volk kundgibt. Die Seite dieser Existenz fällt aber sowohl in die Zeit als in den Raum, in der Weise natürlichen Seins, und das besondere Prinzip, das jedes welthistorische Volk an sich trägt, hat es zugleich als Naturbestimmtheit in sich. Der Geist, der sich in diese Weise der Natürlichkeit kleidet, lässt seine besonderen Gestaltungen auseinanderfallen, denn das Auseinander ist die Form der Natürlichkeit. Diese Naturunterschiede müssen nun zuvörderst auch als besondere Möglichkeiten angesehen werden, aus welchen sich der Geist hervortreibt, und geben so die geographische Grundlage. Es ist uns nicht darum zu tun, den Boden als äußeres Lokal kennen zu lernen, sondern den Naturtypus der Lokalität, welcher genau zusammenhängt mit dem Typus und Charakter des Volkes, das der Sohn solchen Bodens ist. Dieser Charakter ist eben die Art und Weise, wie die Völker in der Weltgeschichte auftreten und Stellung und Platz in derselben einnehmen. – Die Natur darf nicht zu hoch und nicht zu niedrig angeschlagen werden; der milde jonische Himmel hat sicherlich viel zur Anmut der homerischen Gedichte beigetragen, doch kann er allein keine Homere erzeugen; auch erzeugt er sie nicht immer; unter türkischer Botmäßigkeit erhoben sich keine Sänger.

       Zunächst ist hier nun auf die Natürlichkeiten Rücksicht zu nehmen, die ein für alle Mal von der weltgeschichtlichen Bewegung auszuschließen wären: in der kalten und in der heißen Zone kann der Boden weltgeschichtlicher Völker nicht sein. Denn das erwachende Bewusstsein ist anfänglich nur in der Natur, und jede Entwicklung desselben ist die Reflexion des Geistes in sich, gegen die natürliche Unmittelbarkeit. In diese Besonderung fällt nun das Moment der Natur mit hinein; sie ist der erste Standpunkt, aus dem der Mensch eine Freiheit in sich gewinnen kann, und diese Befreiung muss nicht durch die natürliche Macht erschwert werden. Die Natur ist gegen den Geist gehalten ein Quantitatives, dessen Gewalt nicht so groß sein muss, sich allein als allmächtig zu setzen. In den äußersten Zonen kann der Mensch zu keiner freien Bewegung kommen, Kälte und Hitze sind hier zu mächtige Gewalten, als dass sie dem Geist erlaubten, für sich eine Welt zu erbauen. Aristoteles sagt schon: wenn die Not des Bedürfnisses befriedigt ist, wendet sich der Mensch zum Allgemeinen und Höheren. Aber in jenem Extrem der Zonen kann die Not wohl nie aufhören und niemals abgewendet werden, der Mensch ist beständig darauf angewiesen, seine Aufmerksamkeit auf die Natur zu richten, auf die glühenden Strahlen der Sonne und den eisigen Frost. Der wahre Schauplatz für die Weltgeschichte ist daher die gemäßigte Zone, und zwar ist es der nördliche Teil derselben, weil die Erde sich hier kontinental verhält und eine breite Brust hat, wie die Griechen sagen. Im Süden dagegen verteilt sie sich und läuft in mannigfache Spitzen auseinander. Dasselbe Moment zeigt sich in den Naturprodukten. Der Norden hat sehr viele Gattungen von Tieren und Pflanzen gemeinschaftlich; im Süden, wo das Land sich in Spitzen teilt, da individualisieren sich auch die Naturgestalten gegeneinander.

      Grafik 49 Grafik 51 Grafik 52

       Die Welt wird in die Alte und Neue geteilt, und zwar ist der Namen der neuen daher gekommen, weil Amerika und Australien uns erst spät bekannt geworden sind. Aber diese Weltteile sind nicht nur relativ neu, sondern überhaupt neu, in Ansehung ihrer ganzen physischen und geistigen Beschaffenheit. Ihr geologisches Altertum geht uns nichts an. Ich will ihr die Ehre nicht absprechen,


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