Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika. Henry Morton Stanley
Читать онлайн книгу.dass „eine Hungersnot im Lande“ herrsche, „die Dörfer an der Straße nach dem Pool verlassen seien“; „der ‚STANLEY‘ sei ernstlich beschädigt“; die Missionsdampfer befänden sich irgendwo in unbekannten Regionen des Oberkongo“; „der ‚EN AVANT‘ sei gestrandet und ohne Maschinen und Kessel“; „der › A.I.A.‹ liege 800 km oberhalb des Stanley-Pool“; „der ‚ROYAL‘ sei vollständig verrottet und seit einem Jahre nicht mehr benutzt worden“; kurz, das ganze uns versprochene Bootsmaterial existiere überhaupt nur in der Einbildung der Herren vom Büro in Brüssel. „Übrigens“, sagte einer der Herren, welcher der Chef des Exekutivkomitees zu sein schien, mit überlegenem Nachdruck, „sollten die Boote Sie nur unterstützen, wenn wir sie Ihnen ohne Nachteil für den Staatsbetrieb geben könnten.“
Der portugiesische Kapitän des „SERPA PINTO“ beorderte mit rauer Stimme die Herren ans Land, und wir setzten die Fahrt den Kongo aufwärts fort.
Meine Gedanken waren nicht sehr angenehmer Natur. Mit meiner Flottille von 15 Walfischfänger-Booten wäre ich unabhängig gewesen, allein man hatte Einwände gegen die Kongo-Route erhoben und dieses Projekt deshalb aufgegeben. Kaum hatten wir uns für die Route von der Ostküste entschieden, als der Herrscher des Kongostaates die Expedition einlud, sein Gebiet zu passieren; die Deutschen hatten gemurrt und die französische Regierung gegen den Gedanken unsere Marsches durch Ostafrika Protest erhoben. Als es zu spät war, um die Bootflottille noch bei den Herren Forrest u. Sohn zu bestellen, hatten wir die Kongo-Route angenommen, um, nachdem wir Vorkehrungen für den Transport den Unterkongo hinauf, für das Trägerwesen nach dem Stanley-Pool und die Anleihe von Dampfern auf dem Oberkongo getroffen hatten, zu finden, dass letztere gestrandet, ruiniert, ohne Maschinen und Kessel oder zerstreut und unerreichbar sein sollten. Vor den Ohren klang mir der in England erhobene Ruf: „Beeile dich, oder du kommst vielleicht zu spät“, und im Gedächtnis tauchten mir die Worte Junker's auf: „Emin wird verloren sein, wenn man ihm nicht sofort Hilfe bringt“, sowie Emins Hilferuf: „Wenn wir keine Hilfe erhalten, werden wir umkommen.“
Nun, die Aussichten für unser Unternehmen sind nicht sehr günstig. Es ist aber nicht meine Schuld, und was wir zu tun haben, ist einfach genug. Wir haben das Versprechen gegeben, mit unseren besten Kräften das Ziel zu erstreben. Wir haben keine Zeit zum Bedauern, sondern müssen kämpfen und geradeaus steuern. Wir müssen, nachdem wir die Verpflichtung einmal übernommen haben, jeden Paragraphen unsere mündlichen Vertrags erfüllen, und von der Art und Weise, wie dies geschehen ist, will ich jetzt berichten.
Ich will die Erzählung nicht mit Schilderungen der Überlandroute nach dem Pool oder des Oberkongo und seiner Ufer aufhalten, da dieselben in meinen Werken „Durch den dunkeln Weltteil“ und „Der Kongo und die Gründung des Kongostaates“ genügend behandelt worden sind, und auch bezüglich der Ereignisse auf unserm Marsche nach Jambuja, am oberen Ende der Schifffahrt auf dem Aruwimi, gedenke ich nur sehr kurz zu sein.
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Viertes Kapitel – Nach dem Stanley-Pool
Viertes Kapitel – Nach dem Stanley-Pool
Einzelheiten der Reise nach dem Stanley-Pool. – Sudanesen und Somali. – Zusammentreffen mit Herbert Ward. – Lager bei Congo la Lemba. – Freundliche Aufnahme bei Herrn und Frau Richards. – Briefe vom oberen Fluss. – Schreiben an Rev. Bentley und andere um Beistand. – Ankunft in Muembi. – Notwendigkeit einer strengeren Disziplin. – Marsch nach Vombo. – Vorfall bei der Station Lukunga. – Die Sansibariten. – Zank zwischen Jephson und Selim am Inkissi. – Eine Reihe von Klagen. – Rev. Bentley und der Dampfer „PEACE“. – Eintreffen im Dorfe Makoko's. – Leopoldville. – Schwierigkeiten bei der Benutzung der Missionsdampfer. – Verhandlungen zwischen den Herren Liebrechts und Billington. – Besuch bei Herrn Swinburne in Kinshasa. – Befehle für die Offiziere und Pflichten der letzteren.
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Am 21. März schiffte sich die Expedition am Landungsplatze des portugiesischen Handelshauses Joda Ferrier d'Abreu in Matadi, 175 km vom Atlantischen Ozean, aus. Sobald die Dampfer ihre Passagiere und Ladungen gelöscht hatten, warfen sie die Taue los, um flussabwärts nach dem Seehafen von Banana oder dem Flusshafen zurückzukehren.
Gegen Mittag kam das portugiesische Kanonenboot „KACONGO“ in Sicht. Dasselbe brachte Major Barttelot, Herrn Jephson und eine Anzahl Sudanesen und Sansibariten mit, und bald darauf traf der dem Staate gehörende Dampfer „HERON“ mit dem Rest der an Bord des „MADURA“ zurückgebliebenen Ladung ein.
Wir schlugen die Zelte auf, lagerten die ungeheuren Mengen von Reis, Zwieback, Hirse, Salz, Heu usw., und entwickelten eine so rege Tätigkeit, wie Leute, die eine unabsehbare Arbeit vor sich haben. Jeder Offizier zeichnete sich aus und die Sansibariten bewiesen durch ihre Behändigkeit, wie sehr sie sich freuten, wieder am Lande zu sein.
Unsere europäische Gesellschaft bestand jetzt aus den Herren Barttelot, Stairs, Nelson, Jephson, Parke, Bonny, welche die Reise von Aden mit mir gemacht hatten, dem Maschinisten Walker, der sich uns am Cap der Guten Hoffnung angeschlossen hatte, Herrn Ingham, einem früheren Gardeoffizier, welcher beim Sammeln von Trägern am Kongo als unser Agent fungierte, Herrn John Rose Troup, welcher mit der Oberaufsicht der eingeborenen Träger auf dem Wege von Manjanga nach dem Pool beauftragt war, und einem europäischen Diener.
Am nächsten Tage brachen 171 Träger mit 7 Kisten Zwieback = 420 Pfund, 157 Säcken Reis = 10.205 Pfund, und Perlen von Matadi nach Lukunga auf, wo die Vorräte bei der Ankunft der Expedition als Reserve dienen sollten. Außerdem waren 180 Säcke von je 170 Pfund = 30 600 Pfund bereit, sobald sich Träger anboten, vor oder nach uns abzugehen und unterwegs an verschiedenen Orten und am Pool gelagert zu werden. Auch sandten wir Boten nach dem Pool an den Kommandanten ab mit der Bitte, die Reparatur sämtlicher Dampfer zu beschleunigen.
Am zweiten Tage nach unserer Ankunft erschien Herr Ingham mit 220 Trägern, welche er zu einem Pfund Sterling per Last für den Transport nach dem Pool engagiert hatte.
Maxim-Schnellfeuerkanone
Leutnant Stairs stellte Übungen mit der Maxim-Schnellfeuerkanone an, welche 330 Schüsse in der Minute abgab, was bei Tippu-Tib und seinen Leuten die größte Bewunderung hervorrief.
Am Morgen des 25. März um 5¼ Uhr ertönten im Lager der Sudanesen die Signaltrompeten. Gegen 6 Uhr waren die Zelte zusammengefaltet, die Kompanien unter ihren Hauptleuten aufgestellt, die Waren in der Nähe derselben aufgehäuft, und um 6¼ Uhr marschierte ich mit der Vorhut ab. Das gesamte Expeditionscorps folgte Kompanieweise im Gänsemarsche und führte 466 einzelne Lasten oder Trägerladungen von Munition, Waffen, Perlen, Draht, Proviant in Büchsen, Reis, Salz, Maschinenöl, Messingstangen und Eisendraht mit sich. Der Abmarsch war vortrefflich, allein schon nach einstündigem Marsche wurden die Berge so steil, schien die Sonne so heiß, wurden die Lasten so schwer, die Leute durch die nach dem herrlichen Leben an Bord des „MADURA“ ungewohnte Arbeit so erschöpft, dass die Expedition, da auch wir uns in einem solchen überfütterten Zustande befanden, in einer für Leute, die auf einen derartigen Anblick nicht vorbereitet waren, höchst entmutigenden Weise sich zerstreute. Bei der Ankunft am ersten Fluss, dem Mposo, war der „ADVANCE“ bereits zusammengefügt und wir wurden in Trupps von je 50 Mann nach dem anderen Ufer befördert, wo wir das Lager aufschlugen.
Die Sudanesen boten einen jämmerlichen Anblick dar. Die Somali waren erträglich, obwohl sie stark darüber gebrummt hatten, dass keine Kamele da waren. Erstere zeigten bemerkenswert schlechte Laune. Eingehüllt in ihre mit Kapuzen versehenen Mäntel, hatten sie eine schreckliche Atmosphäre auszuhalten gehabt, und die Wirkungen der Hitze, Ermüdung und anderer kleiner Unannehmlichkeiten traten deutlich zu Tage.
Am nächsten Tage lagerten wir auf dem der Livingstone-Inland-Mission gehörenden Gebiet bei Palaballa, wo wir von dem Superintendenten Herrn Clarke und seinen Damen sehr gastfrei aufgenommen wurden. Da unseren Leuten die Arbeit noch durchaus ungewohnt war, machten wir den nächsten Tag Rast. Aus den Berichten der Offiziere ersah ich, dass seit der Abreise von Sansibar 9 Mann