Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika. Henry Morton Stanley

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Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika - Henry Morton Stanley


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wo jene kleine Truppe heldenmütiger Engländer auf dem todbringenden Wüstensande Schulter an Schulter kämpfte und einen Ruhm erwarb, der demjenigen gleichkommt, welchen sich die Leichte Brigade bei Balaklawa gewinnen musste. Das waren in der Tat Kämpfe, welche eine Reihe von Fehlern, wie man in einem Jahrhundert der Geschichte ihresgleichen nicht findet, zum großen Teile wieder gutmachen. Wenn diejenigen, welche für die Folge der Ereignisse verantwortlich sind, nur einen Teil des bei Abu-Klea gezeigten zweckbewussten, ernsten Willens bewiesen hätten, dann würde der Mahdi bald eine groteske Figur zur Verzierung eines Bilderbogens oder zur Verstärkung einer sprichwörtlichen Redensart geworden sein, nicht aber die fürchterliche Schreckensfigur der neuesten Zeit, deren Gegenwart jede Spur von Zivilisation im Sudan zu Asche zerstört hat.

      Um eine passende, aber kurze Einleitung zu dem wesentlichen Gegenstande dieses Werkes zu haben, muss ich Notwendigerweise die Ereignisse flüchtig berühren, welche den letzten am Leben befindlichen Statthalter Gordon's veranlasst haben, aus seiner harten Bedrängnis in der Nähe des Äquators um Hilfe zu rufen.

      Dem kühnen Projekte des Khedive Ismail verdanken wir im Grunde all das, was Ägypten und den Sudan betroffen hat.

      Er unternahm mit 5 Millionen Untertanen und einem sich rasch leerenden Staatsschatze die Erweiterung des ägyptischen Khediviats zu einem ungeheuren ägyptischen Reiche, dessen Gesamtflächenraum ein Areal von über 2½ Millionen Quadratkilometer umfasst, und von dem Leuchtturme von Alexandrien bis zum Südende des Albert-Sees, und von Massaua bis zur Westgrenze von Darfur reicht.

Grafik 231

      Khedive Ismail

      In seiner Hauptstadt fanden sich Abenteurer aus Europa und Amerika ein, welche die wahnsinnigsten Pläne machten und sich als Leiter der wildesten Unternehmungen anboten. Die ruhige Zeit, als die ägyptische Herrschaft bei Gondokoro aufhörte und der Nil die natürliche Straße für den Verkehr bildete, der durch den sanften Druck der langsamen Entwickelung entstand, war zu Ende, als Kapitän Speke, Grant und Sir Samuel Baker ihre enthusiastischen Berichte mitbrachten von prächtigen Seen und Gegenden, die an Fruchtbarkeit und Produktivität ihresgleichen nicht hatten. Die Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges drängte zahllose Offiziere aus ihrer Tätigkeit, und viele von ihnen strömten nach Ägypten, um dem modernen Pharao ihr Genie zur Verfügung zu stellen und seine großartigen Träume von einem Reiche zu verwirklichen. Ebenso erschienen auch Engländer, Deutsche und Italiener, um an den Ehren, mit welchen die Kühnen und Tapferen überschüttet wurden, teilzunehmen.

       Wenn ich die Annalen dieser Periode sorgfältig und leidenschaftslos durchlese und dabei die weitausschauenden Ideen des Khedive, seinen Enthusiasmus, die fürstliche Freigebigkeit in seinen Belohnungen, seine militärischen Taten, die plötzliche Ausdehnung seiner Macht und die stetige Erweiterung seiner Herrschaft nach Süden, Westen und Osten bewundere, stößt mir die überraschende Tatsache auf, dass sein Erfolg als Eroberer in Afrika sich mit dem Alexanders in Asien vergleichen lässt, nur mit dem Unterschiede, dass Alexander seine Armeen persönlich anführte, während der Khedive Ismail den Luxus seiner Paläste in Kairo vorzog und die Führung der Kriege seinen Paschas und Beys überließ.

      Dem Khedive erscheint die von ihm eingeschlagene Eroberungslaufbahn als eine edle; die europäische Presse zollt ihm Beifall; es verlautet von so vielen Dingen von großartiger Wichtigkeit für die Zivilisation, dass sie ihm zu Ehren Lob- und Triumphlieder singt; die beiden Meere sind vereinigt und die Handelsflotten ankern in stattlichen Reihen im Schifffahrtskanal; nach Süden werden die Eisenbahnen ausgedehnt, und man prophezeit, dass eine Linie bis nach Berber reichen wird.

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      Port Said um 1880

      Allein während dieser ganzen herrlichen Zeit scheint man die Bevölkerung des neuen Reiches nicht einmal der Beachtung Wert gehalten zu haben, außer als Steuerobjekt und Hilfsmittel, den Staatsschatz zu füllen. Die Steuern sind höher als je; die Paschas werden geldgieriger, die Gesetze schärfer, der Elfenbeinhandel wird monopolisiert, und schließlich wird, um die bereits wachsende Unzufriedenheit noch weiter zu vermehren, im ganzen Gebiet, wo die ägyptische Autorität Geltung hat, der Sklavenhandel verboten. Im Laufe von fünf Jahren hat Sir Samuel Baker die Äquatorialprovinz, Munzinger Sennar erobert, Darfur ist annektiert und Bahr-el-Ghasal nach fürchterlicher Vergeudung von Menschenleben unterworfen. Die bei allen diesen Großmacht-Projekten sich zeigende Kühnheit ist geradezu wunderbar, fast so wunderbar, wie der vollständige Mangel an gesundem Menschenverstand. An einer Gebietslinie von nahezu 1.300 km Länge befinden sich nur drei Militärstationen in einem Lande, welches, ausgenommen wenn der Nil hoch angeschwollen ist, nur Kamele als Beförderungsmittel zur Verfügung hat.

Grafik 233

       Im Jahre 1879 wurde der Khedive Ismail, der zu häufig Wechsel auf die europäischen Banken gezogen und die ägyptische Staatsschuld bis auf 128 Mill. Pfd. St. vermehrt hatte, sich aber die Beschränkungen nicht gefallen lassen wollte, welche ihm von den Mächten, deren Untertanen das so freigebig von ihm vergeudete Geld geliefert hatten, auferlegt werden sollte, abgesetzt und an seiner Stelle der gegenwärtige Khedive, sein Sohn Tewfik, zum Herrscher unter der Vormundschaft der Mächte erhoben. Kurze Zeit nachher entstand eine Militärrevolte, doch wurde dieselbe von einer 13.000 Mann starken englischen Armee unter Lord Wohlseley bei Kassassin, Tell-el-Kebir, Kairo und Kafr-ed-Dauar unterdrückt.

      Während der kurzen Herrschaft Arabi Pascha's, des Führers der Militärrevolte, wurde viel Unheil dadurch verursacht, dass man die verfügbaren Truppen aus dem Sudan zurückzog. Während der englische General die Rebellentruppen bei Tell-el-Kebir schlug, marschierte der Mahdi Mohammed Achmet zur Einschließung von El Obeid; am 23. August wurde er bei Duem mit einem Verlust von 4.500 Mann angegriffen. Am 14. wurde er von der Besatzung von Obeid zurückgeschlagen, wie es heißt mit 10.000 Mann Verlust. Diese ungeheuren Verluste an Menschenleben, welche vom 11. August 1881, dem Tage, an dem der Mahdi es zuerst unternahm, die Bevölkerung des Sudan über die Schwäche der ägyptischen Macht zu belehren, sich beständig fortsetzten, wurden zum großen Teile durch Stämme, denen die vom Mahdi verkündete Religion gleichgültig war, die aber von den ägyptischen Beamten ausgeplündert, von der Regierung über alle Gebühr besteuert waren und verhindert wurden, Sklaven zu verkaufen, um die Mittel zur Bezahlung der Abgaben zu erhalten, sowie durch die Hunderte von Sklavenhändler-Karawanen verursacht, deren Verkehr Gordon und sein Statthalter Gessi Pascha durch die energische Unterdrückung des Sklavenhandels ein Ende gemacht hatten.

       Vom 11. August 1881 bis zum 4. März 1883, als Hicks Pascha, ein früherer Offizier der indischen Armee, als Generalstabschef der Sudanarmee in Khartum eintraf, hatte Missgeschick aller Art die Regierungstruppen in fast ununterbrochener Reihe verfolgt; und inzwischen hatte die meuterische ägyptische Armee sich erhoben, war überwältigt und aufgelöst worden, worauf eine neue Armee unter Sir Evelyn Wood gebildet ward, die nicht über 6.000 Mann zählen sollte. Und dennoch beschließt Hicks Pascha, obwohl ihm die ungeheure Macht des Mahdi, der nahezu an Raserei grenzende Fanatismus in Verbindung mit dem seine Legionen beseelenden Hasse, sowie die Unzuverlässigkeit, die mangelnde Disziplin und die Feigheit seiner Truppen bekannt waren, während er die ägyptische Regierung um eine Verstärkung von 5.000 Mann oder von vier Bataillonen von der neuen Armee des Generals Wood bittet, Kordofan zu erobern und marschiert dem siegreichen Propheten entgegen, der mit seinen Horden noch über den kürzlich erfochtenen Sieg über Obeid und Bara triumphiert. Sein Stab und sogar die ihn begleitenden Zivilisten prophezeien Unglück, allein Hicks tritt seinen letzten Marsch mit einer Armee von 12.000 Mann, 10 Gebirgsgeschützen, 6 Nordenfelt-Kanonen, 5.500 Kamelen und 500 Pferden an. Jeder weiß, dass die Elemente der Schwäche in den Truppen selbst liegen, dass viele von den Soldaten Bauern sind, welche man von den ägyptischen Feldern weggeschleppt und in Ketten geworfen hat, dass andere sich zum Mahdismus bekennen, dass unter den Offizieren Uneinigkeit besteht und dass nichts in der richtigen Verfassung ist. Allein trotzdem marschieren sie auf Obeid los, stoßen mit den Legionen des Mahdi zusammen und werden vernichtet.

      England dirigiert jetzt die Geschäfte Ägyptens mit Zustimmung des jungen Khedive, dem es bei der Besteigung


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