Jochen Klepper: Der Vater Roman eines Königs. Jochen Klepper

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Jochen Klepper: Der Vater Roman eines Königs - Jochen Klepper


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      König Friedrich I

      Ein vergilbtes Männlein, im ernsten, dunklen Brandenburger Rock sich unbehaglich fühlend, hing im Sessel; die dünnen Beine steckten fremd und hilflos in den hohen Stiefeln; spitz stachen die Knie hervor. Kein Purpur, kein Pelz, kein Brokat verhüllte die Welkheit. Der Blick der dunkel schimmernden Augen war müde und stechend zugleich. Die braunen Haarsträhnen hingen lang und unordentlich an Wangen und Schultern herab. Der sonst so Heitere, Helleuchtende war bleich; der schwarze Eckenhut, zu tief in die Stirn gedrückt, beschattete das vergrämte Gesicht. Zudem hatte König Friedrich zu der Tracht des Feldherrn sich ein Bärtlein stehen lassen, kahl, dunkel und struppig. Er sprach, was die Minister ihm befahlen.

      Groß war das Dreifache Weh über Preußens jungen Königsthron geschrieben. König Friedrich musste vor den drei Ministern heucheln, als wüsste er nicht, was um ihn geschah. Er hatte sich so auch zu verstellen, als es um den Plan einer dritten Heirat für ihn ging. Die Minister dachten sich des Sohnes zu entledigen. Und Erben des Sohnes waren nicht da. Der König brauchte einen neuen Sohn.

      Dies war die neue Sprache, die sie vor dem König führten. Der Tod des ersten Söhnleins, die Schwächlichkeit des zweitgeborenen Töchterchens der Kronprinzessin ließen ernstlich befürchten, dass Ihre Königliche Hoheit nicht mehr in der Lage sein würden, trotz ihrer jungen Jahre Preußens nächsten Thronfolger zur Welt zu bringen. Widerführe nun dem Kronprinzen im weiteren Verlaufe des Spanischen Krieges ein Unheil, so wäre es um die Erbfolgefragen im Brandenburgischen Hause schlimm bestellt.

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      Luise Dorothee von Mecklenburg-Schwerin – die neue Königin von Preußen

      Luise Dorothee von Mecklenburg-Schwerin, so meinten die Minister, besäße alle Eigenschaften einer Königin von Preußen, außerdem auch eine erhebliche Mitgift an Gold und Juwelen.

      Und überdies sei dies der Weg, einen alten Erbschaftsstreit zu regeln. Erbschaften schienen dem König, der kein Vermächtnis hinterließ, die einzige Rettung.

       Die Herren wussten um alles Bescheid. Die Sorge um ihre Gehaltsrückstände bestimmte ihren Eifer. Diese Fürsorge für den König aber ging so weit, dass man ihm überzeugend nachwies, der Kronprinz müsse sich Spione halten, anders erkläre sich nicht der Ausgang des Falles Gaëtano; ferner, dass die eigentümliche Beurlaubung der Wusterhausener Truppe nach Berlin sich zur Militärrevolte hätte auswachsen können; vor allem, dass man von Umtrieben des Kronprinzen und des Fürsten Anhalt-Dessau Kenntnis hätte, die an den Grundfesten der brandenburgischen Heeresordnung rüttelten; dass der Kronprinz durch seine Einmischung in die Staatsaffären und öffentlichen Angelegenheiten, etwa das Gesundheitswesen Litauens, die Ordnung der Geschäfte in unverantwortlicher Weise verwirre, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem jeder der Minister aus seinem Dezernat die vortrefflichsten Berichte über den Zustand des Landes vorlegen könne.

      Daraufhin freute sich der König an den schönen Berichten, ohne sie nachzuprüfen. Die Pest war im Lande.

      * * *

      Bei der dritten Vermählungsfeier König Friedrichs I. sang die Hamburger Opernsängerin Conradin für tausend Taler eine Arie; Minister- und Gesandtenfrauen rissen sich wegen des Vortritts bei den Festlichkeiten die Perücken vom Kopf; andere erhielten dafür, dass sie freiwillig den Vorrang abtraten, Entschädigungen von zehntausend Talern. Der Kronprinz überraschte den König am Morgen der dritten Vermählung mit der Nachricht, dass die Kronprinzessin zum dritten Mal schwanger sei.

      Die neue Königin wurde in der Brandenburgischen Familie nicht sonderlich erfreut aufgenommen, von ihrem Stiefsohn aber mit der gebotenen Höflichkeit behandelt. Sie und ihre Oberhofmeisterin benahmen sich unerträglich bigott. Von allen übersehen und von niemand gestützt, scharten sie die Geistlichkeit um sich, die bei Hofe nicht viel galt. Die Königin wirkte an ihrem Hochzeitstage etwas verrückt, und der König wurde sehr unruhig. Die Kronprinzessin war überaus unangenehm davon berührt, dass in Berlin nun eine regierende Königin residieren würde, die zudem noch ein Jahr jünger war als sie selbst. Die welfische Prinzessin hatte bisher die Gunst des Königs, Oheims, Schwiegervaters in einem ungewöhnlichen Maße besessen. Friedrich I. hatte der Frau Schwiegertochter wegen ihrer außerordentlichen Befähigung zur Repräsentation die in den Ehepakten ausgesetzten Gelder verdoppelt, ihr für zweihunderttausend Taler Juwelen geschenkt und Sophie Dorotheens Heirat voller solchen Überschwanges gefeiert, dass der Kronprinz all dieser Torheiten müde gewesen war.

      Oder sprach er so bittere Worte doch im Gedanken an die Ansbacherin? Auf der dritten Hochzeit seines Vaters wich er ihr aus. Ihre Vermählung mit Sophie Dorotheens Bruder, dem Kurprinzen von Hannover und dereinstigen Anwärter auf Englands Thron, stand bevor, und Friedrich Wilhelms alter Knabenhass gegen den Vetter lebte wieder auf. Der bedeutendste protestantische Thron, der britische, war der Ansbacherin für die ausgeschlagene spanische Krone, die ruhmreichste des Katholizismus, in langwierigem Schriftwechsel der Fürstenhäuser zugesprochen.

       Sophie Dorothea und die Ansbacher Brandenburgerin, die künftigen Schwägerinnen, weilten in den Tagen um die Königshochzeit viel zusammen. Der Glaube der Kronprinzessin an die welfischen Hausverträge war unerschütterlich, jede Regung von Eifersucht lag ihr fern. Was neben den Verträgen an liebenden Gefühlen keimte oder starb, berührte den maßlosen Ehrgeiz der Welfentochter nicht mehr. Die Ansbacherin aber nahm wahr, dass die Ehe des geliebten Mannes, die immer wieder geforderte Verbindung der Welfen mit den Hohenzollern, kühl geblieben war. Was ihrem klaren Blick und ihrem sicheren Empfinden sich enthüllte, verschloss sie als geheimes Glücksgefühl in ihr beraubtes Herz.

      Zwischen der Königin und der Kronprinzessin, den beiden jungen Frauen, vermittelte sie unermüdlich, freundlich und behutsam, so dass keine sich vor der anderen etwas zu vergeben brauchte. Unter den Frauen ging es diesmal glimpflicher ab als unter den Männern.

      Die Herrenabende der festlichen Wochen waren nicht ungefährlich, zumal man nicht umhin gekonnt hatte, den Fürsten Anhalt-Dessau unter den Gästen nach Berlin zu bitten. Und um des Kronprinzen willen war er, leider, gekommen.

      Wo der Fürst und der Kronprinz sich von den Festen nur entfernen konnten, suchten sie allein zu sein, die täglich sich häufenden unangenehmen Ereignisse miteinander zu besprechen. Gerade die Herrengesellschaften, die neben den Hoffeierlichkeiten herliefen, schienen ihnen eine Möglichkeit dazu zu geben. So trafen sie sich auch beim Obermundschenk von Grumbkow. Der, an der Pforte des Alters stehend, führte eine erlesene Küche und einen vorzüglichen Keller, und man traf mit Sicherheit nur die Herren bei ihm. Ängstlich hielt er seine Frau dem Hofe fern, solange eine Gräfin Wartenberg in Wahrheit dort vor Königin und Kronprinzessin residierte, wie ehedem in der väterlichen Schankstube; nur dass sie jetzt, auf der höchsten Stufe ihrer Laufbahn, Mätresse lediglich dem Ruf nach war. König Friedrich wollte den Potentaten Europas nicht nachstehen.

      Alle waren sie in Grumbkows Hause im Gesellschaftsanzug; auch der Kronprinz; auch der Fürst von Anhalt-Dessau; man sah viel bunten Brokat, Samt und überaus kostbare Perücken, die man neu aus Paris hatte kommen lassen. Es reizte den Kronprinzen, wie sie da alle um den Kamin saßen, in goldenen Sesseln mit geblümter Seide, die Lockentürme im Gespräch dicht aneinander gedrängt. Der Kronprinz lenkte die Unterhaltung auf die Mode. Ob die Herren nicht auch all das Neue, Französische in Berlin etwas fremdartig fänden? Ja, das fanden sie. Ob man die beträchtlichen Gelder, die allein die Perücken in dieser Kaminnische hier ausmachten, nicht nützlicher anwenden könne? Ob der preußische Handel nicht jeglichen Betrag sehr dringend brauche? Die Herren waren sich einig.

      Herr von Grumbkow fand im geheimen, die Hoheit benehme sich in seinem Hause nicht sonderlich gut. Aber darauf würde man sich in Zukunft nun einzustellen haben. Der Hoheit gehörte die Zukunft.

      Endlich hatte es der Kronprinz soweit getrieben.

      „Wer kein Hundsfott ist, der tut es mir nach!“

       Er riss die Perücke vom Kopf und schleuderte sie in den Kamin. Herr von Grumbkow erfüllte seine Hausherrenpflicht. Die Lockenbündel der anderen folgten. Es roch widerlich nach versengtem Haar, die Flammen schlugen aus dem Kamin; die schwarzhaarigen, braunen, blonden,


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