Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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EINIGKEIT.

      Der Geist, der alle Welten schafft,

      Durch mich belehrt er seine Teuren:

      »Von der Gefahr, der ungeheuren,

      Errettet nur gesamte Kraft.«

      Das, was ich lehre, scheint so leicht,

      Und fast unmöglich zu erfüllen:

      »Nachgiebigkeit bei großem Willen.«

      Nun ist des Wortes Ziel erreicht,

      Den höchsten Wunsch seh' ich erfüllen.

      JUGENDFÜRST.

      Ja, alle Kronen seh' ich neu geschmückt

      Mit eignem Gold, mit Feindes Beute;

      Ihr habt das Volk, ihr habt euch selbst beglückt;

      Was ihr besitzt, besitzt ihr erst von heute.

      Zwar hat der Ahnen würdiges Verdienst

      Die goldnen Reife längst geflochten,

      Doch nun ist's eigener Gewinst:

      Ihr habt das Recht daran erfochten.

      EPIMENIDES.

      Und wir sind alle neugeboren,

      Das große Sehnen ist gestillt;

      Bei Friedrichs Asche war's geschworen

      Und ist auf ewig nun erfüllt.

      CHOR DER KRIEGER.

      Und wir wandeln mit freien Schritten,

      Weil wir uns was zugetraut,

      Und empfangen in unsre Mitten

      Gattin, Schwester, Tochter, Braut.

      Getan! – Glück auf! – Getan!

      Und den Dank nun zum Himmel hinan!

      CHOR DER FRAUEN.

      Euch zu laben,

      Laßt uns eilen,

      Unsre Gaben

      Auszuteilen,

      Eure Wunden

      Auszuheilen:

      Selige Stunden

      Sind gegeben

      Unsrem Leben!

      Große Gruppe.

      EPIMENIDES.

      Ich sehe nun mein frommes Hoffen

      Nach Wundertaten eingetroffen;

      Schön ist's, dem Höchsten sich vertraun.

      Er lehrte mich das Gegenwärt'ge kennen;

      Nun aber soll mein Blick entbrennen,

      In fremde Zeiten auszuschaun.

      PRIESTER.

      Und nun soll Geist und Herz entbrennen,

      Vergangnes fühlen, Zukunft schaun.

      CHOR.

      So rissen wir uns ringsherum

      Von fremden Banden los.

      Nun sind wir Deutsche wiederum,

      Nun sind wir wieder groß.

      So waren wir und sind es auch

      Das edelste Geschlecht,

      Von biederm Sinn und reinem Hauch

      Und in der Taten Recht.

      Und Fürst und Volk und Volk und Fürst

      Sind alle frisch und neu!

      Wie du dich nun empfinden wirst

      Nach eignem Sinne frei.

      Wer dann das Innere begehrt,

      Der ist schon groß und reich;

      Zusammen haltet euren Wert,

      Und euch ist niemand gleich.

      Gedenkt unendlicher Gefahr,

      Des wohlvergoßnen Bluts,

      Und freuet euch von Jahr zu Jahr

      Des unschätzbaren Guts.

      Die große Stadt, am großen Tag,

      Die unsre sollte sein –

      Nach ungeheurem Doppelschlag

      Zum zweitenmal hinein!

      Nun töne laut: Der Herr ist da!

      Von Sternen glänzt die Nacht.

      Er hat, damit uns Heil geschah,

      Gestritten und gewacht.

      Für alle, die ihm angestammt,

      Für uns war es getan,

      Und wie's von Berg zu Bergen flammt,

      Entzücken flamm' hinan!

      Der Vorhang fällt.

      Die Aufgeregten

      Personen.

      Die Gräfin

      Friederike, ihre Tochter

      Karl, ihr Söhnchen

      Der Baron, ein Vetter

      Der Hofrat

      Breme von Bremenfeld, Chirurgus

      Karoline, Bremens Tochter

      Luise, Bremens Nichte

      Der Magister, Hofmeister des jungen Grafen

      Der Amtmann

      Jakob, junger Landmann und Jäger

      Martin,

      Albert,

      Peter, Landleute

      Georg, Bedienter der Gräfin

      Erster Aufzug

      Erster Auftritt

      Ein gemeines Wohnzimmer, an der Wand zwei Bilder, eines bürgerlichen Mannes und seiner Frau, in der Tracht, wie sie vor funfzig oder sechzig Jahren zu sein pflegte. Nacht.

      Luise, an einem Tische, worauf ein Licht steht, strickend. Karoline, in einem Großvatersessel gegenüber, schlafend.

      LUISE einen eben vollendeten gestrickten Strumpf in die Höhe haltend. Wieder ein Strumpf! Nun wollt' ich, der Onkel käme nach Hause, denn ich habe nicht Lust, einen andern anzufangen. Sie steht auf und geht ans Fenster. Er bleibt heut' ungewöhnlich lange weg, sonst kommt er doch gegen eilf Uhr, und es ist jetzt schon Mitternacht. Sie tritt wieder an den Tisch. Was die französische Revolution Gutes oder Böses stiftet, kann ich nicht beurteilen; so viel weiß ich, daß sie mir diesen Winter einige Paar Strümpfe mehr einbringt. Die Stunden, die ich jetzt wachen und warten muß, bis Herr Breme nach Hause kommt, hätt' ich verschlafen, wie ich sie jetzt verstricke, und er verplaudert sie, wie er sie sonst verschlief.

      KAROLINE im Schlafe redend. Nein, nein! Mein Vater!

      LUISE sich dem Sessel nähernd. Was gibt's, liebe Muhme? – Sie antwortet nicht! – Was nur dem guten Mädchen sein mag! Sie ist still und unruhig; des Nachts schläft sie nicht, und jetzt, da sie vor Müdigkeit eingeschlafen ist, spricht sie im Traume. Sollte meine Vermutung gegründet sein? sollte der Baron in diesen wenigen Tagen einen solchen Eindruck auf sie gemacht haben, so schnell und stark? Hervortretend. Wunderst du dich, Luise, und hast du nicht selbst erfahren, wie die Liebe wirkt, wie schnell und wie stark!

      Zweiter Auftritt

      Die


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