Storm. Johannes Anders

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Storm - Johannes Anders


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er damit überfordert, dass es sich nur um ein halbes Gesicht handelte.

      „Dann nehmen wir eben den Chip“, nuschelte Storm und hielt inne. „Weißt du noch, wo ich den hingesteckt habe, Juli?“

      Juli zog den Chip aus der Tasche und hielt ihn an den Türsensor.

      Der Sensor allerdings sendete die Information an einen Empfänger, der dafür ursprünglich nicht vorgesehen war. Derselbe schickte Strom durch einen Stromkreis, den Unbekannte böswillig zugeschaltet hatten. Dieser Strom nötigte hochexplosiven Sprengstoff, den man von innen an der Tür befestigt hatte, zur Explosion. Die schwere Tür war nicht in der Lage, die Wucht der Explosion vollständig abzufangen. Sie zerbarst und flog Storm um die Ohren. Nicht nur das, eine Feuerwalze folgte und fegte Storm durch den Flur zurück, dorthin, wo sie hergekommen war, bis sie sich mehrfach überschlug und bewegungslos vor einem Fahrstuhl liegen blieb.

      3 Prof. Dr. Koranne Fluk

      Prof. Dr. Koranne Fluks Zeitplan war so voll, dass es nicht einmal mehr für einen Kaffee zwischendurch reichte. Schuld daran waren diese überkandidelten Admirale der Expeditionsschiffe, die meinten, jede ihrer Entdeckungen sei so weltbewegend, dass sich der Wissenschaftsrat unbedingt sofort damit befassen müsse. Manchmal kamen sie ihr vor wie kleine Kinder, die ständig nach der Mama riefen: „Hier, ich hab was Tolles im Sandkasten gefunden!“ Und die Mama, na ja, die stellvertretende Mama, das war nun sie selbst, seit sie vor zwei Jahren vom Wissenschaftsrat dazu berufen worden war. Stellvertretende Vorsitzende klang eigentlich nicht nach zu viel Stress, aber die große Chefin meinte ja mal wieder krank sein zu dürfen, was für Koranne die doppelte Arbeit bedeutete.

      „Was haben wir als nächstes?“, fragte sie ihren wissenschaftlichen Mitarbeiter, Dr. Arut Papaver.

      Der zuckte die Schultern. „Das Raumglühen“, antwortete er lakonisch.

      Koranne verdrehte die Augen. Die Soko Raumglühen ging ihr seit Monaten mit täglichen Krisenmeetings auf die Nerven. Dabei war das Raumglühen schon lange nicht mehr aufgetreten. Koranne rechnete auch nicht damit, dass es wieder passieren würde. Die Zeitabstände bis zum nächsten Auftreten hatten sich jeweils exakt halbiert, bis die Sonne Yellowstone verglühte. Danach war Schluss. Man wusste nicht warum, aber nach dem Gesetz der Serie war diese Serie vorbei. Zumindest konnte man das mit einiger Berechtigung hoffen.

      „Also gut“, seufzte Koranne. „Bringen wir es hinter uns.“

      Das Meeting verlief in eingefahrenen Bahnen. Wie schon tags zuvor wurden neuste Simulationen des Raumglühens als Holo abgespult: Plötzlich begann der Raum um ein Sternensystem an drei, vier oder mehr Stellen zu glühen. Die Glutzentren dehnten sich aus, bis sich ihre Ränder innerhalb von Sekunden berührten und ineinander wuchsen. Das Glühen verdichtete sich in einem Blitz, der nichts übrigließ als kosmische Trümmer.

      Am Vortag hatten sich die Wissenschaftler endlos darum gestritten, ob das Glühen im Leerraum entstand oder von Planeten und Monden ausging. Diesmal tischten sie Theorien auf, warum das Glühen nicht wieder aufgetreten war.

      „Wir haben nun endlich die Datenpakete der ALEXANDER VON HUMBOLDT ausgewertet“, erklärte ein Wissenschaftler. „Sie sollen belegen, dass höhere Wesen am Versiegen des Raumglühens beteiligt waren.“

      „Höhere Wesen?“, stöhnte Koranne auf. „Wir haben uns hier doch wohl alle dem Wissen verschrieben und nicht dem Glauben, hoffe ich?“

      „Nun, so hat es uns die Crew der WAMSLER übermittelt. Diese wie auch immer gearteten Wesen retteten zunächst einen Planeten, den man Leftover taufte …“

      „Die WAMSLER? Major McBride?“, vergewisserte sich Koranne.

      „Ja, Major McBride. So heißt der Kommandant der WAMSLER.“

      „Nun, nichts gegen Major McBride, aber wir sollten es nicht wörtlich nehmen, wenn ein Raumschiffskommandant plötzlich höhere Wesen sieht. Wir wissen doch alle, dass diese Leute viel zu lange im All unterwegs sind.“

      „In Anbetracht der dramatischen Folgen können wir es uns aber nicht leisten, auch nur den kleinsten Hinweis zu übersehen“, begehrte der Wissenschaftler auf. „Immerhin wurde ein System der Sternenlichtvereinigung zerstört, die Sonne Ragnir. Wir sind es den Opfern schuldig.“

      Jetzt kam er mit der Opferkeule. Aber auch wenn es keiner aussprechen mochte, ging es in Wahrheit um viel Geld für seinen Forschungsetat. „Niemand will hier die geringsten Kleinigkeiten übersehen“, versuchte Koranne, den Sprecher zu beruhigen. „Verfolgen Sie die Sache mit den höheren Wesen auf jeden Fall weiter. Aber von der Dringlichkeit müssten Sie mich erst noch überzeugen.“

      Sie ließ eine Pause, um ihm die Chance zu geben, Argumente zu äußern. Argumente, warum sie dieses unsägliche Meeting täglich wiederholen sollte.

      „Das Weltraumglühen …“, versuchte es der Wissenschaftler.

      „… ist vorbei“, verkürzte Koranne die Debatte. „Es ist nach dem Auftritt der ,höheren Wesen‘ nicht wieder vorgekommen. Dafür haben wir aber jede Menge andere Probleme. Eines unserer Mitgliedssysteme wurde zum zweiten Mal von Piraten überfallen, die Rohstoffe gehen uns aus, konkurrierende Sternenreiche schnüren uns die Handelsrouten ab und die STEPHEN HAWKING ist nach einem relativistischen Sprung spurlos verschwunden. Außerdem sind die politischen Entscheidungsträger mit dem Wahlkampf beschäftigt. Also suchen Sie ruhig Ihre höheren Wesen, aber erstatten Sie mir nicht öfter als einmal im Monat darüber Bericht. Danke schön.“

      Koranne erhob sich und nickte Dr. Papaver zu, ihr zu folgen.

      „Gott sei Dank hat das tägliche Elend ein Ende“, sagte der, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.

      „Einmal im Monat werde ich es wohl ertragen müssen“, pflichtete Koranne ihm bei. „Was haben wir als nächstes?

      „Charlene Armstrong, Admiralin der FERDINAND MAGELLAN. Sie ist extra nach Mené gekommen, um ihr Anliegen vorzutragen.“

      „Warum das?“

      „Weil es so existenziell wichtig ist.“

      Koranne griff sich an den Kopf. „Noch so eine Verrückte ertrage ich heute nicht. Verschieben Sie den Termin auf morgen, ich brauche jetzt einen Kaffee.“

      „Morgen haben wir nichts mehr frei.“

      „Dann eben nächste Woche.“

      Mach die Augen auf!, verlangte eine Stimme. Sie hatte einen vertrauten Klang, aber sie war sehr weit weg. Und sie war sehr hartnäckig. Mach die Augen auf!, verlangte sie immer wieder.

      Nein, sie wollte die Augen nicht öffnen. Sie war noch nicht bereit.

       Mach die Augen auf! Du hast Besuch. Deine Freunde sind da.

      Nein, das konnte nicht sein. Sie hatte keine Freunde. Die Stimme log.

       Mach die Augen auf!

      Gib endlich Ruhe!, zeterte sie. Ich bin so müde. Ich will nicht mehr aufwachen.

       Deine Freunde warten.

       Ich habe keine Freunde.

       Vielleicht weißt du nicht, dass du Freunde hast. Aber sie sind trotzdem da.

      Storm schlug die Augen auf. Die gesamte Crew der Mag-5 stand um ihr Bett herum und beobachtete sie sorgenvoll.

      „Haaaa!“, schrie sie vor Schreck und richtete sich auf. „Was wollt ihr alle von mir?“

      „Gott sei Dank, sie ist aufgewacht“ seufzte Zaya erleichtert. Auch die anderen entspannten sich.

      „Wo bin ich, was ist passiert?“, fragte Storm.

      „Jemand hat einen Anschlag auf dich verübt“, erklärte Zaya. „An der Tür deines Hotelzimmers war eine Bombe angebracht. Du hast Glück, dass du die Tür mit der rechten Hand geöffnet hast. Dadurch hat die Wucht der Explosion deine Roboterseite


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