Die Steppe. James Fenimore Cooper

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Die Steppe - James Fenimore Cooper


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Wache gestellt war. Der Wilde, der ohne Zweifel seine geheimen Verhaltungsbefehle hatte, begnügte sich jedoch für jetzt mit seiner Streitaxt eine bedeutungsvolle Bewegung zu machen, die Ellen schnellen Untergang drohte. Als er auf diese ausdrucksvolle Weise seinen männlichen Gefangenen das Schicksal angedeutet, das auf das geringste Geräusch von ihrer Seite sogleich ihre Gefährtin treffen würde, begnügte er sich damit, während der ganzen folgenden Scene, ein strenges, tiefes Schweigen zu beobachten. Dieses unerwartete Verbot von Weucha's Seite erlaubte dem Streifschütz und seinen beiden Genossen, ungetheilt ihre Aufmerksamkeit auf das Wenige zu richten, was sie von den für sie so wichtigen Bewegungen vor ihren Augen bemerken konnten.

      Mahtoree nahm die zu treffenden Vorkehrungen ganz allein auf sich. Er bestimmte genau die Stelle, die Jeder einnehmen sollte, wie einer, der mit seinem Gefolge genau vertraut ist, und man folgte ihm mit der Unterwerfung und Schnelle, womit ein Indianer den Anordnungen seines Oberhauptes im Augenblick des Streits zu gehorchen pflegt. Die schickte er rechts, jene links. Jeder ging mit dem geräuschlosen, schnellen Schritt, der dieser Menschenrace eigenthümlich ist, bis sie alle ihre angewiesenen Standpunkte besetzt hatten, — zwei ausgenommen, die in der Nähe ihres Führers blieben. Als die Uebrigen weg waren, wandte sich Mahtoree zu diesen auserwählten Gefährten, und bedeutete sie durch ein Zeichen, daß der entscheidende Augenblick gekommen, wo die Unternehmung, die er beabsichtigte, ausgeführt werden sollte.

      Jeder legte die leichte Flinte, die er in Folge seines Rangs trug, bei Seite, entledigte sich aller äußern, schweren Kleidungsstücke, und stand bald da, wie eine dunkle, stolze Bildsäule, in der Stellung und fast auch in der Bekleidung der Natur. Mahtoree sah, ob seine Streitaxt an ihrem Ort, ob sein Messer sicher in der Scheide war, band seinen Gürtel fester, und sorgte dafür, daß die Schnüre seiner befranzten und sehr geschmückten Halbstiefel in Ordnung und ihm bei seinem Zug nicht hinderlich seien. So in allem bereit, und fertig zu seiner gewagten Unternehmung, gab der Teton-Häuptling das Zeichen, anzufangen.

      Die drei gingen in einer Linie mit dem Lager der Auswanderer vorwärts, bis in dem dunkeln Licht, wodurch sie gesehen wurden, ihre schwarzen Gestalten fast gänzlich den Augen der Gefangenen entschwanden. Hier standen sie still und sahen sich um, als ob sie erst die Folgen bedächten und erwögen, ehe sie einen entscheidenden Schritt thun wollten. Dann zusammensinkend, verloren sie sich im Gras der Steppe.

      Die Noth und Angst der verschiedenen Zuschauer bei diesen drohenden Bewegungen, auf deren Ausgang sie so begierig waren, läßt sich leicht denken. Was auch immer die Ursachen sein mochten, warum Ellen keine besondere Zuneigung zu der Familie hatte, worin sie der Leser zuerst gesehen, so ließen schon die Gefühle ihres Geschlechts und vielleicht auch ein noch glimmender Rest von Dankbarkeit, Besorgnis! in ihrem Herzen erwachen. Mehr als einmal fühlte sie sich versucht, der großen und augenblicklichen Gefahr, die einem solchen Beginnen folgen mußte, zu trotzen, und ihre schwache, in Wahrheit unmächtige Stimme zu einem Warnungsruf zu erheben. So stark in der That, und so sehr natürlich war dies Verlangen, daß sie es sehr wahrscheinlich in Ausführung würde gebracht haben, wären Paul Hovers oft wiederholte, obgleich nur zugelispelte Vorstellungen nicht gewesen. In der Brust des jungen Bienenjägers selbst war eine eigene Mischung von Bewegungen. Seine erste und Hauptsorge war natürlich seine liebliche und hülflose Gefährtin; aber mit dem Gefühl für ihre Gefahr einte sich in der Brust des furchtlosen Waldmanns ein wildes Verlangen, an der Schlacht Theil zu nehmen, das gar nicht mißfiel. Obgleich durch noch schlaffere Bande als Ellen mit den Auswanderern verbunden, verlangte es ihn doch, das Knallen ihrer Flinten zu hören, und, hätten es die Umstände erlaubt, er wäre der Erste gewesen, der ihnen zu Hülfe geeilt. Es gab in der That Augenblicke, wo auch er eine fast unwiderstehliche Lust in sich spürte, fortzueilen und die sorglosen Schläfer zu wecken, aber ein Blick auf Ellen war hinreichend, seine wankende Klugheit zu stärken, und ihn auf die Folgen aufmerksam zu machen. Der Streifschütz allein blieb ruhig und beobachtend, als wäre nichts vorgefallen, was seine persönliche Ruhe und Sicherheit gefährde. Seine immer bewegten, wachsamen Augen merkten auf die geringste Veränderung; seine Stellung war so, daß man sah, er sei zu lange an Scenen der Gefahr gewöhnt, um leicht bewegt zu werden; und aus seinem Ausdruck sprach kalte Berechnung, die die Absicht, die er wirklich hegte, andeutete, er werde das geringste Versehen der Wache benutzen.

      Indeß waren die Teton-Krieger nicht müßig gewesen. Das hohe Gestrüpp, das in diesen Gründen wuchs, benutzend, waren sie durch das dichte Gras, wie verrätherische Schlangen, die sich auf ihren Raub schleichen, fortgekrochen, bis sie einen Punct erreichten, wo ganz außerordentliche Vorsicht bei ihrem fernern Fortschreiten nöthig ward. Mahtoree allein hatte zu gewissen Zeiten sein dunkles, wildes Antlitz über das Gras erhoben, und strengte seine Augen an, die Finsterniß, welche die Grenze des Gehölzes umfing, zu durchdringen. Bei diesem schnellen Aufblicken gewann er, vereinigt mit dem, was er bei seinem frühern Forschen über die Gegend erfahren hatte, hinlängliche Kenntniß, um sich der Stellung seiner Opfer zu bemeistern, wenn er auch noch ganz in Unwissenheit über ihre Anzahl und Vertheidigungsmittel blieb.

      Seine Bemühungen, sich auch über diese zwei wesentliche Puncte die nöthige Kenntniß zu verschaffen, wurden durch die Ruhe im Lager gänzlich vereitelt; — es herrschte tiefe Stille, wie im Lager der Todten. Zu vorsichtig und mißtrauisch, um in so zweifelhaften Fallen sich auf das Benehmen eines weniger Festen und Listigen, als er selbst zu verlassen, hieß der Dahcotah seine Gefährten bleiben, wo sie lagen, und setzte das Wagniß allein fort.

      Mahtoree's Fortschreiten ward jetzt langsam, und für einen an solche Bewegungen weniger Gewöhnten würde es qualvoll, mühsam gewesen sein. Aber selbst der listigen Schlange Nahen ist nicht sicherer und geräuschloser als sein Kommen war. Er zog seine Gestalt, Fuß für Fuß, durch das hohe Gras fort, und hielt nach jeder Bewegung, das geringste Geräusch aufzufangen, das einige Nachricht über die Wanderer in seiner Nähe geben könnte. So hatte er sich endlich aus dem falben Mondlicht in den Schatten des Gehölz glücklich fortgezogen, wo nicht nur seine eigene schwarze Person weniger leicht gesehen werden konnte, wo auch die ihn umgebenden Gegenstände deutlicher seinen scharfen, kühnen Blicken sich zeigten.

      Hier stand der Teton lange, vorsichtig seine Beobachtungen zu machen, ehe er sich weiter wage. Durch seine Stellung ward es ihm möglich, von dem ganzen Lager mit seinem Zelt, seinen Wagen und Hütten sich ein dunkles aber fest begrenztes Seitenbild zu verschaffen, wonach der geübte Krieger ziemlich genau die Stärke berechnen konnte, der er begegnen sollte. Noch herrschte unnatürliche Stille an dem Ort, als wenn die Leute selbst das leise Athmen des Schlafs unterdrückten, um ihr Vertrauen noch deutlicher zu zeigen. Der Häuptling neigte sein Ohr zur Erde, und lauschte aufmerksam. Er wollte sich, in seiner Erwartung getäuscht, wieder aufrichten, als ein langer, zitternder Athemzug eines, der nur wenig schlief, zu seinem Ohr drang. Der Indianer war zu erfahren in allen Arten der Täuschung, um selbst das Opfer einer gewöhnlichen List zu werden. Er sah, der Ton war natürlich, das ihm eigene Zittern zeigte es, und so unterbrach er seine Untersuchung nicht länger.

      Ein Mann von geringerem Muth als der stattliche, siegreiche Mahtoree würde für all die Gefahren, denen er jetzt so furchtlos entgegen ging, nicht unempfindlich gewesen sein. Der Ruhm dieser kühnen, kraftvollen weißen Abenteurer, welche so oft in die Wildnisse drangen, die sein Volk bewohnte, war ihm wohlbekannt; aber während er sich mit der Achtung und Vorsicht näherte, die ein tüchtiger Feind immer einflößt, fühlte er auch den rachsüchtigen Aerger eines Rothen, der beleidigt und erbost ist über die ungerechten Einfälle des Fremden.

      Die Richtung seines früheren Wegs verlassend, schlich der Teton jetzt gerade nach der Gränze des Gehölzes zu. Als er diesen Punct erreicht, stand er auf, und übersah noch besser die ganze Gegend.

      Ein Augenblick reichte hin, ihm die Stelle zu zeigen, wo der arglose Wanderer lag. Der Leser wird leicht errathen, daß der Wilde in die gefährliche Nähe eines der trägen Söhne Ismael's gekommen war, die mit der Wache über das einsame Lager der Wanderer beauftragt worden.

      Als er sich versichert, daß er unentdeckt geblieben, näherte sich der Dahcotah und neigte, vorwärts gebeugt, sein schwarzes Antlitz über den Schläfer, ganz so arglos und geschmeidig, wie man oft eine Schlange mit ihrem Opfer spielen sieht, ehe sie ihm den Tod gibt. Endlich, durch seine Untersuchung nicht nur über den Stand, sondern auch den Charakter des Fremden belehrt, wollte Mahtoree eben den Kopf wegwenden, als eine geringe


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