Die Steppe. James Fenimore Cooper

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Die Steppe - James Fenimore Cooper


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der Teton-Krieger auf diese Art seine schwierige und ihn so sehr bezeichnende Aufgabe löste, unterbrach kein Laut die Stille der umliegenden Steppe. Die ganze Bande lag auf ihren verschiedenen Posten und wartete mit der bekannten Geduld der Eingebornen auf das Zeichen, das sie zum Handeln aufrufen sollte. Den Augen der angstvollen und sehr dabei interessirten Zuschauer, welche die kleine Erhöhung einnahmen, die wir schon als die Stellung der Gefangenen beschrieben haben, zeigte die Scene nur die weite, große Aussicht auf die Wüste, die dunkel von den glimmernden Strahlen eines umwölkten Monds erleuchtet ward. Die Stelle des Lagers war durch ein noch tieferes Dunkel als die schwach beschatteten Niederungen bezeichnet, und hier und da traf ein hellerer Strahl die wellenförmigen Gipfel der Anhöhen. Im Uebrigen die tiefe, ergreifende, lautlose Stille der Wüste.

      Aber denen, die so wohl wußten, was unter diesem Mantel der Stille und Nacht brütete, war es eine Scene hoher, stürmischer Bewegung. Ihre Angst ward immer größer, als Minute auf Minute vorüberging, und nicht der geringste Laut des Lebens aus der Stille und Dunkelheit heraufkam, die das Gehölz umgab. Paul's Athmen ward lauter und tiefer, und Ellen zitterte mehr als einmal, ohne zu wissen worüber, als sie das Zucken seiner kräftigen Gestalt fühlte, während sie sich zur Stütze in voller Hingebung auf seinen Arm lehnte.

      Weucha's schwankende Ehrlichkeit und seine nachstellende Einfalt wurden schon erwähnt. Der Leser wird also nicht erstaunen, wenn er hört, daß er zuerst die Vorschriften vergaß, die er selbst gegeben. Gerade den Augenblick, wo wir Mahtoree in fast unbeherrschter Freude verließen, als er die Menge und Beschaffenheit der Lastthiere Ismael's übersah, wählte der Mann, den er mit der Wache über seine Gefangene beauftragt, um sich dem boshaften Vergnügen hinzugeben, die zu peinigen, welche zu schützen seine Pflicht gewesen wäre. Er neigte sein Haupt zu den Ohren des Streifschützen und lispelte nicht, sondern brummte:

      „Wenn die Teton ihr Oberhaupt durch die Hand der Lang-Messer verlieren, dann stirbt Alt und Jung."

      „Das Leben gibt Wahcondah," war die ruhige Antwort. „Der schwarzgebrannte Krieger muß seinem Gesetz sich unterwerfen, wie seine andern Kinder. Der Mensch stirbt nur, wenn er es befiehlt, und kein Dahcotah kann die Stunde beschleunigen."

      „Sieh'," erwiederte der Wilde, und die Klinge des Messers fuhr an dem Gesicht seines Gefangenen vorbei, „Weucha ist der Wahcondah eines Hunds."

      Der alte Mann schlug die Augen zu dem stolzen Gesicht seines Wärters auf, und ein Blick edlen, kräftigen Unwillens schoß aus ihren tiefen Höhlen; aber schnell war es vorüber, und an seine Stelle trat Ausdruck des Mitleids, wenn nicht des Kummers.

      „Warum sollt' Einer nach dem wahren Ebenbild Gottes sich über ein Wesen erzürnen, das nur die Gestalt eines Vernünftigen hat," sagte er auf englisch, und viel lauter, als Weucha die Unterredung begonnen. Dieser benutzte das unbeabsichtigte Vergehen seines Gefangenen, ergriff ihn bei den dünnen, grauen Locken, die unter seiner Mütze hervordrangen und wollte sie in boshaftem Triumph durch die Messerklinge aus der Wurzel vertilgen, als ein langer, greller Schrei die Luft durchdrang, der alsbald aus der umliegenden Wüste wiederhallte, als ob tausend Dämonen ihre Kehlen bei dem Aufruf vereinigt hatten. Weucha ließ los, und stieß einen Ruf wilden Frohlockens aus.

      „Nun!" rief Paul, unvermögend, seine Ungeduld länger zu beherrschen; „nun, alter Ismael, kommt die Zeit, zu zeigen, daß das Blut von Kentucky in deinen Adern fließt. Feuert niedrig, Jungen; zielt in's Gestrüpp; denn die rothen Häute kriechen am Boden."

      Seine Stimme verlor sich jedoch, oder ward vielmehr mitten in dem Geschrei, dem Schießen und Lärmen nicht beachtet, der um diese Zeit aus tausend Kehlen auf allen Seiten von ihm sich erhob. Die Wache behauptete noch ihren Posten bei den Gefangenen; aber mit der Mühe, womit die Pferde bei der Eilpost zurückgehalten werden, wenn sie das Zeichen, ihren schnellen Lauf zu beginnen, erwarten. Sie schlugen mit ihren Armen wild in der Luft herum, sprangen auf und nieder, mehr wie jauchzende Kinder, als wie nüchterne Männer, und fuhren fort, das lauteste, wildeste Geschrei auszustoßen.

      Mitten in dieser lärmvollen Unordnung hörte man ein trampelndes Getöse, ähnlich dem, welches der Flucht eines Büffelhaufens vorauszugehen pflegt, und dann kamen Ismael's Heerden und Vieh zu Gesicht, ein verwirrter, erschreckter Trupp.

      „Sie haben dem armen Wanderer seine Thiere genommen," sagte der auf Alles aufmerksame Streifschütz. „Die Schlangen haben ihm nicht einen Huf gelassen." — Er sprach noch, als der ganze Haufen des erschreckten Viehs die kleine Anhöhe heraufkam und auf die Stelle zueilte, wo er stand, getrieben von einer Bande schwarzer, teuflisch aussehender Gestalten, welche wie toll zur Eile trieben.

      Diese Eile theilte sich den Teton-Pferden mit, welche seit lange gewohnt waren, an den wilden Leidenschaften ihrer Herren Theil zu nehmen und nur mit Mühe konnten ihre Eigenthümer sie zurückhalten. In diesem Augenblick, während aller Augen auf den vorübereilenden Wirbelwind von Menschen und Thieren gerichtet waren, entwand der Streifschütz den Händen seines unaufmerksamen Wächters das Messer, mit einer Gewalt, der sein Alter nicht zu entsprechen schien, und trennte mit einem einzigen Hieb das lederne Band, welches das ganze Rudel vereinigte. Die wilden Thiere wieherten vor Freude und Schrecken, schlugen den Boden mit ihren Hufen und stoben davon in die weiten Steppen nach allen verschiedenen Richtungen hin.

      Weucha wandte sich gegen den Angreifer mit der Wuth und Behendigkeit eines Tiegers. Er griff nach der Waffe, der er so plötzlich war beraubt worden, suchte mit unmächtiger Hast nach dem Griff seiner Streitaxt und warf zu gleicher Zeit seine Blicke nach den fliehenden Thieren mit allem Verlangen eines Westindiers. Der Kampf zwischen Durst nach Rache und Habgier war kurz aber heftig. Die letztere erhielt leicht in der Seele eines Menschen das Uebergewicht, dessen Leidenschaften, nach dem Sprichwort, auf dem Bode krochen, und kaum ein Augenblick verfloß zwischen der Flucht der Thiere und dem schnellen Verfolgen der ganzen Wache. Der Streifschütz hatte seinen Feind, während der Augenblicke des Zweifels, die seiner gewagten That folgten, fortwährend ruhig im Auge behalten, und sagte jetzt, als Weucha seinen Gefährten folgte, indem er nach dem dunkeln Zug hindeutete, mit seinem tiefen, kaum hörbaren Lachen.

      „Roth ist roth, mag es sich auf der Steppe zeigen oder im Wald. Ein Schlag auf den Kopf wäre die geringste Belohnung für Jeden gewesen, der sich eine solche Freiheit mit einer christlichen Schildwache herausgenommen; aber da geht der Teton nach seinen Pferden, als halte er zwei Beine für so gut, als vier bei einem solchen Lauf! — Und doch werden die Schelme jeden Huf von ihnen vor Sonnenaufgang wieder haben, weil hier Verstand gegen Instinct ist. Ein armer Verstand, freilich, aber selbst noch ein Indianer ist ein großer Theil vom Menschen. Ja, ihr Delawarer, ihr wäret die Rothhäute, worauf Amerika stolz sein könnte; aber gering und zerstreut ist das mächtige Volk jetzt. — Nun, der Wanderer mag eben seine Hütte aufschlagen, wo er gerade jetzt ist; er hat Ueberfluß an Wasser, obgleich die Natur des Vergnügens ihn beraubt hat, die Erde ihrer rechtmäßigen Bäumen zu entblößen. Er hat den letzten seiner vierfüßigen Gefährten gesehen, oder ich verstehe mich schlecht auf Sioux-List."

      „Wär's nicht besser, wir nähmen Ismael's Partei?" sagte der Bienenjäger. „Es gibt einen regelmäßigen Kampf darum, oder der alte Bursche müßte plötzlich feigherzig geworden sein."

      „Nein, nein, nein," rief hastig Ellen.

      Sie ward vom Streifschützen unterbrochen, der leise seine Hand auf sie legte, als er antwortete:

      „Hst, hst! Reden könnte uns Gefahr bringen. Ist Euer Freund“ fuhr er zu Paul gewandt fort, „ein Mann von Klugheit genug".

      „Nennt nicht den Wanderer meinen Freund“ unterbrach ihn der Jüngling. „Ich wohnte nie mit Einem, der nicht Brief und Siegel für das Land zeigen konnte, das ihn nährte."

      „Gut, gut. Laßt ihn dann einen Bekannten sein. Ist er ein Mann, der sein Eigenthum tapfer mit Pulver und Blei behaupten kann?"

      „Sein Eigenthum! Ei! Und auch, was nicht sein Eigenthum ist, das auch! Könnt Ihr mir sagen, alter Streifschütz, wer die Flinte trug, die dem Abgesandten des Sherifs den Garaus machte, der die ungesetzlichen Ansiedler, die sich am Büffel-See in Alt-Kentucky gesammelt hatten, wegjagen wollte. Ich hatte einen prächtigen Schwarm eben diesen Tag bis in die Höhlung einer abgestorbenen Buche verfolgt, und da lag der Beamte des Volks an ihrem


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