Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band. Walter Brendel

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Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band - Walter Brendel


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- wurde ausgeschöpft. Die Erwartungen der strafrechtlichen „Vergangenheitspolitik“ gegenüber der Justiz waren entsprechend groß. Es kursierte das Wort vom „kreativen Juristen“, der das Unrecht greifen könne. Wo es zu „kreativ“ wurde, musste diese „Vergangenheitspolitik“ durch die höchsten deutschen Gerichte korrigiert werden. Interventionen des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesarbeitsgerichts betrafen rigide Entlassungen im öffentlichen Dienst. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das „Rentenstrafrecht“ für verfassungswidrig, ohne es gänzlich zu beseitigen. Dasselbe Gericht machte Schluss mit der Praxis der Berufsverbote gegenüber Rechtsanwälten und Notaren. Für nicht verfassungskonform wurde auch die Praxis der Verurteilungen von DDR-Spionen erklärt. Der Bundesgerichtshof schränkte die Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung von Richtern und Staatsanwälten der DDR deutlich ein und korrigierte auch ein solch kurioses Verfahren wie das gegen Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah, ausreisewillige DDR-Bürger als Vermittler erpresst zu haben. Problematisch blieben hingegen die vom BGH abgesegneten bizarren Verfahren gegen Erich Mielke wegen der Polizistenmorde von 1931 sowie gegen Alexander Schalck-Golodkowski wegen Verstoßes gegen Embargo-Vorschriften. Im Mielke-Prozess hätten die Verjährung und die zweifelhafte Beweislage anerkannt werden können, bei Schalck fällt die fragwürdige Anwendung eines Gesetzes der Militärregierungen von 1949 auf. Bedenkt man die bisher skizzierten Umstände, dann erscheint es berechtigt, den DEUTSCHEN SONDERWEG vor allem als logisch und systemimmanent zu kennzeichnen und zugleich die Frage zu stellen, ob er auch vernünftig und notwendig war. Strafrecht im klassischen Sinne galt eher als Strafrecht für den Fall des „normalen Verbrechens“. Eine strafrechtliche Reaktion auf staatliches Unrecht schien nicht in dieses Gefüge zu passen. Das war und ist beim Völkerstrafrecht anders. Gerade in jüngster Zeit lassen sich dabei Fortschritte verzeichnen - auch hinsichtlich der Beachtung im nationalen Recht. Man denke an das Statut von Rom für einen ständigen INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOF, die begonnene Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen in Chile und Argentinien. Diese Entwicklungen sind indes nur eine Seite des strafrechtlichen Schutzes der Menschenrechte. Die andere besteht darin, auch mit dem nationalen Strafrecht nach dem Untergang diktatorischer Systeme eine solche Schutzfunktion zu entwickeln. Es geht letztlich um die Frage nach Leitlinien für ein menschenrechtsschützendes Strafrecht.

      Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.

      Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.

      Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.

      Das Bundesverfassungsgericht wird nur auf Antrag tätig. Ein Katalog von Verfahrensarten schreibt vor, wann das Gericht angerufen werden kann. Die Einzelheiten sind im Grundgesetz und im „Gesetz über das Bundesverfassungsgericht“ geregelt. Die wichtigsten Verfahren sind folgende:

      Die Verfassungsbeschwerde

      Jeder, der sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten verletzt fühlt, kann eine Verfassungsbeschwerde erheben. Sie kann sich gegen die Maßnahme einer Behörde, gegen das Urteil eines Gerichts oder gegen ein Gesetz richten.

      Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. Sie ist anzunehmen, wenn ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, wenn die geltend gemachte Grundrechtsverletzung besonderes Gewicht hat oder wenn der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht. Über diese Annahmevoraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht vor einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde selbst zu befinden.

      Die Verfassungsbeschwerde ist in der Regel erst zulässig, nachdem die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer die sonst zuständigen Gerichte erfolglos angerufen hat. Verschiedene Einlegungsfristen sind zu beachten. Die Verfassungsbeschwerde muss schriftlich eingereicht und begründet werden. Es besteht kein Anwaltszwang. Das Verfahren ist kostenlos. In Missbrauchsfällen kann eine Gebühr bis 2.600,- Euro auferlegt werden.

      Das Bundesverfassungsgericht prüft nur die Einhaltung der Grundrechte. Die Beurteilung sonstiger Rechtsfragen und die Feststellung von Tatsachen obliegt allein den übrigen Gerichten. Sofern dabei keine Grundrechte verletzt wurden, ist das Bundesverfassungsgericht an diese Entscheidungen gebunden.

      Von 1951 bis Ende 1988 wurden 71.447 Verfassungsbeschwerden erhoben, seitdem hat sich die Zahl weit mehr als verdoppelt und ist bis Ende 2009 auf insgesamt 175.900 Beschwerden angestiegen und liegt, bedingt auch durch die Thematik von Corona-Maßnahmen jetzt bei über 200 000. Nur ca 2,5 Prozent Verfassungsbeschwerden waren erfolgreich. Trotz dieser geringen Zahl ist die Verfassungsbeschwerde ein bedeutender Rechtsbehelf. Eine stattgebende Entscheidung kann Wirkungen haben, die weit über den Einzelfall hinausreichen.

      Nur das Bundesverfassungsgericht darf feststellen, dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Wenn ein anderes Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält und es deshalb nicht anwenden will, muss es zu vor die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einholen (konkrete Normenkontrolle). Darüber hinaus können die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm überprüfen lassen (abstrakte Normenkontrolle).

      Das Bundesverfassungsgericht kann auch dann angerufen werden, wenn zwischen Verfassungsorganen oder zwischen Bund und Ländern Meinungsverschiedenheiten über die gegenseitigen verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten bestehen (Organstreit, Bund-Länder-Streit). Gegenstand eines Organstreits können beispielsweise Fragen des Parteien-, Wahl- oder Parlamentsrechts sein. Im Bund-Länder-Streit geht es häufig um Kompetenzprobleme. Ferner ist das Gericht unter anderem auch für Wahlprüfungsbeschwerden, Parteiverbote und Verfassungsbeschwerden von Gemeinden zuständig.

      Das Bundesverfassungsgericht besteht aus sechzehn Richterinnen und Richtern. Die eine Hälfte wählt der Bundestag, die andere der Bundesrat, jeweils mit Zweidrittelmehrheit. Die Amtszeit beträgt zwölf Jahre. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Das Gericht entscheidet durch einen Senat oder eine Kammer.

      Das Gericht setzt sich aus zwei Senaten mit jeweils acht Mitgliedern zusammen. Die Zuständigkeit für Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollen ist auf beide Senate verteilt. In allen übrigen Verfahren entscheidet ausschließlich der Zweite Senat.

      In den beiden Senaten gibt es je drei Kammern mit jeweils drei Mitgliedern. Die Kammern befinden vor allem darüber, ob eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen wird. Im Falle der Nichtannahme ist das Verfahren beendet. Die Kammer kann einer Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. In Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet jedoch stets der Senat.

      In der Öffentlichkeit ist das Gericht in erster Linie durch die Senatsverfahren bekannt. Nur die Senate führen mündliche Verhandlungen durch. Einen umfangreichen Teil der Arbeit erledigen aber die Kammern. Die Kammern entlasten die Senate erheblich. Angesichts der hohen Zahl der Verfahren ist das auch erforderlich. Derzeit gehen jährlich ca. 6.000 Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein.

      Das Plenum besteht aus allen sechzehn Mitgliedern des Gerichts. Es entscheidet, wenn ein Senat von der Rechtsauffassung des anderen Senats abweichen will. Daneben hat es organisatorische Aufgaben. Es regelt im Rahmen des Gesetzes die Zuständigkeit der Senate. Diese Bestimmung erfolgt jährlich im Voraus.

      Das


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