Die Wahlverwandtschaften. Johann Wolfgang von Goethe

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Die Wahlverwandtschaften - Johann Wolfgang von Goethe


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über Steine.

      Wollten die Leute mit Hand anlegen, so würde kein großer Zuschuß nötig sein, um hier eine Mauer im Halbkreis aufzuführen, den Weg dahinter bis an die Häuser zu erhöhen, den schönsten Raum herzustellen, der Reinlichkeit Platz zu geben und durch eine ins Große gehende Anstalt alle kleine, unzulängliche Sorge auf einmal zu verbannen«.

      »Laß es uns versuchen!« sagte der Hauptmann, indem er die Lage mit den Augen überlief und schnell beurteilte.

      »Ich mag mit Bürgern und Bauern nichts zu tun haben, wenn ich ihnen nicht geradezu befehlen kann«, versetzte Eduard.

      »Du hast so unrecht nicht«, erwiderte der Hauptmann; »denn auch mir machten dergleichen Geschäfte im Leben schon viel Verdruß.

      Wie schwer ist es, daß der Mensch recht abwäge, was man aufopfern muß gegen das, was zu gewinnen ist, wie schwer, den Zweck zu wollen und die Mittel nicht zu verschmähen!

      Viele verwechseln gar die Mittel und den Zweck, erfreuen sich an jenen, ohne diesen im Auge zu behalten.

      Jedes Übel soll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorschein kommt, und man bekümmert sich nicht um jenen Punkt, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt, woher es wirkt.

      Deswegen ist es so schwer, Rat zu pflegen, besonders mit der Menge, die im Täglichen ganz verständig ist, aber selten weiter sieht als auf morgen.

      Kommt nun gar dazu, daß der eine bei einer gemeinsamen Anstalt gewinnen, der andre verlieren soll, da ist mit Vergleich nun gar nichts auszurichten.

      Alles eigentlich gemeinsame Gute muß durch das unumschränkte Majestätsrecht gefördert werden«.

      Indem sie standen und sprachen, bettelte sie ein Mensch an, der mehr frech als bedürftig aussah.

      Eduard, ungern unterbrochen und beunruhigt, schalt ihn, nachdem er ihn einigemal vergebens gelassener abgewiesen hatte.

      Als aber der Kerl sich murrend, ja gegenscheltend mit kleinen Schritten entfernte, auf die Rechte des Bettlers trotzte, dem man wohl ein Almosen versagen, ihn aber nicht beleidigen dürfe, weil er so gut wie jeder andere unter dem Schutze Gottes und der Obrigkeit stehe, kam Eduard ganz aus der Fassung.

      Der Hauptmann, ihn zu begütigen, sagte darauf: »laß uns diesen Vorfall als eine Aufforderung annehmen, unsere ländliche Polizei auch hierüber zu erstrecken!

      Almosen muß man einmal geben; man tut aber besser, wenn man sie nicht selbst gibt, besonders zu Hause.

      Da sollte man mäßig und gleichförmig in allem sein, auch im Wohltun.

      Eine allzu reichliche Gabe lockt Bettler herbei, anstatt sie abzufertigen, dagegen man wohl auf der Reise, im Vorbeifliegen, einem Armen an der Straße in der Gestalt des zufälligen Glücks erscheinen und ihm eine überraschende Gabe zuwerfen mag.

      Uns macht die Lage des Dorfes, des Schlosses eine solche Anstalt sehr leicht; ich habe schon früher darüber nachgedacht.

      An dem einen Ende des Dorfes liegt das Wirtshaus, an dem andern wohnen ein Paar alte, gute Leute; an beiden Orten mußt du eine kleine Geldsumme niederlegen.

      Nicht der ins Dorf Hereingehende, sondern der Hinausgehende erhält etwas; und da die beiden Häuser zugleich an den Wegen stehen, die auf das Schloß führen, so wird auch alles, was sich hinaufwenden wollte, an die beiden Stellen gewiesen«.

      »Komm«, sagte Eduard, »wir wollen das gleich abmachen; das Genauere können wir immer noch nachholen«.

      Sie gingen zum Wirt und zu dem alten Paare, und die Sache war abgetan.

      »Ich weiß recht gut«, sagte Eduard, indem sie zusammen den Schloßberg wieder hinaufstiegen, »daß alles in der Welt ankommt auf einen gescheiten Einfall und auf einen festen Entschluß.

      So hast du die Parkanlagen meiner Frau sehr richtig beurteilt und mir auch schon einen Wink zum Bessern gegeben, den ich ihr, wie ich gar nicht leugnen will, sogleich mitgeteilt habe«.

      »Ich konnte es vermuten«, versetzte der Hauptmann, »aber nicht billigen.

      Du hast sie irregemacht; sie läßt alles liegen und trutzt in dieser einzigen Sache mit uns; denn sie vermeidet davon zu reden und hat uns nicht wieder zur Mooshütte eingeladen, ob sie gleich mit Ottilien in den Zwischenstunden hinaufgeht«.

      »Dadurch müssen wir uns«, versetzte Eduard, »nicht abschrecken lassen.

      Wenn ich von etwas Gutem überzeugt bin, was geschehen könnte und sollte, so habe ich keine Ruhe, bis ich es getan sehe.

      Sind wir doch sonst klug, etwas einzuleiten!

      Laß uns die englischen Parkbeschreibungen mit Kupfern zur Abendunterhaltung vornehmen, nachher deine Gutskarte!

      Man muß es erst problematisch und nur wie zum Scherz behandeln; der Ernst wird sich schon finden«.

      Nach dieser Verabredung wurden die Bücher aufgeschlagen, worin man jedesmal den Grundriß der Gegend und ihre landschaftliche Ansicht in ihrem ersten, rohen Naturzustande gezeichnet sah, sodann auf andern Blättern die Veränderung vorgestellt fand, welche die Kunst daran vorgenommen, um alles das bestehende Gute zu nutzen und zu steigern.

      Hievon war der Übergang zur eigenen Besitzung, zur eignen Umgebung und zu dem, was man daran ausbilden könnte, sehr leicht.

      Die von dem Hauptmann entworfene Karte zum Grunde zu legen, war nunmehr eine angenehme Beschäftigung; nur konnte man sich von jener ersten Vorstellung, nach der Charlotte die Sache einmal angefangen hatte, nicht ganz losreißen.

      Doch erfand man einen leichtern Aufgang auf die Höhe; man wollte oberwärts am Abhange vor einem angenehmen Hölzchen ein Lustgebäude aufführen; dieses sollte einen Bezug aufs Schloß haben; aus den Schloßfenstern sollte man es übersehen, von dorther Schloß und Gärten wieder bestreichen können.

      Der Hauptmann hatte alles wohl überlegt und gemessen und brachte jenen Dorfweg, jene Mauer am Bache her, jene Ausfüllung wieder zur Sprache.

      »Ich gewinne«, sagte er, »indem ich einen bequemen Weg zur Anhöhe hinaufführe, gerade soviel Steine, als ich zu jener Mauer bedarf. Sobald eins ins andre greift, wird beides wohlfeiler und geschwinder bewerkstelligt«.

      »Nun aber«, sagte Charlotte, »kommt meine Sorge.

      Notwendig muß etwas Bestimmtes ausgesetzt werden; und wenn man weiß, wieviel zu einer solchen Anlage erforderlich ist, dann teilt man es ein, wo nicht auf Wochen, doch wenigstens auf Monate.

      Die Kasse ist unter meinem Beschluß; ich zahle die Zettel, und die Rechnung führe ich selbst«.

      »Du scheinst uns nicht sonderlich viel zu vertrauen«, sagte Eduard.

      »Nicht viel in willkürlichen Dingen«, versetzte Charlotte. »Die Willkür wissen wir besser zu beherrschen als ihr«.

      Die Einrichtung war gemacht, die Arbeit rasch angefangen, der Hauptmann immer gegenwärtig und Charlotte nunmehr fast täglich Zeuge seines ernsten und bestimmten Sinnes.

      Auch er lernte sie näher kennen, und beiden wurde es leicht, zusammenzuwirken und etwas zustande zu bringen.

      Es ist mit den Geschäften wie mit dem Tanze: Personen, die gleichen Schritt halten, müssen sich unentbehrlich werden, ein wechselseitiges Wohlwollen muß notwendig daraus entspringen, und daß Charlotte dem Hauptmann, seitdem sie ihn näher kennengelernt, wirklich wohlwollte, davon war ein sicherer Beweis, daß sie ihn einen schönen Ruheplatz, den sie bei ihren ersten Anlagen besonders ausgesucht und verziert hatte, der aber seinem Plane entgegenstand, ganz gelassen zerstören ließ, ohne auch nur die mindeste unangenehme Empfindung dabei zu haben.

      Indem nun Charlotte mit dem Hauptmann eine gemeinsame Beschäftigung fand, so war die Folge, daß sich Eduard mehr zu Ottilien gesellte.

      Für sie sprach ohnehin seit einiger Zeit eine stille, freundliche Neigung in seinem Herzen.

      Gegen jedermann war sie dienstfertig und zuvorkommend; daß sie es gegen ihn


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