Magisches Kompendium - Chaosmagie - Erste Schritte der chaosmagischen Theorie und Praxis. Frater LYSIR
Читать онлайн книгу.die Runen Deutung einzusetzen, um dann zu merken, dass es wirklich eine dämliche und blöde Idee ist, wenn man divinatorische Systeme, die einfach nicht zusammenpassen, chaotisch mischt. Man sieht hier sehr deutlich, dass auch die Chaosmagie in gewissen Parametern mit Mustern arbeiten muss, oder diese einfach fortlässt. Wenn es um Divinationsmethoden geht, müssen entsprechende Regelungen einfach eingehalten werden. Chaosmagie hin, Chaosmagie her. Es ist zwar süß, niedlich und nett, wenn man hier permanent den Gegenpol der Ordnung einnehmen will, wenn man permanent in einem Chaos existieren will, doch ist dies eher eine Ego-Seifenblase, die mit wachsender Erkenntnis, mit wachsendem Wissen und mit wachsender Weisheit platzen wird.
Chaos und Ordnung müssen sich definitiv nicht aufheben, Chaos und Ordnung müssen sich definitiv nicht ausschließen, denn beide können parallel und sogar miteinander existieren. Dies haben natürlich schon verschiedene Systeme und magische Maximen postuliert, sodass man das Zusammenspiel zwischen Chaos und Kosmos in einem „kosmologischen Kontext“ erkennen kann, also im Kontext der Existenzerschaffung, der Welterschaffung, was wiederum bedeutet, dass das Chaos mit dem Nichts in diesem Kontext verglichen wird, mit der Nicht-Existenz, der Kosmos mit dem Sein, mit der Existenz. Man wird sich in diesem Kontext Stück für Stück auf die Sichtweise der Kabbalah zubewegen, denn in den kabbalistischen Lehren gibt es doch verschiedene Fachvokabeln, die diese Thematik perfekt beleuchten und erklären. Es ist in diesem Kontext sogar eine Vokabel, die man aus dem Alltag kennt. Es geht hier um das Wort Tohuwabohu! Es ist ein Begriff, der in der Genesis auftaucht, und der dafür steht, was „am Anfang war“, bzw. was existierte, als die Erde „erschaffen“ wurde. Im kabbalistischen Kontext muss man hier natürlich noch eine Ergänzung hinzufügen, da es in diesem Kontext um die dritte Dimension, um die dritte Manifestation geht. Wenn man in eine wortwörtliche Übersetzung gehen will, dann wird meistens der Begriff „Tohuwabohu“ einfach mit „wüst und leer“ grob übersetzt, wobei es dann nicht wirklich schwierig ist, statt „wüst und leer“ einfach die Vokabel „Chaos“ zu klassifizieren. Tohuwabohu! Eigentlich ist es nur ein Wort, welches man jetzt nicht näher in Augenschein nehmen muss. Doch da es in der Chaosmagie auch um ein gewisses Fundament aus Wissen und Weisheit geht, will ich doch hier einen kleinen Exkurs machen, sodass man die klassische Bedeutung des Wortes für sich selbst aufnehmen kann. Wenn man in die hebräische Schreibweise hineingeht, dann findet man die Buchstabenkombination „תהו ובהו“ sodass man hier Wörter „תהו“, also „Tohu“ und „בהו“ also „Vohu“ besitzt, und noch das hebräische Waw „ו“, was man in diesem Kontext als va/ve sprechen kann, und einfach „und“ bedeutet. Also hat man hier wortwörtlich Tohu UND Vavohu, was dann in der Übersetzung von „Tohu (תהו)“ Öde, Wüste oder Leere lautet, sodass man sich hier auch sofort vorstellen kann, warum das hebräische Wort „Tehom“ oder auch „theomi“ in der Übersetzung „Urwasser“, „Tiefen“ und „Abgrund „heißt bzw. „abgründig“ oder auch „abgrundtief“. Die Übersetzung der Vokabel „Vohu (בהו)“ kann hier „starren“ aber auch „glotzen“ bedeuten, genauso wie „erstarren“ oder „sich wundern“. Wenn man dies etwas weiterführen will, hat man hier also einen „wundersamen Abgrund“, eine „erstarrte Tiefe“, also irgendwie etwas, was unbegreiflich ist, sodass man hier nur noch „in die Leere glotzt“.
Man könnte dieses „Starren“ auch mit der Spiegelmagie kombinieren, sodass man sich selbst vor dem Spiegel setzt, den Punkt zwischen seinen Augen, seine Nasenwurzel, mit starrem Blick fixiert, um sich dann in seine eigenen Tiefen führen zu lassen. Auch hier würde man, in der Theorie der Spiegelmagie, in seinen Abgrund stoßen können, und sein wahres, animalisches, chaotisches Selbst zu erkennen. Man könnte dies auch noch weiter führen, indem man in die erste Hochkultur der Menschheit geht, sodass man sich hier das sumerische Reich anschaut, das sumerische Pantheon. Das sumerische Pantheon ist eigentlich perfekt für die Chaosmagie, denn ganz am Anfang waren die jeweiligen Prinzipien keine Götter gewesen, sondern ausschließlich philosophische Maximen und Gedankenkonstrukte. Erst im weiteren Verlauf wurden diese archetypischen Schwingungen „vergöttlicht“. Da natürlich das Chaos und der Kosmos essenzielle Prinzipien sind, ist es natürlich nicht überraschend, dass auch die sumerische Mythologie entsprechende Geschichten aufzuweisen hat. Hierbei geht es aber nicht um einen Abgrund oder um eine Leere, nein, hier geht es um Wasser, speziell um Salzwasser und Süßwasser. Namentlich sind hier die philosophischen Prinzipien „Tiamat“ und „Apsu“ zu thematisieren und zu nennen, Prinzipien die für die Schöpfung und für die Vernichtung stehen. Doch wie schon erwähnt, die Konzepte „Tiamat“ und „Apsu“ sind in den sumerischen Ideologien KEINE direkten Götter, nein, sie waren archetypische Grundprinzipien, und wurden auch als solche verstanden. So wurde also in der sumerischen Mythologie erkannt, dass die Schöpfung mit dem Leben, mit dem Süßwasser verknüpft sein muss, genauso wie die Vernichtung (gleichzeitig aber auch die Neuwerdung) mit dem Salzwasser verknüpft ist. In der sumerischen Mythologie bedeutet Schöpfung, dass hier eine Kreation stattfand, eine Kreation AUS dem Chaos und im Grunde auch DURCH das Chaos und MIT dem Chaos. Und genau dies ist auch wieder die Chaosmagie! Durch das Chaos, durch die Chaosmagie wird erschaffen, aus dem Chaos, aus der Chaosmagie wird erschaffen, mit dem Chaos, mit der Chaosmagie wird erschaffen! Doch wenn etwas erschaffen wird, muss es jedoch irgendwo herkommen. In diesem Zusammenhang greifen manche Chaosmagier dann doch ganz gerne auf die Physik zurück, sodass hier auch immer wieder Fachwörter verwendet werden, Fachwörter die neben der Quantenphysik gerne in den chaosmagischen Büchern thematisiert werden. Nun ja, dies ist kein großes Problem, doch es ist immer ein wenig albern, wenn auf der einen Seite propagiert wird, dass man sich in der Chaosmagie gefälligst an keine Regeln halten soll, und man gleichzeitig ganz brav in der deduktiven Naturwissenschaft immer wieder Angst hat, um hier die Chaosmagie mit der Naturwissenschaft zu verbinden.
Sicherlich, die Chaosmagie bestimmt jeder für sich, sodass es vollkommen legitim ist, wenn man hier die Wissenschaft mit ins Boot holen will. Doch sollte man dies dann auch klar und deutlich sagen. Und natürlich gibt es hier entsprechende Fachvokabeln, die perfekt für eine Erklärung sind. Nehmen wir doch einfach mal die Vokabel „Energie“!
Wenn man hier die Naturwissenschaft und die Magie, oder auch die Esoterik bzw. die Spiritualität, verknüpfen will, dann findet man hier nicht nur ein machtvolles Wort, nein, man findet auch eine Vokabel, die gigantisch viel Streitpotenzial besitzt. Oh ja, die Vokabel „Energie“ kann sehr heftige Diskussionen zwischen Physikern, andere Naturwissenschaftlern und letztlich spirituellen, esoterischen und magischen Menschen auslösen. Es geht meistens darum, dass sie Naturwissenschaftler sich aufregen, dass hier der Begriff „Energie“ missbraucht wird, um alle erdenklichen obskuren magischen Phänomene irgendwie zu erklären, und am besten auch noch kapitalistisch auszuschlachten. Ich kann die Naturwissenschaftler da ganz gut verstehen, doch gleichzeitig will ich hier klar und deutlich sagen, dass auch diese Gruppe keine Wörter gepachtet hat. Man muss ganz einfach akzeptieren, dass der Begriff Energie sich sehr weit verbreitet hat, sodass er in der Alltagssprache nicht mehr wegzudenken ist. Stück für Stück hat sich also diese Vokabel in das menschliche System eingeschlichen, sodass hier wieder Muster und Programme bedient werden, sodass hier Kaskaden ausgelöst werden, wodurch Stück für Stück unterschiedliche Vorstellungen des Menschen keimen, die sich dann eben auf das Wörtchen „Energie“ beziehen.
Auch die Chaosmagie setzt sehr oft auf das Wörtchen „Energie“, da natürlich mit dieser Vokabel sehr viel erklärt werden kann. Eine solche Erklärung ist in der Physik manchmal sehr wichtig, sodass die Verwendung des Wörtchens „Energie“ im wortwörtlichen Sinne „Kraft“ kostet. Dieser Kraftakt bezieht sich darauf, dass die Bezeichnung „Energie“, so wie sie heute von der Physik verwendet wird, primär auf den Physiker William John Macquorn Rankine (05.07.1820 - 24.12.1872) basiert, der diese Vokabel „Energie“ ca. 1852 eingeführt hat, wodurch eine deutliche Definition bzw. Abgrenzung zum physikalischen Begriff der „Kraft“ geschaffen wurde. Doch auch der Physiker Thomas Young (13.06.1773 - 10.05.1829) muss hier genannt werden, denn dieser hatte den Begriff Energie bereits im Jahr 1800 in einem mechanischen Zusammenhang verwendet, wobei hier aber keine klare Trennung bzw. keine klare Grenzziehung zur eigentlichen „Kraft“ vollzogen wurde.
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