Die Auswendigpapageien. Paul Bar

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Die Auswendigpapageien - Paul Bar


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und spürt was der Prüfungs-experte hören oder sehen will. Er lernt langfädige Abhandlungen schreiben, die den Eindruck erwecken sollen, dass er die Materie begriffen hat. Ein probates Mittel ist das sehr umfangreiche Beschreiben eines Ist-Zustandes. Allfällige Lösungsvorschläge sind oft sehr kurz oder kommen überhaupt nicht vor. Kommt hinzu, dass schon sehr früh eine sehr gute „Zusammenarbeit“ unter den „Auswendiglernern“ herrscht. Dadurch kann die Effizienz noch gesteigert werden. Es erstaunt dann nicht mehr, wenn möglicherweise ausgefüllte Fragebögen und dergleichen schon vor der Prüfung unter den Studenten illegal zirkulieren. Als Pünktchen auf dem i gibt es Doktorarbeiten, die mehrheitlich im Internet abgeschrieben werden. In den vergangenen Jahren sind entsprechende prominente Fälle aufgedeckt worden und Sie können davon ausgehen, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Mittlerweile ist es sogar noch einfacher geworden. Gegen Bezahlung lässt man sich eine Masterarbeit oder Dissertation von einer Ghost-writing-Agentur schreiben.

      Fazit: Auswendigpapageien können sehr gut auswendig lernen und raffiniert debattieren, das heisst aber noch lange nicht, dass sie von Wirtschaft und Politik etwas verstehen, bzw. dafür geeignet sind.

      Dies sehen natürlich die Auswendigpapageien ganz anders. Schliesslich hat man ihnen während Jahren das Gefühl gegeben, dass sie spätestens nach Abschluss ihrer Studienzeit zur Elite gehören. Dabei übersehen sie aber einen gewichtigen Nachteil: Auswendigpapageien verkehren während ihrer ganzen Studienzeit praktisch nur mit ihresgleichen. Sie bewegen sich in einer AP-Blase, die man auch als „geschützte Werkstatt“ betrachten kann. Sie alle weisen die gleichen Defizite auf: Sie kennen viele Theorien, haben aber keine grosse Ahnung von den real existierenden Menschen und dem realen Leben ausserhalb der AP-Blase. In der Schule werden viele gesellschaftliche Theorien behandelt, doch leider ist das meiste davon unbrauchbar, weil es im realen Leben nicht funktioniert. Und warum ist das so? Weil viele dieser Sozialtheorien von Personen entwickelt wurden, die ebenfalls keine Ahnung von den real existierenden Menschen hatten. Ihre Theorien tönen schön, sind aber total weltfremd, bzw. setzen Menschen voraus, die es nie gegeben hat und nie geben wird.

       Der schwierigste, aber wichtigste Faktor in gesellschaftlichen Fragen ist nämlich der Mensch und den lernt man nur richtig kennen, wenn man mit ihm über Jahre in der realen, wertschöpfenden Wirtschaft zusammen-arbeitet .

       Warum wollen alle studieren?

      Ich denke, es gibt zwei Gründe: 1. War und ist das Prestige des Akademikers sehr hoch und bekannt-lich strebt der Mensch nach höherem. 2. Der grösste Teil der Eliten propagiert das Studieren und betrachtet manuelle Arbeit als zweitklassig. In vielen Ländern wird manuelle Arbeit seit Jahr-hunderten als minderwertig eingestuft und soll von unteren Schichten ausgeführt werden.

      Wie präsentiert sich die heutige Situation in den hochentwickelten Staaten? Nach den obliga-torischen Schuljahren fragen sich viele Eltern, wie es mit ihrem Nachwuchs weitergehen soll? Die meisten Kinder wissen nicht, was sie wollen. In diesem Alter ist es auch sehr schwierig und sie benötigen deshalb die Hilfe ihrer Eltern. Und diese orientieren sich leider meistens nicht an den Fähigkeiten ihrer Kinder, sondern sie schauen auf ihr Umfeld und stellen fest, dass das höchste aller Gefühle das Studieren ist. Es verspricht Prestige, das auch auf die Eltern positiv zurück fällt. Die Kinder wissen zwar weiterhin nicht, welchen Beruf sie schlussendlich ergreifen wollen. Man hofft aber, dass während der Mittelschulzeit diese Frage beantwortet werden kann. Mit dem Erreichen der Matura/Abitur sollte man zwar eine

      bessere und breitere Allgemeinbildung haben, aber sonst kann man eigentlich noch gar nichts Konkretes. Umso logischer wäre es, wenn man wenigstens jetzt wüsste, was für einen Beruf man erlernen möchte. Doch leider wissen viele Maturanden auch jetzt nicht, was sie erlernen wollen! Zu Hause ist es eben sehr bequem und die Eltern sind stolz, dass ihre Sprösslinge die Matura absolviert haben.

      Früher war fast jeder unter Druck, so schnell wie möglich nach der Matura/Abitur einen konkreten Beruf zu lernen, bzw. zu studieren und abzu-schliessen, damit man endlich selber Geld verdienen kann. Denn die Eltern waren der Meinung, dass sie schon genug bezahlt hatten und es an der Zeit war, dass ihre Kinder auf eigenen Beinen stehen sollten. Deshalb hat man vor Jahren in der Schweiz die Mittelschulzeit um einige Monate verkürzt, damit man ein volles Jahr früher mit dem Studium beginnen kann. Doch wie sieht die heutige Realität aus? Man legt lieber ein sogenanntes Zwischenjahr ein, nicht etwa um die französische Sprache im Sprachgebiet mündlich zu lernen, die man während sechs Jahren in der Schule theorielastig behandelt hat und darum kaum sprechen kann. Dazu ein krasses Beispiel: In der „Weltwoche“ Nr. 34, 2014 entnehme ich, dass die Thurgauer Regierungsrätin Monika Knill in ihrem Maturazeugnis für die französische Sprache eine glatte sechs (= Bestnote) erhalten hat. Sie lernte während sechseinhalb Jahren alles über die französische Grammatik und Literatur auswendig. Sprechen kann sie nicht. Angeblich weil es nicht in ihr alemannisches Maul passt. Dabei hätte sie nach der Matura nur während 3 bis 4 Monaten in einem französisch sprechenden Gebiet arbeiten müssen und sie hätte für den Rest ihres Lebens immer französisch sprechen können. Eigentlich sollte jeder, der so lange eine Sprache „gelernt“ hat, mindestens sprechen können, ansonsten man sich ja die Frage stellen muss, für was habe ich eigentlich das alles gemacht.

      Leider ist sie nicht die einzige, die nicht ins Welschland gegangen ist. Heute gehen viele Maturanden lieber nach Australien, um die englische Sprache zu verbessern. In Australien aber spricht man inzwischen ein kaum mehr verständliches Englisch. Zurück aus Australien weiss man dann immer noch nicht was man studieren soll. In Anbetracht, dass man ja bald zur Elite gehört und das Geld irgendwie von alleine hereinkommt, wählt man am liebsten eine Studienrichtung, die möglichst viel Spass macht und nicht zu viel Stress verursacht. Ob es volkswirtschaftlich Sinn macht, ist kein Thema. Darum werden in der Schweiz die Sozial-wissenschaften mit 25‘000 Studenten am stärksten belegt, gefolgt von 22‘000 Studenten in den Wirtschaftswissenschaften. Mit 16‘000 ist die Zahl der Studenten im Fachbereich Recht deutlich tiefer, aber, gemessen an der Nachfrage, trotzdem ebenfalls zu hoch. Bei den Naturwissenschaften sind es immerhin 13‘500 Studierende. Über 10‘000 Studenten studieren nur Psychologie! Alle anderen Fachbereiche an Hochschulen und Universitäten haben weniger als 10‘000 einge-schriebene Studenten (Bundesamt für Statistik). Noch schlimmer ist es in anderen Ländern. In Spanien z.B. sind gemäss Adecco-Chef de Maiseneire 15 % aller Studienabgänger Historiker! Später ist man dann erstaunt, wenn man keinen passenden Arbeitsplatz findet. In der Schweiz habe ich ein ganz schönes Beispiel gefunden: Patrick Imhasly ist Redaktor im Ressort Wissen der „NZZ am Sonntag“. In seinem Artikel vom 5.2.17 mit dem Titel „ich wünsche mir einen Dorftrottel“ ist er sogar stolz, wenn seine Kinder ein Studium wählen, das sich nicht unbedingt zum Broterwerb eignet. Was für eine verkehrte Welt.

      Generell kann festgestellt werden, dass die Allgemeinbildung heute nicht besser als vor 30 Jahren ist, im Gegenteil, sie ist schlechter. Die Gründe dafür sind schnell gefunden. Man macht heute in der Schule alles Mögliche und vernach-lässigt die Basisfächer. Weniger Ordnung und mangelhafte Disziplin sind weitere negative Punkte. Heutige Jugendliche sind schlechter im Lesen, Schreiben und Kopfrechnen. Manuelle Kompetenzen sind nur noch rudimentär vor-handen. Die Jungen lesen weniger Zeitungen und Bücher, schreiben dafür auf Mundart viele SMS und andere Beiträge in Facebook, usw. Es erstaunt deshalb überhaupt nicht, wenn die Fähigkeiten in der hochdeutschen Sprache stark rückläufig sind. Heute sprechen viel weniger Deutschschweizer Französisch als noch vor 30 Jahren. Die Kosten für den Französischunterricht sind zwar höher als früher, weil aber fast niemand mehr das berühmte Welschland-Jahr absolviert, ist es zu dieser für die Schweizer Gesellschaft und Wirtschaft schädlichen Fehlentwicklung ge-kommen. Fachleute mit Kenntnissen der französischen Sprache sind Mangelware. Einerseits schadet dieser Mangel an Sprach-kompetenz dem Werkplatz Schweiz und anderer-seits ist es auch aus gesellschaftspolitischen Gründen bedenklich, wenn junge Deutsch-schweizer keine Ahnung mehr von der franzö-sischen Schweiz


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