Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein
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Braut! Du sollst dem Junker die Füße zwagen in dem
Badewännelein, darin du hergetragen bist. Dein Vater
ist vor Herzeleid gestorben, und deine Mutter hat sich
schier um dich zu Tode gegrämt!
O weh du Braut, du Findelkind!
Weißt nicht, wer dein Vater und Mutter sind!«
Da betrachtete der Herr das Badewännelein, und sah
daran das Wappen des Königs am Rhein, verwunderte
sich über alle Maßen und rief: »Das ist meines Vaters
Wappenschild! Wie kommt dies Wännelein in
dies schlechte Wirtshaus?«
Da schlug ein Vogel draußen an das Fenster, das
war wieder der Star, der sang: »In dem Badewännelein
ist sie hergetragen!
O weh du Braut, du Findelkind!
Weißt nicht, wer dein Vater und Mutter sind!«
Jetzt sah der junge Herr am Hals der Maid ein Muttermal,
und rief freudig aus: »Grüß dich Gott, du
Schönste! Du bist meine liebe Schwester! Dein Vater
war der König am Rhein! Christine heißt deine Mutter!
Konrad heiße ich, dein Zwillingsbruder bin ich.
Darum empfand mein Herz nach dir, gleich als ich
dich zum ersten sah, solch ein heftiges Verlangen!«
Da fielen sie einander um den Hals und weinten
beide, knieeten nieder und dankten Gott, und sprachen
liebreich miteinander die ganze Nacht. Wie nun der
Morgen graute rief die Wirtin vor der Tür mit lauter
Stimme und voll Hohn: »Steh auf, steh auf, du junge
Braut und kehre deiner Frauen die Stube aus!« Da
antwortete aber die Stimme Herrn Konrads: »Weder
ist sie eine junge Braut, noch kehrt sie der Wirtin ihre
Stube aus! Bringet uns nur selbst den Morgenwein!«
Als die Wirtin mit dem Morgenwein hereingetreten
war, fragte sie Herr Konrad: »Von wem und von wannen
habt Ihr diese edle Jungfrau? Sie ist eines Königs
Tochter und meine Schwester!«
Die Wirtin ward weiß wie eine Wand und fiel zitternd
auf ihre Kniee, brachte aber kein Wort hervor,
des es auch nicht bedurfte, denn der Star war schon
wieder am Fenster und verriet der Wirtin böse Tat,
indem er sang: »In einem Lustgarten im grünen Gras,
saß ein zartes Kind in einem Badewännelein, und wie
die Wärterin nur einen Augenblick zur Seite gegangen
war, da kam die böse Zigeunerin und trug das Kind
samt dem Wännelein vondannen!«
Darüber wurde Herr Konrad so entrüstet, daß er
das Schwert zuckte, und es der Wirtin durch die
Ohren spießte, zu einem hinein, zum andern heraus.
Dann küßte er züchtiglich seine allerschönste Schwester,
nahm das Badewännelein, führte sie an ihrer
schneeweißen Hand aus dem Hause, hob sie auf den
Sattel und sie mußte das Badewännelein vor sich auf
dem Schoß tragen. Auf ihre Schulter setzte sich der
Star. So ritten sie vor das Königsschloß am Rhein,
darin die Mutter, die Königin, herrschte, und als sie in
das Tor einritten, kam ihnen die Mutter gerade entgegen
gegangen. Die fragte verwundert: »Ach, mein
liebster Sohn! Was für eine Dirne bringst du da her-
ein! Sie führt ja ein Badewännelein mit sich, als ob
sie mit einem Kinde ginge!«
»Oh, meine liebste Mutter!« antwortete der junge
Königssohn, »sie ist drum keine Dirne, sondern ist
eure Tochter Gertraud, die in diesem Wännelein Euch
geraubt wurde!« Und da stieg die Prinzessin aus dem
Sattel, die Königin aber fiel vor Freuden in eine Ohnmacht,
aus der sie in den Armen ihrer Kinder wieder
erwachte. Der Star sang: »Heut sind es gerade achtzehn
Jahre, seit die Königstochter geraubt und in dem
Wännelein über den Rhein getragen worden ist!« Das
sang der Star, und auch noch dies:
»Der Zigeunerin tun die Ohren so weh,
Sie wird keine Kinder stehlen mehr!«
Die Prinzessin aber ließ einen Goldschmied berufen,
der mußte ein goldnes Gitterlein vor das Badewännelein
schmieden, da hinein tat sie den Star und pflegte
sein, bis an sein Ende.
Die beiden kugelrunden Müller
Es war einmal ein Müller, der war schon an sich sehr
stark und dick, wollte aber auch fest sein gegen Hieb
und Stich, gegen Bolz und Pfeil, darum steckte er sich
in eine wunderliche Kleidung. Er ließ sich zuvörderst
ein Wams machen, das fütterte er mit Kalk und Sand,
und ließ, um das zu verbinden geschmolznes Pech
hineinfließen, hinten machte er ein Futter von mehreren
Körben und vorn beblechte er es mit alten Reibeisen
und eisernen Hafendeckeln, da wurde das Wams
schwerer als der schwerste Brust- und Rückenharnisch,
den jemals ein streithafter Ritter trug.
Darüber zog dieser Müller nun drei Hemden, und
unter das Wams legte er einen wirklichen Panzer an,
über die Hemden auch einen Panzer, und darüber zog
er neun lodene Röcke, wie sie die Wollenweber im
Schwabenlande noch heute fertigen. Wenn nun der
Müller sich mit diesem stattlichen Kleiderbollwerk
angetan, wobei er die Beine mit mehr als vier alten
übereinander gezogenen Lederhosen verwahrt, so war
er ein so stattliches kugelrundes Kerlchen, daß er
eben so breit war, als hoch, wie eine rechte Kugel sein
muß, und konnte schier nicht ohne Gezwang durch
ein Stadttor aus- und eingehen, konnte sich auch
kaum rühren und regen, und mußte denn seine
Freundschaft mit ihm gehen, ihn führen und geleiten.
Da er nun alljährlich zu St. Oswalds Kirchtag ging
und sich auch sehen lassen wollte vor den Leuten, so
fuhr er einher auf einem Karren in seiner Rüstung und
so gewappnet, wie jedermänniglich noch nie gesehen
hatte. Den Wagen zogen vier starke Ochsen,