Ausm leben mittenmang. Beate Morgenstern

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Ausm leben mittenmang - Beate Morgenstern


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geworden war, hatte Jana darauf bestanden, dass sie die Freundschaft dennoch nicht vernachlässigte. Inzwischen war es durchaus üblich, dass sich Jana ab und zu bei Silvie und ihrer Familie am Wochenende einlud oder einladen ließ. Annette sah es bei einer geringen Eifersucht doch gern. Obwohl Jana nicht mehr die junge Kollegin von einst war, nur eine jüngere Freundin, fühlte sie sich doch noch für ihr Wohl verantwortlich.

      Annette schaute Silvie prüfend an, ob sie sich in dem einen Jahr irgendwie verändert hätte. Silvie war groß, ebenso groß wie Jana, 1.75 vielleicht, ebenso schlank, Da Silvie ihre Größe vielleicht früher geniert hatte oder noch genierte, hatte sie es sich angewöhnt, sich etwas nach vorn zu beugen. Sie bewegte sich verschämt, als wolle sie sagen, ihre Körpergröße sei nur ein Missverständnis, eigentlich sei sie ein kleiner, unbedeutender Mensch. Vielleicht verunsicherte sie auch nur Annettes Gegenwart.

      Was du für starke, schöne Haare hast, sagte Annette. Wir Blonden sind meist etwas dürftiger dran. Du solltest sie immer aufgesteckt tragen. Der Zopf sieht fantastisch aus!

      Meinst du?, sagte Silvie, und sie hatte das zaghafte Lächeln, das Annette von ihr kannte. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den kleinen, schräg liegenden Augen bekam noch mehr einen asiatischen Zug. Ich wollte sie mir schon abschneiden lassen. Der Ärger jeden Morgen. Sie spreizte die gekrümmten Finger ein wenig vor ihrem Gesicht, um auszudrücken, was sie jeden Morgen auszuhalten hatte.

      Trotzdem, selbst wenn du für deinen Dieter nicht schön sein willst, dann tu es für dich selbst. Annette wusste, dass Silvie dazu neigte, sich aufzugeben. Wenn Jana schon nicht vor Tatendrang strotzte und Annette mit ihrer Unentschiedenheit manchmal zur Verzweiflung brachte, war sie gegen Silvie noch ein Energiebündel.

      Jaja, ihr beiden, sagte Jana mit leichter Ungeduld. Und Annette erklärte Silvie die Lage, umso beredter, weil die Sache ja schon entschieden war. Silvie im Falle einer gegenteiligen Meinung überstimmt. Und Silvie ließ sich sowieso schnell breitschlagen.

      Silvie lachte auch nur, was alles bedeuten konnte.

      Wer weiß, sagte Jana. Vielleicht wird’s dieses Mal gerade interessant und wir werden uns an diesen Geburtstag erinnern.

      Auch Silvie war vielleicht so, dass sie einen weniger denkwürdigen Geburtstag vorziehen werde.

      Jana ging, um den Mann zu holen, an den sie nun einmal ihr Herz gehängt hatte.

      Silvie lachte hin und wieder und schüttelte den Kopf.

      Sie wäre den ganzen Abend unglücklich, sagte Jana. Es hat keinen Sinn. Er hat es verdorben. Also sehen wir, was zu retten ist. Hier die Platten, was das gekostet hat. Was sie sich für eine Mühe gemacht hat. Es ist nicht recht von ihm. Nein, wie kann er bloß! Verstehe ich nicht. Würde ich nie! Macht man einfach nicht. Nein. Man muss doch respektieren. Es ist einfach nicht recht von ihm. Annette hatte ziemlich klare Vorstellungen von dem, wo Grenzen waren. Und hier war eine überschritten.

      Tja, sagte Silvie bloß mit ihrer leisen, etwas hohen Stimme und zuckte ein paarmal die Schultern.

      Wenigstens lernen wir den Mann ihrer Träume kennen, versuchte Annette zu besänftigen.

      Wieder lachte Silvie.

      Sie gingen in die Stube, und Annette erklärte Silvie, was sie von wem bekommen hatte. Nicht die geringste Kleinigkeit wurde ausgelassen. Sie machte es genauso, wie es Jana getan hätte. Und Silvie interessierte es auch. Da Jana auf sich warten ließ, holte Silvie die Cognac-Gläser mit dem Cognac aus dem Schrank. Jana mochte es, wenn man sich bei ihr zu Hause fühlte und sich auch mal selbst bediente, und das wussten die Freundinnen. Sie begannen die Geburtstagsfeier wie in jedem Jahr. Indem sie sich einmal zuprosteten.

      Obwohl sich die beiden nur einmal im Jahr für ein paar Stunden sahen, gelang es Annette, den Gesprächsfaden zu Silvie aufzunehmen. Dass Silvie kaum etwas sagte, nur ihr kleines, halb verwundertes, halb belustigtes Chinesenlächeln hatte, störte Annette nicht. Seitdem Jana sich entschlossen hatte, mit beiden Freundinnen zu feiern. fühlte sich Annette für die Unterhaltung der Freundinnen zuständig, kam vom Hundertsten ins Tausendste. Weißt du, was mein eigentliches Lebensgefühl ist? Ich bin nur müde. Früh, wenn ich aufstehe, denke ich, es ist mitten in der Nacht. Dann taumle ich in den Vormittag. Mittags halte ich mich kaum aufrecht. Und wenn ich abends nach Hause komme, könnte ich mich gleich hinlegen. Vielleicht bin ich nur eine Stunde am Tag richtig wach. Geht dir das auch so?

      Na und ob!, sagte Silvie. Nach der Arbeit bin ich fix und alle. Dabei habe ich´s schon gut. Dieter geht einkaufen. Aber trotzdem der ganze Haushalt. Und wenn ich mal ausschlafen könnte, dann kommt mein kleiner Sohn. Naja, lange schlafen kann ich sowieso nicht.

      Nee, ich auch nicht. Wenn man doch mal bis zehn schlafen könnte. Aber das ist das Idiotische, ob ich muss oder nicht, ich wache früh um sechs auf.

      Das Einzige ist der Mittagschlaf am Wochenende, sagte Silvie. Aber danach kommt man gar nicht recht in Gang. Ich denke immer, mir ist alles zu viel. Man rennt und tut und macht. Aber mehr wie `ne Maschine. Silvie lachte wieder, legte die Hände ineinander und versteckte hinter ihnen das halbe Gesicht.

      Dabei bin ich nicht mal besonders belastet, kein Kind, kein Kacks, wie die Büttner immer sagte. Anders als du. Übrigens, dass du Bescheid weißt: Ich bin verheiratet und arbeite noch bei euch! Jana wird mich nachher als Annette Richter vorstellen.

      Silvie lachte, dieses Mal nicht aus Verlegenheit. Jaja, als Richter hast du bei uns angefangen.

      Solange arbeitest du schon dort?

      Was denkst du, ich war schon da, als du kamst!

      Glaub ich nicht.

      Ja.

      Sie überprüften die Daten, und Silvie hatte recht.

      Richter, der Name ging doch.

      Aber der Mann nicht. Mann weg. Name weg. Nun bin ich sozusagen wieder jungfräulich geworden. Annette grinste. Als ich nach der Scheidung wieder meinen Mädchennamen angenommen habe, sagte die Büttner, dann aus Daffke, immer Fräulein zu mir. Hat ihr Spaß gemacht. Na, die Büttner eben. War schon `ne Type.

      Wir hatten nichts mit ihr zu tun.

      Sekretärin des Redaktionssekretärs. Ne Betriebsnudel. Und neugierig. Wenn jemand `ne Abtreibung gemacht hat oder `ne Schönheitsoperation wie die Rothaarige, im Nu war´s rum. Die kannte die Schlüssel bei den Krankenscheinen. Die kamen bei ihr an. Naja, und da gab´s für sie keine Geheimnisse mehr und für den Großraum auch nicht.

      Die … wie hieß sie noch, diese Rothaarige, ist übrigens tot, das weißt du.

      Von Jana. Nguyen hieß sie. Der häufigste Name bei den Vietnamesen, glaub ich. Sie hatte einen Vietnamesen geheiratet. Dabei war sie so ne große Frau. Immer muss ich dran denken, wie sie gestorben ist. Tage hat sie gelegen ohne Hilfe. Die Tochter kam nicht so oft. Ein hübsches ganz schwarzhaariges Mädchen. Die Rothaarige ja so ein Vamptyp mit großem Busen, kaum Hüften, lange Beine, trug meistens so einem leichten Einteiler, der Stoff der Haut eines Leoparden nachgebildet. Ich glaube, der Betrieb hat dann nachgeforscht. Nun waren sie wieder beim Thema: die alten Zeiten, die sie eigentlich nicht gemeinsam erlebt hatten. Wenn Annette Silvie damals begegnet war, erschien die ihr hochmütig. Sie hatte so einen abweisenden Gesichtsausdruck oder eben gar keinen. Aber sie war ja froh für Jana gewesen, dass sie in Silvie jemanden fand, mit dem sie nach Annettes Weggang zur Betriebskantine außerhalb Essen gehen konnte. Sie beide hatten die Mittagspause häufiger zu einem Ausflug gemacht, waren noch auf den Friedhof gegangen. Da sie zu zweit waren, sagte die Redaktionsleiterin nichts. Inzwischen hatte auch Jana den Betrieb gewechselt. Silvie die einzige Informationsquelle, die sich aber als sehr mager erwies. Nach ihren Aussagen, war alles so geblieben, wie es war.

      Und dann stand ER im Zimmer. Er war genauso, wie Jana gesagt hatte. Ein Mann, der keinesfalls sofort auf Frauen Eindruck machte. Sportlich, fast bullig. Etwas Starrsinniges lag in seinem Blick. Falls er getrunken hatte, so war es nicht die Starrsinnigkeit eines Betrunkenen. Er war einer, so vermutete Annette, der immer nur einen einzigen Weg sah, und den ging er auch. Niemand brachte ihn davon ab. Das war seine Verquertheit wie seine Stärke. Er gefiel Annette.

      Jana


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