Demokratie macht Spaß!. Winfried Brinkmeier

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Demokratie macht Spaß! - Winfried Brinkmeier


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Soldaten mit fröhlichen Liedern auf den Lippen in den Krieg gezogen. Wenn sie überhaupt zurück gekommen sind und nicht auf den Schlachtfeldern von Verdun niedergemetzelt wurden, sind sie innerlich zerstört und desillusioniert aus dem Krieg zurückgekehrt und hatten lange mit ihren Zerstörungen zu kämpfen. Auch sie litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen; nur kannte man diesen Begriff damals noch nicht.

      Mittlerweile wird seitens der Bundeswehr versucht, Soldaten mit Belastungsstörungen aufzufangen und ihnen notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Der eingeladene Soldat Sedlatzek-Müller hat dafür jahrelang kämpfen müssen; die Bundeswehr hatte es ihm nicht leicht gemacht. Förderungen von Hilfen bei solchen schweren Störungen wurden lange Jahre abgelehnt. Erst in letzter Zeit hat ein Umdenkungsprozess eingesetzt. Insofern steht die Mehrheit der Gesellschaft durchaus hinter den Soldaten, wenn es um das Mitgefühl ihrer schwierigen Einsätze geht. Das Problem ist die verharmlosende Beschreibung ihrer Einsätze durch die Politik. Der Politik fehlt dabei der Mut zur Wahrheit. Dies ist ihr vorzuwerfen.

      Wir sollten das Soldatentum nicht hochjubeln; dazu besteht kein Anlass. Machtgierige Politiker lassen andere Menschen ihre Haut zu Markte tragen und opfern ggf. auch deren Leben. „Gefallen auf dem Feld der Ehre“ – solche dummen und die Realität ausblendende Sprüche brauchen wir nicht mehr. Die Reise geht leider wieder in diese Richtung. Herr Meyer meinte, Soldaten erhielten zu wenig Anerkennung. Die Bundeswehr gerate immer mehr an den Rand der Gesellschaft. Das mag sein. Auch andere Berufsgruppen erhalten in dieser Gesellschaft nicht die Anerkennung, die sie eigentlich erhalten müssten. Zum Beispiel die im Gegensatz zu den Soldaten niedrig bezahlten Krankenschwestern und Krankenpfleger, die AltenpflegerInnen und viele andere mehr (Bundeswehrsoldaten in Afghanistan erhalten zusätzlich zu ihren Bezügen in Afghanistan 100 € täglich). Auch Krankenschwestern, Krankenpfleger, AltenpflegerInnen und viele andere mehr leisten eine wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft, ohne enorme zusätzliche Tagessätze wie die Soldaten zu erhalten. Sich für diese Gruppen einzusetzen, erscheint sinnvoller als der Einsatz für Soldaten. Die Landsknechte bedürfen keiner besonderen Hervorhebung. Die erhalten genug Geld für ihre Auslandsleinsätze. Da kommen viele unter, die woanders keinen Job erhalten. Deswegen befinden sich darunter erstaunlich oft gescheiterte Existenzen, die meinen, sich so sanieren zu können (s. die Äußerung von Herrn Prof. Dr. Wolffssohn). Sie bedürfen keiner besonderen Erwähnung. Wir brauchen nicht wieder eine Prägung der Gesellschaft durch Soldaten. Solche Prägung hat in unserer Geschichte genug Elend verursacht. Wenn überhaupt notwendig, mögen Soldaten ein notwendiges Übel sein; mehr nicht.

      In diesem Zusammenhang ist es auch überflüssig, einen Veteranentag einzurichten, wie dies der Bundesminister der Verteidigung vorgeschlagen hat. Wir bräuchten einen Anti-Kriegs-Tag; dieser wäre viel wichtiger. Sollte der Verteidigungsminister seinen Vorschlag des Veteranentages durchsetzen, so sei der Friedensbewegung geraten, einen Anti-Kriegs-Tag genau an diesem Tag auszurufen, damit dem Wahnsinn des Tötens gegengesteuert wird von Menschen, denen der Friede das Wichtigste ist.

      Der Verteidigungsminister sagte, zu unseren Soldaten stünden wir alle. Das ist der Fall (siehe oben). Die Mehrheit der Bundesdeutschen hatte sich allerdings gegen den Einsatz von Soldaten in Afghanistan ausgesprochen. Und die Mehrheit ist auch heute noch gegen ihren Einsatz. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was notwendig ist und was nicht. Im Gegensatz zu den verantwortlichen PolitikerInnen hat die Mehrheit der Bevölkerung von Anfang an die Unsinnigkeit des Einsatzes deutscher Truppen in Afghanistan erkannt. Die Bevölkerung ist weiter als ihre Politiker. Dies ist für die Politiker das Problem. Deswegen fand eine Diskussion an diesem Abend statt.

      Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Politik jetzt froh ist, wenn die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden. „Am Hindukusch wird unsere Freiheit verteidigt“, war die blödeste Phrase seit Jahrzehnten. Der Spruch wurde von dem früheren und zwischenzeitlich verstorbenen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck in die Welt gesetzt; dies war der Versuch einer Remilitarisierung deutscher Militärpolitik.

      „Nichts ist gut in Afghanistan“, sagte die evangelische Theologin Käßmann. Dem hat sich zwischenzeitlich auch der ehemalige Bundeskanzler Schröder angeschlossen. 53 deutsche Soldaten haben diesen Einsatz bisher mit ihrem Leben bezahlt. Wir brauchen Mut zum Frieden, nicht Mut zum Krieg.

      In einer Einblendung brachten sie ein Interview mit Professor Michael Wolffssohn, der an der Münchener Hochschule der Bundeswehr lehrte. Er kritisierte die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und meinte, die Stellung der Soldaten am Rande der Gesellschaft hinge damit zusammen, dass wir mittlerweile ein Berufsheer haben und die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft worden ist. Im Übrigen sei bekannt, dass nur diejenigen Soldat würden, die auf dem allgemeinen Stellenmarkt schlechte Chancen hätten; deswegen seien da viele aus der Unterschicht vertreten, die zum großen Teil aus dem Osten kämen. Dies ist nachvollziehbar; kein vernünftiger junger Mensch mit guten Zeugnissen käme auf die Idee, zu den Soldaten zu gehen. Darüber erregte sich der sonst so ruhige Bundesverteidigungsminister. Prof. Wolfssohn hatte hier auf eine Wurzel des Übels hingewiesen. Insofern war sein Beitrag genau richtig. Professor Wolffssohn war akademischer Lehrer an einer Bundeswehr-Hochschule (mittlerweile ist er im Ruhestand).

      Soldaten seien Helfer, Schützer und Kämpfer, wurde in der Diskussion gesagt. Das war der untaugliche Versuch, das mörderische Soldatenhandwerk schön zu reden. Nein, das stimmt so nicht. Der wesentliche Einsatz von Soldaten liegt nicht in ihrer Verwendung bei Katastrophenfällen, wo sie auch einmal nützlich sein können, sondern er liegt im Einsatz bei Kriegen zu Tötungs- und Vernichtungszwecken.

      Die Zweifelhaftigkeit von Aktionen der Bundeswehr und ihrer Befehlshaber wird auch gut sichtbar an dem von dem damaligen Bundeswehr-Oberstleutnant Georg Klein angeordneten Luftangriff bei Kunduz im Jahre 2009. Laut einem Bericht bei Spiegel-Online hatte er sich zu seinen Aufgaben vorher geäußert: „Wir werden mit der Härte, die geboten ist, zurückschlagen“. Dies zeigte das klare Feindbild dieses Mannes.

      Der damalige Oberstleutnant Klein war am 4. September 2009 befehlshabender Offizier in Afghanistan und für den Luftangriff bei Kunduz verantwortlich. Bei dem Luftangriff gegen 02:00 Uhr Ortszeit wurden zwei von den Taliban entführte Tanklastwagen und Menschen bombardiert, die sich in der Nähe befanden. Klein hatte diesen Bombenanwurf mit teilweise falschen Angaben angefordert; zwei US-amerikanische Flugzeuge hatten ihn ausgeführt. Nach Einschätzung der NATO wurden durch diesen Angriff bis zu 142 Menschen getötet und verletzt (es existieren unterschiedliche Zahlenangaben in verschiedenen Berichten über diesen Einsatz).Darunter befanden sich auch Kinder. Das war die bisher größte Opferzahl eines Bundeswehr-Einsatzes und der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF (International Security Assistance Force).

      Der Einsatzbefehl und die Tötung von Zivilisten und Kindern wurde seinerzeit in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert und führte zum Rücktritt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Jung, der zum Zeitpunkt der Ereignisse Bundesminister der Verteidigung war. Er hatte dafür die politische Verantwortung übernommen.

      Die Bundeswehr hatte zunächst verlauten lassen, dass nur Taliban getötet wurden. Dann stellte sich heraus, dass auch Kinder und Jugendliche unter den Opfern waren. Nach dem Studium der ausführlichen Beschreibungen bei Wikipedia kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Oberstleutnant Klein mit seinem Einsatzbefehl eine große Anzahl von Taliban töten wollte. Damit wollte Deutschland wieder mitspielen in der militärischen ersten Liga. Man kann sich weiterhin des Eindrucks nicht erwehren, dass er dabei die Tötung von Zivilisten und Kindern billigend in Kauf genommen hat. Das sind für Militärs bedauerliche Kollateralschäden, die dazu gehören. Ein vorheriges Überfliegen des Tanklastzuges zur Warnung der dort vorhandenen Menschen ist nicht angeordnet worden. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies bewusst unterblieben war.

      Schon seinerzeit sprach vieles dafür, dass dieser Oberstleutnant seinen Abschussbefehl nach Rücksprache mit höchsten militärischen Stellen, vielleicht sogar mit der obersten Heeresleitung in Berlin, abgegeben hatte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass dieser Mann, der für den Tod von Zivilisten und Kindern verantwortlich ist, innerhalb kürzester Zeit befördert wurde; heute ist er General. Der Mann ist nach seinem Tötungsbefehl karrieremäßig hochgegangen wie eine Rakete. Der Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, Klein 2013 zum Abteilungsleiter


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