Erziehungskunst III. Rudolf Steiner

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Erziehungskunst III - Rudolf Steiner


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an die Subtraktion heranbringen kann.

      K. macht den Vorschlag, mit dem Stereometrischen zu beginnen.

      Rudolf Steiner: Für Erwachsene kann man von Körpern ausgehen, aber warum haben Sie die Sehnsucht, bei dem Kinde vom Körper auszugehen und von da zur Fläche zu gehen? Sehen Sie, es ist das Räumliche im allgemeinen unübersichtlich, sehr unübersichtlich vor allem für das Kind. Man wird nicht leicht dem Kinde eine andere als eine sehr verschwommene Vorstellung vom Räume beibringen können. Es leidet sogar die Phantasie darunter, wenn man dem Kinde zumutet, dass es gleich Körper vorstellen soll. Sie gehen davon aus, dass der Körper das Konkrete ist, die Linie das Abstrakte; das ist nicht der Fall. Ein Dreieck ist als solches schon ganz konkret, ist für sich etwas im Raum. Das Kind sieht stark flächenhaft. Es ist vergewaltigt, wenn es in die dritte Dimension, in die Tiefendimension gehen soll. Wenn das Kind seine Phantasie anwenden soll, um sich den Körper vorzustellen, dann muss es die Elemente zu diesem Phantasie vorstellen vorher schon haben. Es muss sich eigentlich schon die Linie und das Dreieck vorstellen können, ehe es sich zum Beispiel den Tetraeder vorstellen kann. Es ist besser, wenn das Kind vorher schon eine wirkliche Vorstellung vom Dreieck hat. Das Dreieck ist eine Sache für sich, es ist nicht bloß eine Abstraktion vom Körper. Ich würde glauben, dass man Geometrie nicht zuerst als Stereometrie, sondern als Planimetrie lehren soll, als Lehre von Figuren und dazwischenliegenden Flächen, was sehr wünschenswert ist, weil das dem, worauf das Kind sein Auffassungsvermögen gern richten will, Unterstützung bringen kann, auch durch Verbindung der Geometrie mit dem Zeichenunterricht. Ein Dreieck wird ein Kind verhältnismäßig bald zeichnen, und man sollte nicht zu lange warten mit dem Nachzeichnen dessen, was das Kind geometrisch anschaut.

      E. gibt das gestrige Zeichenmotiv heute für ein cholerisches Kind und für ein phlegmatisches Kind.

      Rudolf Steiner: Für das cholerische Kind ist das ein sehr gutes Motiv. Für das phlegmatische Kind würde ich die Sache vorziehen, gesprenkelt zu machen, das heißt also, so kariert würde ich es für das phlegmatische Kind vorziehen. Ihres hier ist eine Möglichkeit, aber es wird das phlegmatische Kind doch zu wenig aufmerksam gemacht. Dann gibt

      T. Zeichnungen für das melancholische und für das sanguinische Kind.

      Rudolf Steiner: Bei dieser Methode wird in Betracht kommen, dass man dem sanguinischen und melancholischen Kinde sicher dadurch entgegenkommen könnte, dass man beim sanguinischen Kinde sehr viel auf die Wiederholung hält, auf variierte Wiederholung. Man lasse vielleicht das sanguinische Kind ein Motiv so zeichnen:

      Dann noch einmal drei solche Dinger:

      Dann noch einmal:

      so dass viel auf die Wiederholung hinauskommt. Beim melancholischen Kinde würde es gut sein, dasjenige zu beachten, wohinein doch etwas das Nachdenken spielt. Nehmen wir an, das melancholische Kind sollte zunächst eine solche Form (Zeichnung a) ausbilden und dann die Gegenform (Zeichnung b), so dass es sich ergänzt.

      Dadurch kommt die Phantasie in Regsamkeit. Ich will dasjenige schraffieren, was die ursprüngliche Form (a) ist, und die Gegenform (b) so. Dasjenige, was hier (a) schraffiert ist, würde hier (b) leer sein. Wenn Sie sich das Leere ausgefüllt denken, würden Sie diese Form (a) wieder herausbekommen. Dadurch sind die äußeren (b) entgegengesetzte Formen von den inneren (a). – Sie haben also hier das Entgegengesetzte von solchen Zeichnungen, wo Wiederholung auftritt. Hier etwas, was gedanklich ist, mit der Anschauung vereinigt für das melancholische Kind. Und wo Wiederholung auftritt, Ranken und so weiter, das ist für das sanguinische Kind.

      A. erzählt das Märchen vom »Marienkind« in der Fassung für phlegmatische Kinder.

      Rudolf Steiner: Es wäre wichtig, sich an eine gut artikulierte Sprache zu gewöhnen und so die Kinder aus der Mundart herauszuführen. Frau Dr. Steiner wird vorsprechen.

      D. erzählt das Märchen vom »Meerkätzchen« in der Fassung für phlegmatische Kinder.

      Rudolf Steiner: Ich würde nur raten, versuchen Sie in einem solchen Falle auch Nebenhilfen des Erzählens zu benützen. Ich würde gerade dem phlegmatischen Kinde gegenüber öfter mal mit dem Satze einhalten, dann die Kinder angucken, dann das ausnützen, dass die Phantasie weiterarbeitet. Diese Neugierde an wichtigen Stellen erregen, damit sie ein wenig schon weiterdenken und selber sich ausmalen: »Die Königstochter, – die war – sehr schon, – aber – weniger – gut!« Dieses Ausnützen ist gerade für phlegmatische Kinder am wirksamsten.

      R. erzählt das »Sesammärchen« für Phlegmatiker.

      Rudolf Steiner: Das Überraschungsmoment benützen, das Neugiermoment.

      L. erzählt für sanguinische Kinder eine Tiergeschichte von Pferd, Esel, Kamel. Welches ist euch lieber, das Pferd oder der Esel?

      Rudolf Steiner: Einige Melancholiker werden den Esel lieber haben. – Ja, was ich bei diesen Tierbeschreibungen bitten würde, das wäre nur, möglichst darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Kind angeleitet wird zur Beobachtung der Tiere, dass in solchen Beschreibungen wirkliche Naturgeschichte liegen könnte.

      M. gibt für Sanguiniker und Melancholiker die Schilderung eines Affen, der in das Dachgebälk floh.

      Rudolf Steiner: Ja, das würde auf den Melancholiker unter Umständen einen ganz guten Eindruck machen, aber auch da meine ich, dass es noch etwas auszubilden wäre dahin, dass die Tierbeobachtung als solche gefördert würde. Ich möchte nur bemerken, dass die Berücksichtigung des Temperamentes des Kindes nicht außer acht gelassen werden sollte, dass man aber ruhig die ersten drei bis fünf Wochen dazu verwenden sollte, die Temperamente der Schüler zu beobachten und sie dann so in Gruppen zu teilen, wie wir es hier besprochen haben. Sie werden gut tun, wenn Sie auch die Extreme der Temperamente ins Auge fassen würden. Goethe hat ja aus seiner Weltanschauung heraus den schönen Gedanken geprägt, dass am Abnormen studiert werden könne das Normale. Goethe sieht eine abnorme Pflanze an, eine missbildete Pflanze, und an der Art der Missbildung lernt er das Normale kennen. So kann man auch Verbindungslinien ziehen von dem durchaus Normalen zu den Missbildungen des leiblich-seelischen Wesens, und Sie werden selbst die Linie finden von den Temperamenten zu dem abnormen Seelenwesen. Wenn das melancholische Temperament abnorm ausartet und nicht innerhalb der seelischen Grenzen bleibt, sondern ins Körperliche übergreift, so entsteht der Wahnsinn. Der Wahnsinn ist die Ausartung des im wesentlichen melancholischen Temperamentes. Die Ausartung des phlegmatischen Temperamentes ist der Schwachsinn oder Blödsinn. Die Ausartung des Sanguinischen ist die Narrheit. Die Ausartung des Cholerischen ist die Tobsucht. Sie werden aus ganz normalen Seelen-zuständen manchmal, wenn der Mensch im Affekt ist, solche Anwandlungen aufsteigen sehen von Wahnsinn, von Schwachsinn, von Narrheit, von Tobsucht. Es ist schon notwendig, dass man sich einstellt auf die Beobachtung des ganzen Seelenlebens. Jetzt wollen wir an die Erledigung der anderen Aufgabe gehen. Ich sagte, was würden sich unsere Freunde zur Aufgabe stellen, wenn sie bei acht- bis neunjährigen Kindern, die sie vor sich haben, die Erfahrung machen, dass drei bis vier Wochen nachdem die Schule begonnen hat, ein phlegmatisches Kind, ein cholerisches und ein melancholisches Kind gewissermaßen die drei Aschenbrödel der Klasse werden, dass sie von allen gepufft werden, dass niemand mit ihnen umgeht und so weiter. Also, wenn das passiert wäre, wie würden sich die Lehrenden und Unterrichtenden hierzu verhalten?

      Verschiedene Teilnehmer äußern sich darüber.

      Rudolf Steiner: Nie die Kinder sich gegenseitig denunzieren lassen, sondern man sollte auf andere Weise herausbekommen, was die Ursache ihres Aschenbrödeltums ist. Die Kinder brauchen nicht selber Schuld zu sein. Sehen Sie, man kommt oftmals in den Fall, helfen zu sollen bei der Kindererziehung. Wenn die Kinder in allerlei Unarten hineinkommen, so kommen Mütter und Väter, die sagen zum Beispiel: Mein Kind lügt. – Nun würde man wohl kaum fehlgehen, folgenden Rat zu geben. Man sagt: Denken Sie


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