Der große Reformbetrug. Udo Schenck

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Der große Reformbetrug - Udo Schenck


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d. R. auf deren hinreichende Kennzeichnung im Text beschränken.

      Die eben genannten Institutionen stehen wohl kaum in dem Verdacht einseitig Partei für die Arbeitnehmerschaft ergreifen zu wollen. Dies, und die Notwendigkeit in Ermangelung von Alternativen auf deren Daten zurückgreifen zu müssen, stellt die Untermauerung meiner Darlegungen mit Hilfe eben dieser Daten auf ein umso solideres Fundament.

      Mit dem eingangs genannten Septembertag im Jahr 2009, an dem dieses Buch gewissermaßen geboren wurde, soll es auch beginnen. So möchte ich mit dem ersten Kapitel als Einstimmung dem/der Leser/in zunächst einen Einblick in die typischen Alltagssituationen von Erwerbslosen und Erwerbstätigen unter dem Joch der Hartz-Gesetze ermöglichen, wobei z. gr. T. eigene Erlebnisse in erzählender Weise geschildert werden, neben Betrachtungen und Analysen von außen (u. a. wissenschaftliche Expertisen). In den übrigen vier Kapiteln folgen sodann ökonomische und geschichtliche Betrachtungen und Untersuchungen, die klären wollen wer Gewinner und Verlierer der neoliberalen Reformpolitik sind und warum.

      Zu der vorliegenden Ausgabe als E-Book noch eine Anmerkung: Aus technischen Gründen ist es in diesem Fall leider nicht möglich Fußnoten darzustellen, weshalb die betreffenden Passagen im Text gekennzeichnet werden mussten. Ebenso musste auf die Umrahmung von sog. Kästen verzichtet werden, in denen bestimmte Themen gesondert besprochen werden. Ersatzweise wurde zu deren Hervorhebung der Zeilenabstand auf „1“ reduziert.

      Ich danke recht herzlich allen, die mir mit Rat und Tat bei der Niederschrift dieses Buches zur Seite standen.

      Berlin im Sommer 2015

      Udo Schenck

      Zusammenfassung und Ausblick

      „Wir beschließen etwas, stellen es dann in den Raum und warten einige Zeit was dann passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

      Jean-Claude Juncker, seit 01.11.2014 Präsident der Europäischen Kommission,

      in „DER SPIEGEL“ 52/1999 „Die Brüsseler Republik“

      Gut dreißig Jahre sind seit der neoliberalen Wende zu Beginn der 1980er Jahre, die sich die Demontage des modernen Wohlfahrtsstaates in Deutschland zum Ziel setzte, vergangen. Die Schaffung des modernen Wohlfahrtsstaates, keynesianischer Prägung, war eine Konsequenz aus den Lehren der bisher schwersten Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre und wurde seit dem in fast allen Industriestaaten aufgebaut. Zur Stabilisierung von Volkswirtschaften erschien es danach u. a. geboten alle Bevölkerungsschichten angemessen an der Wertschöpfung einer Volkswirtschaft partizipieren zu lassen, d. h. Löhne und Gehälter mit der Produktivitätsentwicklung schritt halten zu lassen, für alle Chancengleichheit durch Zugang zu entgeltfreier Bildung anzustreben sowie eine gerechte Besteuerung einzuführen, die auch hohe Vermögen angemessen berücksichtigt, um eine stabile und ausreichende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gewährleisten zu können. Ferner sollte so die Handlungsfreiheit des Staates sichergestellt werden, der u. a. für den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur Sorge zu tragen hatte, die für die Funktionstüchtigkeit einer Volkswirtschaft als nicht minder bedeutend erachtet wurde. Weiterhin kam dem Staat nach diesem Muster eine bedeutende Rolle zur Regulierung des Wirtschaftsgeschehens zu. So sollte der Staat in konjunkturellen Schwächephasen mit Ausgaben, die über Rücklagen oder notfalls über Steuererhöhungen an geeigneter Stelle oder über Kredite finanziert wurden, stimulierend auf die Konjunktur einwirken (nach J. M. Keynes: „Deficit spending“) und bei sich überhitzender Konjunktur mäßigend einwirken, sich also dem konjunkturellem Verlauf gegenüber antizyklisch bzw. ausgleichend verhalten. So war die Bekämpfung der Armut im modernen Wohlfahrtsstaat nicht nur moralisch geboten, sondern wurde im Sinne einer wirtschaftlichen Stabilisierung bzw. zur Sicherstellung einer ausreichenden Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern sowie Dienstleistungen als absolut notwendig angesehen. Dem Modell des modernen Wohlfahrtsstaates lag hierbei noch eher die Vorstellung von relativ geschlossenen Volkswirtschaften zugrunde, die sich bei Bedarf mit protektionistischen Maßnahmen gegen außenwirtschaftliche Einflüsse abschotten wollen. Das Scheitern des modernen Wohlfahrtsstaates wurde einerseits durch die Schwäche des US-Dollars, der entgegen den Vorstellungen des britischen Wirtschaftswissenschaftlers J. M. Keynes, der eine einheitliche Weltwährung befürwortete, als Leitwährung fungierte, und den Zusammenbruch des Weltwährungssystems eingeleitet.

      Die Regulierungen und (Handels)Beschränkungen des modernen Wohlfahrtsstaates, zu denen u. a. die Erhebung von protektionistischen Einfuhrzöllen, die Subventionierung heimischer Gewerbezweige, wie z. B. des Steinkohlebergbaus, sowie eine umfassende Sozialgesetzgebung, die vor allem das Wohl aller Bevölkerungsschichten, der Allgemeinheit in den Vordergrund stellten, standen und stehen insbesondere den wettbewerbsstarken Kräften bzw. Branchen im Wege, die expandieren wollen, denen der heimische Binnenmarkt zum Absatz ihrer Waren und Dienstleistungen zu klein geworden ist und die demzufolge vor allem globale Wettbewerbsfähigkeit im Sinne des Shareholder Value (deutsch: Aktionärswert) anstreben. Zu diesen Kräften zählen die großen Konzerne und Banken, das Große Geld, die Global Player sowie letztendlich ihre Teilhaber, die Aktionäre. In Deutschland sind das vor allem große Konzerne und Betriebe der Automobilindustrie, des Maschinebaus, der Chemischen- und Elektroindustrie und der Rüstungsindustrie, die technisch und wissenschaftlich sehr hochwertige Güter produzieren, die im Vergleich zu anderen weniger hochwertigen Gütern, die in Deutschland produziert werden bzw. wurden, wie z. B. in der Textilindustrie, noch relativ wenigen ebenbürtigen Konkurrenten auf dem Weltmarkt begegnen.

      Die zentrale neoliberale Forderung nach globaler Wettbewerbsfähigkeit ist untrennbar mit der nach globalem Freihandel, nach optimaler Allokation von Ressourcen, d. h. möglichst hoher Mobilität bzw. Verfügbarkeit von Rohstoffen, Kapital und Arbeitskräften verbunden, um zu den kostengünstigsten Bedingungen produzieren- und Dienstleistungen anbieten zu können. Das hat zur Folge, dass vor allem überall dort Ressourcen nachgefragt werden wo diese am preisgünstigsten auf dem Weltmarkt zu erwerben sind. Steinkohle wird also weniger in Deutschland nachgefragt, sondern u. a. viel mehr in Südafrika, wo sie bedeutend preiswerter ist, ebenso wie Textilien in Bangladesch erheblich preiswerter zu erwerben bzw. zu produzieren sind und nun hauptsächlich dort produziert werden. Ferner besteht so auch die Möglichkeit, wie z. B. im Falle der sog. „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ in der EU, Arbeitskräfte aus dem Ausland einzuführen, die erheblich kostengünstiger als die Einheimischen sind. Unschwer ist zu erkennen, dass u. a. die sog. Arbeitnehmerfreizügigkeit den einheimischen Arbeitskräften das Leben eher schwerer macht, als ihnen Freiräume zu öffnen. Korrekter wäre hier eigentlich die Bezeichnung Arbeitgeberfreizügigkeit, weil es die Arbeitgeber sind, die nun frei aus dem Vollem schöpfen können und auf dem ganzen Weltmarkt Ausschau nach den billigsten Arbeitskräften halten können, womit also sie es sind die davon profitieren, was eben im Sinne (Wettbewerbsfähigkeit) des Erfinders war.

      So wurde seit Mitte der 1970er Jahre der Ruf nach Deregulierung von Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sozialsystemen sowie nach Globalisierung bzw. Marktöffnung immer lauter, womit der Kampf des großen Kapitals gegen den Protektionismus bzw. gegen den modernen Wohlfahrtsstaat verstärkt aufgenommen wurde. Die wettbewerbsstarken Branchen Deutschlands gehen entgegen weiten Teilen des Mittelstandes, der vor allem auf dem heimischen Binnenmarkt seine Einkommen erzielt, sogar soweit, die völlige, ungeschützte Marktöffnung Deutschlands zu fordern, weil andere Staaten sonst kaum zur Öffnung ihrer Märkte zu bewegen wären, die sie erobern wollen. Deswegen regt sich in den letzten Jahren zunehmend Widerspruch aus dem Mittelstand gegen eine exportorientierte Wirtschaftspolitik der völligen, ungeschützten Marktöffnung. Jedoch stoßen große Teile dieses Mittelstandes immer noch mit dem Großen Geld gemeinsam ins Horn, geht es darum Löhne und Gehälter zu drücken, Lohnnebenkosten und Steuern zu senken, Sozialabbau zu fordern, letztendlich einen schlanken Staat zu fordern, der im Idealfall darauf reduziert sein soll zu ihren Gunsten Recht zu sprechen und der dennoch befähigt sein soll eine hervorragende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Diese Teile des Mittelstandes vergessen oder verdrängen offenbar, dass sie sich damit ihren Markt,


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