Mondschattenland. Wolfgang Bendick

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Mondschattenland - Wolfgang Bendick


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      Wir fahren über die grüne Hochebene, aus der sich der oben mit Schnee bedeckte Ararat erhebt, neben ihm sein kleiner Bruder, auch in Weiß. Ersterer ist über 5000 Meter hoch, der Kleine fast 4000. Wie bei der ersten Reise packt mich wieder die Sehnsucht, alles liegen zu lassen und einfach mit ein paar Schafen weiter zu ziehen. Wir sitzen an dem Bach, der hier neben der Straße vorbeifließt. Nicht weit von uns parken ein paar einheimische LKWs. Die Fahrer waschen sich, beten, schrauben an ihren Gefährten und füllen die Kühler auf. Wir warten, bis sie weg sind, dann ziehen wir uns aus und waschen uns auch. Zum Untertauchen ist mir das Wasser zu kalt. Doris wagt es trotzdem. Dann lassen wir uns von der Höhensonne aufwärmen. Nicht weit entfernt erheben sich Heumieten, säuberlich um einen Holzpfahl geschichtet. Sicherlich der Vorrat der Herden für den Winter. Etwas weiter weg erkennen wir Mäuerchen. Das müssen Pferche sein für die Schafherden. Und ein paar niedrige Steinhaufen. Das werden die Unterkünfte der Schäfer sein. Hier und da bewegt sich eine Schafherde wie ein weißer Fleck, wie eine Wolke durch die leicht gewellte, tiefgrüne Ebene. Ebenso am Himmel durch das lichte Blau. Der Blick geht so weit wie am Meer. Die untere Hälfte der Welt ist grün, die obere blau. Und mittendrin die zwei kegelförmigen Ararat-Gipfel, die mit ihren weißen Spitzen diese zwei Hälften zu verbinden scheinen. Eine Windböe jagt über das Land. Ferne, neben den Bergen, ballen sich schwarze Wolken zusammen. Sie türmen sich fast bis zu den Gipfeln auf. Bald sehen wir den Regen wie einen grauen Schleier niedergehen, Blitze zucken darin. Aber all das ist so weit weg, dass wir keinen Donner hören. Langsam treiben die Wolken weg und machen Platz für einen Regenbogen, der dann auch davontreibt. Die Arche kommt mir in den Sinn und Gottes Bund mit den Menschen: Und Gott sagte zu Noah: „Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe mit allen lebenden Wesen!“

      Gegen Abend fuhren wir noch weiter in Richtung iranische Grenze. Da wir sie bei Tageslicht überschreiten wollten, bogen wir bald in eine Seitenstraße ein und fuhren auf dem Holperweg soweit wir konnten. Sie verlief sich gewissermaßen in den Felsen als Vieh- oder Fußpfad. Wo es noch möglich war, drehten wir unseren Bus um, setzten uns davor und aßen zu Abend. Unter uns nur Berge im weiten Rund, fern die zwei Ararat-Spitzen. Die Sonne war schon versunken, nur die westliche Himmelskuppel leuchtete noch in allen Rottönen. Es war eine heilige Stille um uns. Langsam kam die Nacht aus Osten und legte ihren sternenbestückten Mantel über die Welt. Es wurde kalt, wir legten alle zusätzlichen Decken über unsere Schlafsäcke und rückten eng zusammen. Als wir beim ersten Sonnenlicht die Tür aufschoben, erschraken wir. Vor unserem Wagen saß ein in einen dicken, mit Flicken besetzten Mantel gewickelter älterer Mann, graue Bartstoppeln bedeckten sein zerfurchtes Gesicht. Zwischen den Knien hielt er aufrecht ein Gewehr. Er lächelte, als er unsere erschrocken Gesichter sah. Dann stand er auf und sagte etwas Unverständliches. Wir erklärten ihm, dass wir „Alman“ seien. „Arkadesch!“ antwortete er. Wir schlossen aus seinen Gesten, dass er unseren Schlaf bewacht hatte, gegen wilde Tiere und böse Menschen. Wir wollten ihm etwas geben. Doch er lehnte alles mit leicht erhobenen Händen ab und verschwand dann auf einem Pfad hinter den Felsen.

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