Der junge Reformator Luther - Teil 2 – ab 1518. Heinrich Boehmer

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Der junge Reformator Luther - Teil 2 – ab 1518 - Heinrich Boehmer


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Eck – Kupferstich von Peter Weinher

      Etwa am 12. Mai 1518 fuhr er mit den Eislebener Brüdern weiter nach Eisleben und von da dann am 14. Mai auf deren Kosten nach Wittenberg. Am 15. Mai traf er frisch und sogar, wie die Freunde meinten, „habitior et corpulentior“ (dicker), als er es vor vier Wochen verlassen hatte, im Schwarzen Kloster wieder ein. Am 16. Mai früh stand er schon wieder auf der Kanzel der Stadtkirche, um den Wittenbergern eine Predigt über die Wirkung des Bannes zu halten, die in dem Verfahren gegen ihn später eine große Rolle spielen sollte. Am 19. Mai sandte er dann an Eck, der inzwischen wieder mit ihm anzuknüpfen versucht hatte, eine Kopie der längst fertig gestellten Asterisci und benutzte diese Gelegenheit gleich, dem hochmütigen Ingolstädter Professor für sein zweideutiges Verhalten ordentlich den Text zu lesen. Kurz zuvor (9. Mai) hatte Karlstadt, dem er Ecks Obelisci mitgeteilt hatte, ganze 406 Thesen veröffentlicht, in denen er ohne sein Wissen und wider seinen Willen auch Eck scharf angegriffen hatte. Er sah ein, dass Eck diesen Angriff nicht stillschweigend hinnehmen könne, und schrieb ihm das auch, bat ihn jedoch, in Erinnerung daran, dass er die Wittenberger zuerst herausgefordert habe, nicht zu rau mit Karlstadt zu verfahren. Eck nahm diesen Brief gut auf. Der Friede mit ihm schien daher jetzt ganz wiederhergestellt zu sein.

      Mehr als dies zur Zeit noch ziemlich harmlose Geplänkel zwischen Ingolstadt und Wittenberg beschäftigten ihn aber die beiden literarischen Arbeiten, mit deren Druck er wohl schon vor seiner Abreise nach Heidelberg begonnen hatte: die lateinische Bearbeitung seiner Predigten über die zehn Gebote und die zweite Ausgabe der Theologia deutsch. Die erste verließ erst am 20. Juli die Presse und wurde sofort zweimal nachgedruckt, die andere kam schon am 4. Juni mit der berühmten Vorrede heraus, die das Werk des alten Frankfurter Gottesmannes bis heute in Kurs erhalten hat, obwohl sie sichtlich von dem Bestreben diktiert ist, den „deutschen Theologen“ als Bundesgenossen der neuen Wittenberger Theologie gegen Tetzel und Genossen auszuspielen, deren Theologie der deutsche Theologe in Wahrheit doch viel nähersteht als der Theologie Luthers. Luther selbst hat das freilich nie recht erkannt, aber von der Bewunderung des deutschen Theologen und Taulers ist er schon 1520 abgekommen. Er hat beide seitdem niemals mehr zitiert und empfohlen.

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      Erster Appell an den Papst

      Zur selben Zeit legte er auch die letzte Hand an das Werk, das er auf Staupitz’ Rat als Beweis für seine Rechtgläubigkeit und löbliche Gesinnung gegen den Heiligen Stuhl Papst Leo X. überreichen sollte: die Resolutionen. Schon am 30. Mai konnte er eine sauber geschriebene Kopie mit einem Begleitbrief an den Papst zu weiterer Beförderung an Staupitz senden. Von diesem Begleitbrief besitzen wir noch ein Blatt seines eigenhändigen Konzeptes, das ein interessantes Licht auf die Stimmung wirft, in der er sich damals befand. Nur deswegen, schreibt er hier, habe er sich an den Papst gewandt, weil er den deutschen Ketzermeistern, d. h. Tetzel und seinen Ordensbrüdern, zeigen wolle, dass er sich nicht vor ihnen fürchte. „Ich weiß, der Mensch kann nichts denken, es werde ihm denn gegeben von oben her. Am allerwenigsten aber kann das der Papst, von dem es ja heißt: das Herz des Königs ist in der Hand Gottes. Daher, Heiliger Vater, lege ich Dir meine Schrift mit allem Vertrauen zu Füßen. Wie immer Deine Entscheidung ausfallen mag, jedenfalls wird sie von Jesus stammen, ohne den Du nichts denken und sprechen kannst. Verurteilst Du mein Buch zum Feuer, so werde ich sagen: Wie es dem Herrn gefallen hat, so ist es geschehen. Befiehlst Du es zu erhalten, so werde ich sagen: Ruhm sei Gott! Ich verliere nichts, wenn es verbrannt, und gewinne nichts, wenn es nicht verbrannt wird. Christus bedarf meiner nicht. Er kann sich auch aus den Steinen Kinder erwecken und die Berge umstürzen, ehe sie es merken. Dieser mein Glaube an meinen Herrn Jesum Christum genügt mir. Er, der Herr, bewahre und leite Dich, nicht nach Deinem oder sonst eines Menschen Wohlgefallen, sondern nach seinem Willen, der allein gut ist und gepriesen sei in Ewigkeit, Amen.“ In der Reinschrift ist der lange Abschnitt über das trotzige Prahlen und Dräuen der deutschen lnquisitoren, d. h. in erster Linie Tetzels, mit dem Namen und der Gewalt des Papstes ganz weggefallen. Statt der Erklärung aber, dass es ihm gleich sei, was der Papst mit seinem Buche mache, heißt es jetzt: „Ich lasse mein Buch zu meiner größeren Sicherheit unter dem Schutze Deines Namens ausgehen, Heiliger Vater, damit alle gutwilligen Leser erkennen können, in welch reiner Gesinnung ich das Wesen der Kirchengewalt zu ergründen versucht habe und welche Ehrfurcht ich der Gewalt der Schlüssel entgegenbringe. Wäre ich so, wie jene mich schildern, so würde der durchlauchtigste Kurfürst Friedrich von Sachsen sicher nicht eine solche Pestbeule an seiner Universität dulden, denn er ist wohl der größte Eiferer für die katholische Wahrheit, den es jetzt gibt. Auch würden dann wohl die höchst scharfsinnigen und überaus fleißigen Männer dieser Universität mich nicht ertragen können; darum, Allerheiligster Vater, werfe ich mich Dir mit allem, was ich bin und habe, zu Füßen: Mache lebendig, töte, rufe, widerrufe, approbiere, verwirf, ganz wie Dir’s beliebt! Ich werde Deine Stimme als die Stimme Christi, der in Dir regiert und redet, anhören. Habe ich den Tod verdient, so werde ich mich nicht sträuben zu sterben. Denn des Herrn ist die Erde und was in ihr ist. Er sei gepriesen in Ewigkeit, Amen.“ Der Schluss des Briefes ist somit bei der Reinschrift von ihm völlig verändert worden. All die für seine Stimmung in diesen Tagen besonders bezeichnenden Wendungen hat er gestrichen und durch einige Sätze im gemeinüblichen Kurialstil ersetzt, so dass der Brief im ganzen aus einem freimütigen Bekenntnis seiner inneren Unabhängigkeit von allen menschlichen Autoritäten nun zu einem Bekenntnis seiner unbedingten Unterwürfigkeit unter die Autorität des Papstes geworden ist. Er hat dabei aber doch einen Satz stehen lassen, der zu dem neuen Schluss passt wie die Faust aufs Auge: „Widerrufen kann ich nicht.“ Dürfen wir ihn ganz allein für diese seinen sonst so frank und frei bekannten Überzeugungen völlig widersprechenden Wendungen verantwortlich machen? Nein! Schon der in dem Entwurf noch gänzlich fehlende Hinweis auf den katholischen Glaubenseifer des Kurfürsten verrät, dass hier die Hand eines Hofmannes mit tätig gewesen ist, der mit dem Kurialstil besser vertraut war als er. Dieser Hofmann kann kaum ein anderer gewesen sein als sein Freund Spalatin, der auch später öfters, meist auf Befehl des Kurfürsten, solche ihm abgeforderte hochoffiziöse Briefe und Erklärungen erst auf den Hofton hat stimmen müssen. Aber dass der Kurfürst diesmal schon die Hand mit im Spiele gehabt habe, ist damit nicht gesagt. Spalatin kann ihm diesen Liebesdienst recht wohl auf eigene Verantwortung und Gefahr getan haben.

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      Letzte Abrechnung mit Tetzel

      Anscheinend an demselben Tage (4. Juni), wo er die Resolutionen an den jetzt unausgesetzt mit dem Drucke seiner Werke beschäftigten Meister Grünenberg ablieferte, flatterten ihm zwei neue Kundgebungen ins Haus, die ihm sofort die Feder wieder in die Hand zwangen: Tetzels fünfzig neue Thesen, die nicht nur ihm, sondern auch dem Kurfürsten ganz unverhüllt mit dem Scheiterhaufen drohten, und die zur selben Zeit von dem gereizten Ketzermeister verfasste Verlegung (Widerlegung) des Sermons von Ablass und Gnade. In ein oder zwei Tagen warf er rasch eine Widerlegung dieser Widerlegung aufs Papier, so dass die neue Schrift schon in der zweiten oder dritten Juniwoche unter dem Titel „Freiheit des Sermons päpstlichen Ablass und Gnade belangend“ erscheinen konnte. Sie fand sofort solch reißenden Absatz, dass Grünenberg sie Anfang Juli bereits in zweiter, stark vermehrter Auflage herausgeben musste. Sachlich enthält sie kaum etwas Neues. Aber der Ton ist ein ganz anderer als in seinen bisherigen Schriften. Er ficht jetzt zum ersten Mal mit der Bauernaxt und „spielt“, wie er selbst sagt, mit dem Gegner, der sich nach seiner Meinung solche Blößen gegeben hat, dass er nicht mehr ganz ernst genommen zu werden verdient. Gleich im Anfang meint er: Dieser „Dichter“ hat anscheinend überflüssig viel Zeit und Papier, weiß aber davon sichtlich keinen besseren Gebrauch zu machen, als die Wahrheit mit unsauberen Worten anzugreifen. „Seine unnötigen leeren Scheltworte befehle ich wie Papierblumen und dürre Blätter dem lieben Wind, der mehr Zeit für so etwas hat als ich. Nur die Ecksteine seines Klettenbaus nehme ich vor.“ „Wenn er so viel tausend scholastische Lehrer anführt, so hat er die bloßen Rechenpfennige doch zu hoch gewertet. Hätte er die Sache recht überlegt, so hätte er nicht viel mehr als drei gefunden, denn die anderen sind doch nur Jaherrn


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