Jenseits der Todesschwelle. Hubertus Mynarek

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Jenseits der Todesschwelle - Hubertus Mynarek


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oft eine Lichtgestalt auftrete, zwar kein Gott, aber ein gestalthaftes Licht, das eine wunderbare Wärme und Güte auf den Sterbenden ausstrahle, jedoch zugleich als Hilfe bei der durchdringenden Gewissenserforschung fugiere. Ebenfalls als Fragesteller: Bist du schon bereit, das Diesseits für immer zu verlassen? Was bringst du als deine Lebensernte hinüber? Fragen, die aber von dem Lichtwesen offenbar nicht anklagend gestellt werden. Vielmehr vermittelt es dem Sterbenden eine Erleuchtung von durchdringender Klarheit, wodurch erst die umfassende, alles erkennbar machende Gewissenserforschung des an der Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits Stehenden ermöglicht wird.

      Halten wir uns aber zunächst noch einen Moment bei der Lichtgestalt selbst auf. Moody charakterisiert sie auf der Grundlage der von ihm durchgearbeiteten Berichte als „ein sehr helles Licht“, das „seine Helligkeit … sehr rasch bis zu überirdischer Leuchtkraft steigert“. Es greife trotz seiner „unbeschreiblichen Helligkeit“ die Augen in keiner Weise an, blende nicht noch hindere es daran, andere Dinge in der Umgebung wahrzunehmen. Dieses Licht sei aber keine Sache, es sei zweifelsfrei „ein lebendes Wesen, ein Lichtwesen … es hat personalen Charakter und besitzt unverkennbar persönliches Gepräge.“ Es ströme „unbeschreibliche Liebe und Wärme“ auf den Sterbenden aus. „Er fühlt sich davon vollkommen umschlossen und ganz darin aufgenommen, und in der Gegenwart dieses Wesens empfindet er vollkommene Bejahung und Geborgenheit. Er fühlt eine unwiderstehliche, gleichsam magnetische Anziehungskraft von ihm ausgehen. Er wird unausweichlich zu ihm hingezogen“, spürt, dass eine „uneingeschränkte Liebe und Bejahung“ von diesem Wesen ausgeht.80

      Die Kommunikation des Sterbenden mit der Lichtgestalt geschieht nicht mittels seiner Sinnesorgane. Er hört keine Stimme, keinen Laut, nichts Akustisches, keine Worte aus der eigenen Muttersprache. Er fängt vielmehr Gedanken auf, diese allerdings ganz direkt, ganz ungehindert und ungehemmt, so dass er sofort genau weiß, was das Lichtwesen will bzw. ihm mitteilt. Es handelt sich hierbei um eine durch nichts verfälschte Gedankenübertragung, so dass jegliches Missverständnis, „auch jegliches Lügen dem Licht gegenüber von vornherein ausgeschlossen“ ist.81 Der Sterbende versteht den Sinn der vom Lichtwesen ausgehenden Gedankenströme augenblicklich und sonnenklar. Aber er hat gewisse Schwierigkeiten, sie nach seiner Wiederbelebung in die menschliche Sprache zu übersetzen. Er kommt ja aus einer anderen Dimension, einem anderen „Raum“ in unsere diesseitige Welt zurück.

      Obwohl das Lichtwesen von denen, die Nahtoderlebnisse hatten, recht übereinstimmend charakterisiert wird, geben sie ihm nach ihrer Reanimation unterschiedliche Namen, die aus ihrer eigenen Vorstellungs- und Glaubenswelt herkommen. Reanimierte mit christlichem Hintergrund identifizieren die an sich anonyme Lichtgestalt meist mit Christus, reanimierte Juden, Muslims, Hindus und Buddhisten mit einem Engel, einem Abgesandten, geistlichen Führer oder einem Boddhisatva, wobei aber besagtem Engel weder Flügel noch Harfe noch menschliche Gestalt zugesprochen werden.

      Hier der Bericht einer wiederbelebten Christin, der eine Variante dieser Identifizierungen noch anschaulicher macht: „Ich hörte die Ärzte noch sagen, ich sei tot – und von jenem Augenblick an hatte ich dann das Gefühl, durch Finsternis, eine Art eingegrenzten Raum, zu fallen oder eher vielleicht zu schweben. Das kann man nicht richtig beschreiben. Es war alles pechschwarz, nur ganz weit in der Ferne konnte ich dieses Licht sehen, dieses unglaublich helle Licht. Am Anfang schien es nicht sonderlich groß zu sein, doch wuchs es immer mehr an, je näher ich kam. Ich versuchte, mich zu diesem Licht dahinten hinzubewegen, weil ich glaubte, dass es Christus war; ich gab mir alle Mühe, diesen Punkt zu erreichen. Das Erlebnis machte mir keine Angst – es war eher freudig. Da ich Christ bin, hatte ich das Licht nämlich sofort mit Christus in Verbindung gebracht, der ja gesagt hat: ‚Ich bin das Licht der Welt.‘ Ich meinte zu mir selbst: ,Wenn es jetzt soweit ist, wenn ich jetzt sterben muss, dann weiß ich, wer da am Ausgang in jenem Licht auf mich wartet.‘“82

      Auch Dr. George Ritchie, nach seinem Nahtoderlebnis Psychiater am Arlington House Hospital in Charlottesville, Virginia, und Verfasser des Buches „Return from Tomorrow“, identifizieren die Lichtgestalt mit Christus. Er hatte als Soldat mit doppelseitiger Lungenentzündung im Armeehospital von Camp Barkeley, Texas, gelegen und war dort am 20. Dezember 1943 für tot erklärt worden. Der Arzt, Dr. Donald Francy, und zwei Assistenten hatten übereinstimmend den Tod festgestellt. Fast zehn Minuten lang war Ritchie schon ohne Herzschlag und Atmung gewesen, als ein Soldat, der den „Toten“ für die Leichenhalle zubereiten sollte, merkte, dass dieser noch zu leben schien. Dr. Francy injizierte ihm daraufhin Adrenalin direkt ins Herz und holte ihn so endgültig wieder ins Diesseits zurück.

      Aber während seiner „Jenseitsreise“ begegnete auch Ritchie der Lichtgestalt und war dabei zweifelsfrei überzeugt, dass es Christus ist: „Das Licht, das den Raum erfüllte, war Christus. Ich wusste das, denn tief in meinem Innern formte sich der Gedanke: ,Du erlebst die Gegenwart von Gottes Sohn.“ Es war eine so freudvolle, so allumfassende Gegenwart, dass ich mich für immer in diesem Wunder verlieren wollte.“83

      Es scheint, dass Sterbende ohne spezifisch konfessionellen Hintergrund, auch nichtfanatische Agnostiker und Atheisten mit offenem Horizont die Lichtgestalt in ihrem irgendwie personalen, aber eben anonymen Charakter objektiver zu sehen vermögen. Dazu zwei diesbezügliche Berichte: „Ich war aufgestanden und durch die Diele gegangen, um mir etwas zu trinken zu holen, und dabei muss dann mein Blinddarm geplatzt sein, wie man später feststellte. Ich bekam einen Schwächeanfall und fiel zu Boden. Da überkam mich auf einmal das Gefühl, zu schweben, mich mit meinem wahren Sein aus meinem Körper heraus- und wieder hineinzubewegen, und zugleich hörte ich wunderbare Musik. Ich schwebte die Diele hinunter und zur Tür hinaus, auf die mit einem Gitter umgebene Veranda. Da schien mir fast, als ob sich auf einmal ein Wölkchen oder, besser gesagt, ein rötlicher Nebel um mich erhob, und dann schwebte ich geradewegs durch das Gitter, so als ob es überhaupt nicht vorhanden wäre, und weiter hinauf in dieses reine, kristallklare Licht – ein leuchtendweißes Licht. Es war wunderschön und so hell, so strahlend, aber es tat den Augen nicht weh. So ein Licht kann man hier auf Erden überhaupt nicht beschreiben. Ich sah das Licht eigentlich nicht als Person an, aber es hat doch unzweifelhaft eine persönliche Individualität. Es ist ein Licht höchsten Verstehens und vollkommener Liebe. Da erreichte der Gedanke mein Bewusstsein: ,Liebst du mich?‘ Er kam nicht ausdrücklich in Form einer Frage, aber ich glaube doch, dass das Wesen damit zugleich sagen wollte: ,Wenn du mich wirklich liebst, dann geh zurück und vollende, was du in deinem Leben begonnen hast.‘ Währenddessen fühlte ich mich die ganze Zeit in überwältigende Liebe und Barmherzigkeit eingehüllt.“

      2. Bericht: „Ich wusste, dass ich starb und dass es nichts gab, was ich dagegen hätte tun können, weil mich doch keiner mehr hörte … Ich befand mich außerhalb meines Körpers, ganz ohne Zweifel. Ich konnte ihn da auf dem Operationstisch liegen sehen. Meine Seele war ausgetreten! Zunächst drückte mich all das furchtbar nieder, aber dann erschien dieses gewaltig helle Licht. Am Anfang war es wohl ein bisschen matt, aber dann schwoll es zu einem Riesenstrahl – es war einfach eine enorme Lichtfülle, mit einem großen hellen Scheinwerfer überhaupt nicht zu vergleichen, wirklich ungeheuer viel Licht. Außerdem strahlte es Wärme aus; ich konnte sie deutlich spüren. Das Licht war von einem hellen, geblichen Weiß, jedoch mehr zum Weißen hin. Es war außerordentlich hell, einfach unbeschreiblich. Obwohl es alles zu bedecken schien, konnte ich doch meine ganze Umgebung deutlich erkennen – den Operationssaal, die Ärzte und Schwestern, wirklich alles. Ich konnte deutlich sehen. Es blendete überhaupt nicht. Als das Licht erschien, wusste ich zuerst nicht, was vorging. Aber dann – dann fragte es mich, es fragte mich irgendwie, ob ich bereit sei, zu sterben. Es war, als spräche ich mit einem Menschen – nur dass eben kein Mensch da war. Es war wahrhaftig das Licht, das mit mir sprach … Inzwischen glaube ich, dass die Stimme, die mit mir gesprochen hatte, tatsächlich merkte, dass ich noch nicht zum Sterben bereit war. Wissen Sie, es ging ihm wohl vor allem darum, mich zu prüfen. Dennoch habe ich mich von dem Augenblick an, in dem das Licht mit mir zu sprechen begann, unendlich wohl gefühlt, geborgen und geliebt. Die Liebe, die es ausströmte, ist einfach unvorstellbar, überhaupt nicht zu beschreiben. Es war ein Vergnügen, sich in seiner Nähe aufzuhalten, und es war auch humorvoll auf seine Art, ganz gewiss!“84

      Nachdem wir das Wesen der Lichtgestalt einigermaßen umschrieben haben, wollen wir uns noch dem Lebenspanorama


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