Jenseits der Todesschwelle. Hubertus Mynarek
Читать онлайн книгу.ausgleichende Gerechtigkeit ...“39
Leitmotiv, alles beherrschende Idee, höchste Zielvorgabe ist das Prinzip des Fortschritts in der Vollkommenheit. Nowotny drückt diesen Gedanken durch sein Medium folgendermaßen aus: „Es ist … auch notwendig, sich immer wieder klar zu machen, dass es nur einen Aufstieg gibt, eine Höherentwicklung, einen Fortschritt, um loszukommen von dem Gedanken, dass nach dem Abschied von der Erde ein Jüngstes Gericht, ein strafender Herrgott oder gar die Hölle zu erwarten ist. Das alles gibt es nicht. Es sind Irrtümer, die durch falsche Auslegung mancher Mitteilungen aus dem Jenseits entstanden sind und an denen mit mehr oder weniger Absicht und Unwissenheit gerne festgehalten wird.“40
Allerdings „das wahrhaft Gute“ ist im Jenseits für den, der aufrichtig will, „klar ersichtlich“, es kann dann nach Nowotny „durch nichts verdunkelt und durch nichts vorgetäuscht werden, während auf der irdischen Welt mancher für gut gehalten wird, der weit davon entfernt ist, weil reine Eitelkeit und Geltungsdrang ihn zu sogenannten guten Taten veranlassen, vielfach oder meistens aus reiner Berechnung. Das gilt aber nach höheren Gesetzen nicht als gut und ist so lange wertlos, bis gute Taten aus reinem Herzen an ihre Stelle treten.41
Dort drüben könne der Mensch jedenfalls, so er will, klar erkennen, dass er „im ganzen unendlichen All und der ebenso unendlichen Zeitrechnung nur ein ‚Zwischenwesen‘ ist und von einem Idealbild weit entfernt“. Es sei „Überheblichkeit ..., wenn jemand annimmt, der Mensch sei in der Form, wie er auf der Erde lebt, das höchstentwickelte Wesen.“42
Es gibt nach Nowotny kein Gericht im Jenseits und keine Hölle, wohl aber eine »Scheidung der Geister«. Manche Menschen wollen sich nach dem Tod gar nicht dem Licht, der tieferen Erkenntnis öffnen, sind nicht bereit, den Weg zu immer höherer Vollkommenheit zu beschreiten, der „schwer und mühsam ist“, den Zielpunkt anzustreben, der „allerhöchste Weisheit, gepaart mit allumfassender Liebe“ heißt. Aber denen, die sehen und sich mühen wollen, erscheint ein Licht, das ihnen klar macht: „Weisheit ist nicht nur Wissen und Gelehrsamkeit, es ist der Inbegriff alles Verstehens, die ewige Verbindung von Seele und Geist zu reiner Vollkommenheit.“ Als weise gilt dort drüben nur ein Wesen, das „mit unendlicher Güte und Liebe imstande ist, alles zu wissen und zu verstehen … Das Verstehen der Zusammenhänge der Naturgesetze im Weltall, ihren Sinn zu erfassen und imstande zu sein, ihnen in allem gerecht zu werden, das ist das Ziel, das uns allen gesteckt ist und das erst erreicht sein muss, wollen wir als Idealwesen gelten“. Wie gesagt, „der Weg dorthin ist schwer ..., aber auch unendlich freudvoll, wenn man bestrebt ist, seine geistige Existenz auf Liebe und Weisheit aufzubauen. Wunderbares birgt das All für uns alle, und das ist das Tröstliche im Kampf um den Aufstieg, um den Fortschritt … Wer nur Gutes leisten will, kann damit niemals fehlgehen oder geschädigt werden. Er wird im Gegenteil ungeahnte Kräfte empfangen und seine Leistungen über das normale Maß steigern kömlen“.43
Nochmals: Es gibt kein Gericht Gottes über den Sünder, den Ungläubigen, den Gottesleugner oder gar Gotteslästerer und keine Hölle. Aber dort drüben „erkennt jeder selbst, wo und weshalb er seine Pflichten nicht erfüllt hat“, und deshalb erlegt sich auch jeder selbst „ohne Richter seine Sühne oder Buße oder die noch zu erfüllenden Pflichten auf. Da kann keiner schwindeln wie in der Schule der irdischen Welt“.44 Durch keine Beichte bei einem Priester hier auf Erden noch bei einem höheren Geistwesen im Jenseits kann Schuld, die man auf sich geladen hat, getilgt werden. „Keiner kann“ so Nowotny, „seine Fehler und Irrtümer einfach abladen und sich durch Bitten und Betteln Absolution erflehen. Das ist ein ganz großer Unsinn. Jede Tat trägt ihr Urteil in sich, ob gut oder böse. Und böse Taten können nur durch gute gesühnt und wettgemacht werden … Jeder Mensch richtet sich selbst, nach ganz genauen und ewigen Gesetzen … Gott ist nicht eine Person, zu der man um Vergebung bitten kann. Sie wird von selbst gewährt, wenn die rechte Einstellung gefunden und der Irrtum erkannt ist. Das Erkennen eines Irrtums, verbunden mit dem ehrlichen guten Vorsatz, es ein andermal besser zu machen, bedeutet Fortschritt und bedarf keiner Sühne.“45
Man steht nach dem Tod nicht einer richtenden göttlichen Person gegenüber, vielmehr haben „die ewigen, unendlichen Naturgesetze alles genau geregelt. Wer dagegen verstößt, ob im Diesseits oder Jenseits, muss es schwer büßen, aber nicht auf Grund eines Richterspruchs, sondern als einfache Reaktion auf die ungehörige Tat“. Die Auffassung der „Kirche … vom strafenden, rächenden Herrgott und von der Hölle ist weit entfernt von der Wahrheit und kann die freudige Erwartung auf das ewige Leben in einem besseren Jenseits kaum aufkommen lassen. Wird es erst so weit sein, dass sie mit ihren großen Irrtümern aufräumt, dann wird die Beerdigung eines Verstorbenen keine so herzzerreißende Trauer mehr verursachen wie dies heute so oft noch der Fall ist“.46
Auch die Tilgung der Schuld eines Sterbenden „geschieht sicher nicht durch eine Beichte am Totenbett und Zeremonien, wie sie die Kirche veranstaltet. Denn ich habe schon einmal gesagt, dass keiner seine Fehler abladen oder um Vergebung bitten kann. Was er im irdischen Leben nicht mehr gutmachen kann, das nimmt er als Bürde ins Jenseits mit und hat nach eigenem guten Willen die Möglichkeit zu büßen, wie es die Menschen nennen, oder eben durch gute Taten sie aufzuheben. Das ist oberstes Gesetz und muss immer wieder hervorgehoben werden“.47
Der als Arzt und Psychiater aus dem Jenseits sprechende Nowotny hält die Bindung vieler Menschen an die „materielle Welt“ für die Ursache diverser psychosomatischer Erkrankungen und sieht einen ganz entscheidenden Weg für die Heilung kranker Seelen in der „Konfrontierung mit dem außerirdischen Reiche, dem Sinn und Zweck des irdischen Daseins und der trostreichen Schlussfolgerung, dass es für alle Menschen nur ein Aufwärts gibt und niemals einen Rückschritt“. Deshalb ist „die Aufklärung über die außerirdischen Dinge ein Gebot der Zeit … Zur Zeit steht aber die Kirche mit ihrer festgefahrenen Verbohrtheit noch hindernd im Wege, weil viele Menschen den Mut nicht aufbringen, ihre von Kind auf geflissentlich gepflegte Auffassung vom Leben und Sterben, von Gott, Christus und der Hölle etc. aufzugeben. Nur wenige haben den Mut, offen zu bekennen, was sie darüber denken; mehr noch machen sich überhaupt keine Gedanken und sind zufrieden, dass sie mit der Masse gehen dürfen und keine Verantwortung für ihre Lebensauffassung zu tragen haben. Sie wurde ihnen ja eingegeben und aufgezwungen und so als ewiges Vermächtnis betrachtet, für unantastbar gehalten. Dass die Lehren über das außerirdische und jenseitige Leben so schwer zum Durchbruch gebracht werden können, hat seine Ursache hauptsächlich darin, dass so viele Unberufene sich damit befassen, aus falschem Geltungsbedürfnis oder rein materieller Berechnung“. Die „Einstellung zur Materie“ muss durch die richtige Lehre vom Jenseits „eine Wandlung erfahren“. Dann werden „Frohsinn und wahre Freiheit – ich meine Freiheit des Geistes – auf der Welt herrschen“.48
Das „Wissen um die Zusammenhänge mit dem Jenseits“ ist nach Nowotny die „Grundlage für eine gesunde Lebensauffassung und Erziehung“ im Diesseits. Das Wissen um „den Einfluss des Außerirdischen auf die materielle Welt trägt wesentlich zur Höherentwicklung der Menschheit bei und hilft auch bei der Suche nach den Ursachen vieler psychischer Leiden“.49
Leider wird dieses Wissen nach Nowotny durch die Kirchen verdunkelt bzw. verfälscht: „Die Konfessionen begehen einen großen Irrtum, da sie den Menschen zu einer jeweils einzigartigen Anschauung, zu einem Glauben zwingen, der niemals und in keiner Konfession die Wahrheit bedeutet.“ Selbst solche „Geistliche und Nonnen, Prediger etc.“, die „sich schon ein selbstständiges Urteil … gebildet haben, … haben alle nicht den Mut, ihre eigene Meinung zu sagen, gegen die Irrtümer der Kirche offen aufzutreten … Wer aber mit aller Kraft zu kämpfen bereit ist, wird von den Behörden der kirchlichen Organisationen allsogleich unterdrückt und abgeschafft“.50
Doch ist nach Nowotny „die Mehrzahl“ der Geistlichen „von der Richtigkeit ihrer Vorstellungen so überzeugt, dass sie gar nicht daran denkt, in irgendeiner Weise Kritik zu üben oder die ihnen eingefleischten Lehrsätze zu prüfen. In geradezu kindlichem Glauben, unselbstständig und – ich möchte sagen – aus großer Bequemlichkeit, huldigen sie widerspruchslos allem, was von ihnen verlangt wird. Man kommt ja so am unangefochtensten zur Vollendung im kirchlichen Sinne. Man glaubt, eine reine Seele zu haben, weil man in keine Gefahr kommt,