Jenseits der Todesschwelle. Hubertus Mynarek

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Jenseits der Todesschwelle - Hubertus Mynarek


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es damals eben nicht. Es war bitter für uns alle (nein, ich war nicht die einzige, die so empfand), uns auf eine Weise fügen zu müssen, die dem diametral entgegenstand, was unsere Visionen verkündeten … ich war … gezwungen, die Wahrheit zu verheimlichen. Das war bitter, sehr, sehr bitter für mich und Gleichgesinnte"“ Es hätten zu ihr während ihres Erdenlebens „göttliche Wesenheiten“ gesprochen. Aber „ich schrieb diese Dinge nicht auf, aus Angst, man könne sie finden. Ich schrieb … Bücher – aber nur solche, die die Kirche, diese übelste von allen Unterdrückern der Wahrheit, duldete. Ich hasse sie heute noch. – Doch, auch wir hassen das, was dem Göttlichen entgegenhandelt, die Menschen zu Lügnern macht, sie verbrennt – Nein, ich darf an all das gar nicht denken … Ich darf das nicht tun, denn ich empfinde Hass, anstatt lediglich kühl etwas Schädliches zu verurteilen … Es gibt einen heiligen Zorn – aber meiner ist immer noch zu sehr eine persönliche Sache“. In meinen Schriften „versuchte ich mich hindurchzuwinden, so gut ich vermochte … ich habe an mich halten müssen und ständig bedenken, ob dieses oder jenes gestattet sei in den Augen der Kirche“. In meinem Weltbild damals „ist sogar sehr vieles falsch“, denn „ich war im Schatten. Ich hätte die Fähigkeit gehabt, ein umfassendes richtiges Weltbild zu geben … aber es war mir verwehrt … die Kirche hat mir Grenzen gesetzt, mich eingedämmt in einer Weise, die mich unglaublich behinderte innerlich – aber außerdem war ich im Schatten. Mein ganzes damaliges Leben war im Schatten. Da aber in der Tiefe meiner Seele wahres Wissen verborgen war, das nicht ans Licht sollte, mir aber eine starke Auffassungs- und Gestaltungsgabe gegeben war, äußerte sie sich in der Schilderung eines unrichtig gesehenen Universums. Einiges davon war noch richtig – aber außer seiner Größe hat jenes Weltbild nicht das Verdienst, ein naturgetreues zu sein … ein Jammer, denn mit einer näher an die Wahrheit herankommenden Darstellung … hätte ich es schon zu meiner Zeit vermocht, der Welt ein nahezu richtiges Bild des Weltalls zu geben. Doch gestattete dies weder mein Karma noch das der damaligen Epoche“. Die Arbeiten, die im Laufe der letzten 800 Jahre über sie geschrieben wurden, so Hildegard, „sind nur von geringem Wert: Professorenarbeiten, weiter nichts.“

      Entgegen der amtskirchlichen Lehre, die seit dem Konzil von Konstantinopel (553) die Wiedergeburt ablehnt, betont dann Hildegard gegenüber ihrem Medium: „Ich bin eine uralte Seele, älter als du ahnst, und Hildegard von Bingen war eine geringe Inkarnation; beinahe eine Strafe. Es war mir nicht vergönnt, aus dem Born meiner Erleuchtung zu schöpfen in meinem letzten Leben, aber ich bin eine jener Seelen, die des Öfteren betraut war damit, eine führende Rolle zu spielen.“

      „Gott, wenn du es so nennen willst“, sagt Hildegard zu ihrem Medium, ist die „Sphäre des reinen, makellosen Lichtes, zu stark für uns alle; des Lichtes, das gleichzeitig schrankenlose Liebe ist“; zugleich „Vollkommenheit, lückenloses und allumfassendes Wissen. Und mehr als das“.

      Die andere große Heilige der katholischen Kirche erklärt zunächst ihrem Medium, dass sie mit dieser Kirche gar nichts zu tun haben wolle: „Ich, Teresa von Avila, auch bekannt als Teresa de Jesus, und als eine der großen Heiligen der katholischen Kirche angesehen, wünsche bekannt zu geben, dass ich mich schon lange von einer Religion losgesagt habe, die mir durch Umstände aufgezwungen war, über die ich keine Gewalt hatte. Schon während meines Erdenlebens war ich mir der ungeheuren Unstimmigkeiten bewusst geworden, die in völligem Widerspruch zu dem standen, was Jesus gelehrt hatte … Dogmen … schnüren den Geist und schüchtern den Suchenden ein … Hildegard und ich … litten während unseres Erdendaseins beide intensiv, weil eine autokratische Kirche uns selbstherrlich einen Glauben zudiktiert hatte, der in keiner Weise mit dem Inhalt unserer Visionen und Gesichte in Einklang zu bringen war … Hildegard und ich – beide waren wir Nonnen – fielen diesen autokratischen Zuständen umso mehr zum Opfer, als uns ein getreulich eingehaltenes Gehorsamkeitsgelübde ein Leben aufzwang, das in gar keiner Weise zu unseren Überzeugungen stimmte; es unterjochte dazu noch unseren Geist – heute würde man das Gehirnwäsche nennen. So vollkommen wurde unser Geist unterjocht, dass wir unser eigenes Wissen anzweifelten und uns die bittersten Selbstvorwürfe machten, die umso schrecklicher waren, als ein Konflikt zwischen tief innerer Gewissheit und aufgezwungenem Dogma unser Herz zerriss. Mit Hilfe der Demut … mit dieser von der Kirche zum Zweck einer gänzlichen Unterwerfung uns anerzogenen Demut wurde auch der letzte Rest an Unbefangenheit und freiem Denken in den Staub getreten. Man brachte uns dahin, unsere außersinnlichen Wahrnehmungen, die für uns viel wirklicher waren als unser trostloser Tagesablauf, als Teufelswerk anzusehen und mit obszönen Worten und Gesten unseren himmlischen Besuchern zu begegnen, die aus Sphären entsandt waren, welche schließlich – obwohl wir es zutiefst besser wussten – dem Himmel und der Hölle des Mittelalters in all ihrer naiven und grauenvollen Großartigkeit glichen. Man wollte uns weismachen, wir seien verloren und ewiger Verdammnis verfallen, wir befolgten dann genauestens, was unsere geistlichen Berater uns zu tun auftrugen, nämlich dumme und entwürdigende Handlungen, deren widerliche Einzelheiten wir uns selbst nach Jahrhunderten noch zu enthüllen scheuen.“

      Es war vor allem Theresias Beichtvater, der sie in unwürdigster Weise behandelte: „Furchtbar war es, was mich mein Beichtvater zwang zu tun.“ Er habe alle ihre Visionen, in denen ihr auch Jesus erschien, für Einbildung gehalten.104 Deshalb habe er ihr befohlen, im Moment, wo Jesus ihr erscheine, die »Feige« zu machen, d.h. eine obszöne Geste, mit der sie Jesus bzw. die Einbildung von ihm vertreiben sollte. Theresia wörtlich dazu: „Die >Feige<, ja! Eine Herabwürdigung ohnegleichen, die da von mir verlangt wurde!“ Der Beichtvater sei „ein bornierter Mann, verblendet und ungut“ gewesen. Er sei „noch heute in der Hölle, leider. Diese Art von Engherzigkeit führt stracks in die Hölle – und Rechthaberei sorgt dafür, dass so ein Mann drinbleibt. Noch heute pocht er darauf, dass er recht gehandelt hat, obwohl ich mich ihm gezeigt habe und versucht habe, ihn eines Besseren zu belehren. Rechthaberei – wieviel Opfer sie fordert; es ist gar nicht zu glauben! Ja, sie sollte als die achte Todsünde gelten. So verbockt sind solche Männer manchmal, dass sie jahrhundertelang lieber leiden als ihre Fehler einzusehen.“

      Im eben Gesagten scheint es so, als ob Theresia von Avila die Hölle, in der sich ihr zufolge ihr Beichtvater befindet, schon wieder im Sinne des kirchlichen Dogmas auffasst. Sie beeilt sich deshalb, dem sofort entgegenzutreten: „Hildegard und ich lernten auch das kennen, was man >Hölle< nennen mag, obwohl auch das nicht im Geringsten unseren Vorstellungen entsprach. Weder war >Hölle< ein Ort, noch sah man dort Peiniger – es war kalt, nicht heiß. Die Hölle war eiskalt, finster und stank – und sie bestand aus nichts als dem Geisteszustand ihrer Bewohner. Und nicht einmal das stimmt genau: die Bewohner der Hölle, die einen inneren Zustand nach außen hin darstellen, sind dieser Zustand selbst, der gleiche Stoff, dicht im Vergleich mit uns, in gewisser Weise durchorganisiert und – wie alles in diesem Universum – einem ihm innewohnenden Gesetz folgend … Die Herren der Hölle peinigen nur sehr indirekt, indem sie als Brennpunkte und führende Elemente schwarzer Kräfte dienen. Sie sehen zu, dass in ihrem Reiche alles auf Trab bleibt, denn die Befriedigung ihrer perversen Lüste verlangt einen gewissen Kraftaufwand. Selbst in der Hölle muss man arbeiten, nicht für den Lebensunterhalt, sondern um die allem normalen Empfinden spottenden Sehnsüchte jener Kreaturen zu stillen.“

      Aber diese Hölle, so Theresia aus dem Jenseits, ist niemals und in keinem einzigen Fall ewig, obwohl doch genau dies die kirchenamtliche Dogmatik proklamiert: „Nichts“, so Theresia, „das einer tut oder zu tun unterlässt, verdient ewige Strafen oder ewige Seligkeit … Menschen können ungeachtet ihres Geburtsortes oder Glaubensbekenntnisses der ewigen Seligkeit teilhaftig werden, wie übrigens auch die ungetauft verstorbenen Kinder … ihr Willkommen im Himmel hängt nicht an ein paar Tropfen von heilig gesprochenem Wasser“.

      Aber kommen wir nun endlich zum »Problem Gott«, wie es Hildegard von Bingen und Theresia von Avila in der jenseitigen Dimension sehen. Sie müssten ja schon tief in diese Problematik eingedrungen sein, da sie sich als bereits auf den höchsten Stufen jenseitiger Vervollkommnung und Erkenntnis befindlich bezeichnen. O-Ton Theresia: „Wir stehen nicht auf der gleichen Stufe: Hildegard ist auf der 7. der VI., ich wäre auf der l. der VII., wenn es das gäbe. Aber von der VII. ab rechnen wir nicht mehr Stufen, da von der VII. ab eine Auflösung der eigentlichen Persönlichkeit beginnt.“ Theresia druckst hier gegenüber ihrem Medium ein wenig herum, aber ihre Aussage geht in die Richtung, dass auf oder nach der VII.


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