Jenseits der Todesschwelle. Hubertus Mynarek
Читать онлайн книгу.hat sie … Alle Menschen haben teil an der Fähigkeit, sich selbst zu erkennen und zu denken … Bestände das Glück in körperlichen Lustgefühlen, so müsste man die Ochsen glücklich nennen, wenn sie Erbsen zu fressen finden … In einem besteht die Weisheit, die Vernunft zu erkennen, welche alles und jedes zu lenken weiß ...“
Heraklit (535 – 475 v.u.Z.)
„All das ist natürlich kein Beweis für einen Skeptiker. Und um Skeptiker ein bisschen zu beruhigen, haben wir mit blinden Menschen ein Forschungsprojekt durchgeführt, bei welchem wir uns die Bedingung auferlegten, nur Blinde zu berücksichtigen, die seit mindestens zehn Jahren keinerlei Lichtperzeption hatten. Und diese Blinden, die dieses außerkörperliche Erlebnis gehabt hatten und zurückgekommen sind, können Ihnen im Detail sagen, was für Farben und welchen Schmuck Sie zu jener Zeit, wo Sie anwesend waren, trugen, was für ein Muster Ihr Pullover oder Ihre Krawatte hatte und so weiter. Sie verstehen, dass es sich hierbei nicht um etwas handelt, was man phantasieren kann. Sie können diese Sachverhalte ganz gut beweisen, wenn Ihnen die Antwort nicht Angst macht.
Wenn sie Ihnen jedoch Angst macht, dann mögen Sie wie jene Skeptiker zu mir kommen, die mir sagten, dass jene außerkörperlichen Erlebnisse als Resultate von Sauerstoffmangel anzusehen seien.
Ja, wenn es sich hierbei nur um Sauerstoffmangel handelte, verordnete ich allen meinen Blinden Sauerstoffmangel. Verstehen Sie? Wenn jemand eine Tatsache nicht wissen will, dann kommt er mit tausend Gegenargumenten. Und das ist eben wieder sein Problem. Sie müssen nicht versuchen, andere Leute zu bekehren. Wenn jene sterben, wissen sie es ja sowieso … Sterben ist nur ein Übergang in eine andere Form des Lebens. Die irdisch-körperlichen Formen hat man zurückgelassen, weil man sie nicht mehr braucht … Und dann, sobald Sie diesen Durchgang oder Übergang durch- oder überschritten haben, strahlt ihnen an dessen Ende ein Licht entgegen. Und dieses Licht ist weißer als weiß, ganz hell. Und je näher Sie sich auf dieses Licht zubewegen, desto mehr werden Sie total gefüllt mit der größten, unbeschreiblichsten bedingungslosen Liebe, die Sie sich überhaupt nicht vorstellen können. Es gibt gar keine Worte dafür … Der Tod ist ganz einfach das Heraustreten aus dem physischen Körper, und zwar in gleicher Weise, wie der Schmetterling aus seinem Kokon heraustritt. Der Tod ist ein Hinübergehen in einen neuen Bewusstseinszustand, in welchem man fortfährt, zu fühlen, zu sehen, zu hören, zu verstehen, zu lachen und wo man befähigt ist, weiterhin zu wachsen. Und das einzige, was wir bei dieser Umwandlung verlieren, ist nämlich das, was wir nicht mehr brauchen, und das ist unser physischer Körper. Es ist so, als ob wir unseren Wintermantel beim Herannahen des Frühlings weghängten, da wir wissen, dass er schon zu sehr abgetragen ist und wir ihn sowieso nicht mehr anziehen wollen. Um nichts anders handelt es sich eigentlich beim Tod … Sterben ist nur ein Umziehen in ein schöneres Haus … Sterben – das ist, wie wenn man bald in Ferien fährt. Ich freue mich unheimlich … Seit zweieinhalb Jahren wünsche ich mir jeden Abend, dass diese die Nacht meines Todes sein wird. Ich wäre begeistert – … Der Tod ist nur ein Übergang in eine andere Form eines anderen Lebens auf einer anderen Frequenz … Der Moment des Todes ist ein ganz einmaliges, schönes, befreiendes Erlebnis, das man erlebt ohne Angst und Nöte. Leute mit Nahtoderfahrung registrieren alles, und zwar zu einer Zeit, in der sie keinen Blutdruck, keinen Puls und keine Atmung mehr haben, in einigen Fällen sogar bei Abwesenheit messbarer Hirnwellen. Sie wissen genau, was jeder sagt und denkt und wie er sich benimmt. Und Sie werden nachher ganz klar sagen können, dass man zum Beispiel mit drei Schneidbrennern den Körper aus einem Autowrack befreite. Es gab sogar Leute, die uns das Kennzeichen jenes Wagens genannt haben, der sie angefahren hatte, dann aber einfach weitergefahren war. Wissenschaftlich kann man eben nicht erklären, dass jemand, der keine Hirnwellen mehr hat, noch das Autonummernschild lesen kann. Von uns Wissenschaftlern wird Demut verlangt. Wir müssen demütig akzeptieren, dass es viele Millionen Dinge gibt, die wir noch nicht verstehen können. Das heißt aber nicht, dass diese Dinge, nur weil wir sie nicht verstehen, etwa nicht existieren und Realitäten sein dürfen … Somit haben Sie auch die Wahl, Ihre Energien negativ oder positiv zu gebrauchen … Denn ein jeder von uns … ist fähig, ein Nazi-Ungeheuer zu werden. Dass dieser Teil in Ihnen vorhanden ist, müssen Sie zugeben … Schuld tragen wir darin, dass wir jegliche echte Vergeistigung verloren haben …, dass wir uns dem Spirituellen verweigern.“
Elisabeth Kübler-Ross
Zweites Kapitel
Unsterblichkeit und Transzendenz
In Ergänzung des eben beendeten Aphorismen-Kapitels wäre noch das Verhältnis von »Unsterblichkeit« und »Transzendenz« zu klären. Denn bei der Lektüre des vorigen Kapitels wird einigen Lesern schon aufgefallen sein, dass ich diese beiden Begriffe oft eng nebeneinander auftreten lasse. Das hat seinen Sachgrund darin, dass Unsterblichkeit ja Transzendenz ist, eine spezifische Variante von Transzendenz, nämlich ein transcendere, eine Grenzüberschreitung über das Grab, den Tod, das irdische Leben hinaus. Klar wird damit auch, dass ich Transzendenz keineswegs mit der engen Transzendenz der meisten Theologen identifiziere, die Transzendenz sagen, aber damit in den meisten Fällen nur Gott (den personalen Gott des Christentums) meinen. Gott als der Über- und Außerweltliche, also über die Welt Hinausgehende ist zwar eine mögliche Variante der Transzendenz, aber eben bei weitem nicht die einzige, schon gar nicht einzig legitime, und auch nicht die grundlegende. Die grundlegende, für das Menschsein wichtigste Transzendenz besteht darin, dass man den »Durchbruch durch die Fassade« geschafft, d.h. die Transzendierung der Grenzen des Vordergründigen, Vorläufigen, Profan-Alltäglichen, des Scheins, der Rollen und Masken, die wir uns im gesellschaftlichen Leben zu- oder anlegen, des ››Man« (man denkt, handelt, verhält sich so, wie die Masse denkt, handelt, sich verhält) vollzogen hat. Nur der in diesem Sinn Transzendierende darf nach dem Tode hoffen, in eine höhere Schicht oder Dimension der Wirklichkeit einzutreten.
Daraus ergeben sich interessante und wichtige Konsequenzen. Denn nun ist der (religiöse) Glaube keineswegs mehr eine notwendige Vorbedingung für den Eintritt in eine höhere nachtodliche Dimension, sondern eben nur dieser »Durchbruch durch die Fassade«, hinter der sich die meisten Menschen verkriechen, verstecken, verschleiern, sich auch dumpf-stickig geborgen fühlen. Diese »transzendenzlosen Nomaden«, die so an der Oberfläche der Dinge haften, derart in die simple, profane Allerweltsrealität eingebunden bleiben, dass die zum Menschsein gehörende Selbstüberschreitungs- oder Transzendierungsfunktion verkümmelt oder bis zur Unkenntlichkeit verschwunden ist, können noch so viel glauben (im Sinne des konventionellen Kirchen-, Dogmen- oder auch Koranglaubens), sie werden in den untersten, düstersten, dunkelsten, trostlosesten Schichten der jenseitigen Wirklichkeit stecken und kleben bleiben. Denn ihr Glaube an etwas Transzendentes (an Gott, die Engel, die Heiligen, die Verstorbenen) war ja kein eigener, selbsttätiger, eigenständiger, aus ihrer Selbstbestimmung kommender engagierter Akt, sondern die mehr oder weniger konventionelle gedankenlose Nachäffung der Glaubensrituale der Priester, Imame und Mullahs, sozusagen »geborgte Transzendenz«, die nichts wert ist.
Andererseits kann ein nicht-konventioneller Atheist (es gibt ja nicht bloß die gedankenlos-konventionellen Kirchenchristen, sondern ganz analog-parallel dazu die konventionellen Atheisten), eben weil er den »Durchbruch durch die Fassade« geschafft hat, nach dem Tod in eine höhere Dimension der anderen Welt aufgenommen werden, obwohl er doch an keinen Gott, keine Engel etc. glaubte. Aber da ihm das »Problem des Seins« aufgegangen ist, da er sich mit der Frage nach einem Grund allen Seins ehrlich existentiell hemmgeschlagen hat, auch wenn er diesen Grund nach Abwägung alles Für und Wider abgelehnt hat, ist er offen, befähigt und verständnisbereit für die Reise in höhere Dimensionen, zu der der konventionelle Religiöse oder der konventionelle Atheist nicht fähig ist, weil er sich ja hinter seiner Fassade so verschlossen hat, dass er taub gegen höhere Einflüsse ist. Es ist wie mit einem seit Geburt Tauben, dem man die Schönheit einer Beethoven-Sinfonie klarmachen wollte. Der konventionelle Christ oder Atheist könnte sich also in einer höheren Schicht des Jenseits überhaupt nicht zurechtfinden. Er haftet auch nach dem Tod an dem, was er auf Erden gekannt und gemocht hat.
Der konventionell Religiöse kann also in der anderen Welt durchaus schlechter als der unkonventionelle Atheist dastehen oder auch als ein Agnostiker, der ernsthaft um die Lösung der Welträtsel bemüht war, letztendlich aber zu dem Ergebnis »ignoramus,