Streiten verbindet. Rudolf Hopmann

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Streiten verbindet - Rudolf Hopmann


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steigert erneut unser Unbefinden. Kein Wunder dann, wie oft wir aggressiv werden, wir aus der Haut fahren und in uns die Geduld platzt, weil wir selbst bei Kleinigkeiten oder Nebensächlichkeiten mit unguten Gefühlen, die in uns aufsteigen, nicht mehr fertig werden und sie nicht mehr unter Kontrolle haben. Ohne daß wir es merken, fokussiert sich unsere Aggression gegen etwas, was vordergründig bedeutsam und änderbar erscheint, aber nicht die wirkliche Ursache ist. Nun fällt es uns schwer, zwischen den täglichen Problemchen und den wirklichen Problemen zu unterscheiden. Es fehlt uns eine gewisse Gelassenheit und wir wissen nicht mehr, wann wir das, an dem wir uns stoßen, hinnehmen müssen oder uns vor ihm wehren können. Deshalb bedarf es oft nur noch eines kleinen Anstoßes, daß wir unserer Aggression freien Lauf lassen.

      Viele Konflikte in dieser Welt beruhen auf dieser Kadenz von Streß – Angst – Aggression, gleichviel, ob es sich um personale Konflikte oder um Intra- oder Intergruppenkonflikte handelt. Letztere werden oft mit Gewalt, unter Völkern oder ethnischen Gruppen meist mit Waffengewalt aufs brutalste ausgefochten. Häufig sind dies Konflikte der wertmäßig-kulturellen Dimension, die ursächlich sind, seltener Mittel- oder Zielkonflikte.

      Beispielhaft für diese Gedanken sei auf Jugendliche hingewiesen, die nach Beendigung ihrer Ausbildung keine Arbeit finden können. In der heutigen Zeit keinesfalls ein Stigma für persönliches Unvermögen, aber trotzdem so in den Köpfen wirksam. Wer nämlich den Einstieg ins Berufsleben verpasst hat, oder auch anders gesagt, wem einmal der Einstieg ins Berufsleben verwehrt wurde, dem sind für die Gestaltung seines weiteren Lebens schwer überwindbare Hindernisse in den Weg gestellt. Kein Zweifel, das löst in vielen Jugendlichen Angst aus. Eine schwere soziale Auseinandersetzung steht uns in die Lande, wenn der Jugendarbeitslosigkeit nicht frühzeitig begegnet und den Jugendlichen Perspektiven für ihr Leben gegeben werden. Die Geschehnisse in den Pariser Banlieues gaben und geben warnende Signale.

      Was uns Älteren so selbstverständlich war, Schulbildung – berufliche Ausbildung – berufliches Leben, ist ein schwerwiegendes Problem für die Jüngeren geworden. Bedenken wir, daß wir ihnen diese Kadenz als natürlich und selbstverständlich mit auf ihren Lebensweg gaben. Ein Lebensentwurf, wie früher gang und gäbe gewesen, ist heute nur noch selten möglich. Von den Jungen wird wie selbstverständlich verlangt, ihren Lebensentwurf umzuschreiben. Was wir Älteren nicht gekannt haben, ist für sie Realität. Wenn wir wegsehen, sollten wir uns nächstens nicht über sehr belastende Konflikte beklagen.

       Persönliche Unzulänglichkeit

      Wenn wir persönlich nur über unzulängliche Mittel verfügen, um die Tragweite, die Art und die Komplikationen der Situation und der mit ihnen verbundenen Konflikte zu erkennen, werden wir sicherlich eher dazu neigen, unseren Aggressionen freien Lauf zu lassen, als wenn wir Herr der Lage sind und in Kenntnis der Umstände handeln können. Persönliche Unzulänglichkeit kann im Charakter und/oder der Bildung begründet sein. Ein Mensch kann, es wurde schon erwähnt, immer nur so handeln, wie es seinem Wissensstand entspricht. Eine Verbesserung des Kenntnisstandes und Erkenntnisvermögens (auch das ist trainierbar) ist deshalb eine grundlegende Voraussetzung, der Angst und der resultierenden Aggression zu begegnen. Im Lernen besteht daher ganz sicher ein hervorragendes Mittel, Konflikten zu begegnen, indem die Kette zwischen Angst und Aggression unterbrochen sowie die persönliche Unzulänglichkeit abgebaut wird, wie es in Abbildung 6 angedeutet ist.

      Es sind zwei Ebenen, wo angesetzt werden kann. Die eine Ebene liegt im emotionalen, die andere im kognitiven Bereich. Um noch einmal auf die arbeitslosen Jugendlichen zurückzukommen: Es ist offensichtlich wenig sinnvoll, durch Weiterbildung, oder gegebenenfalls durch Umschulung den betroffenen Jugendlichen noch weitere Kulturtechniken beizubringen. Daß sie dadurch weiterqualifiziert werden, ist zwar richtig, wie ebenso, daß Qualifizierte mehr gesucht werden als Unqualifizierte. Doch ist die Gefahr ebenso groß, daß die Betroffenen wegen Überqualifikation keine Stelle finden können. Denn die Qualifikation setzt in spezifischen und speziellen Kursen auf einer gegebenen Basis an, die Spezialisierung steigt sektoriell und die Einsatzmöglichkeiten verengen sich damit mehr und mehr.

       Fatal wird eine (Über)Qualifikation, wenn der Jugendliche überfordert wird: Er gerät in eine sehr gefahrvolle, konfliktträchtige Situation. Persönlichkeitsbildende Angebote für sie würden wahrscheinlich oft hilfreicher sein, weil sie die Frustrationstoleranzschwelle des Jugendlichen erhöhen und, mit Galtung gesprochen, seine aktuelle geistige Potenz, seinen Leistungswillen und das Durchsetzungsvermögen zu stärken vermögen. Das Eine tun ohne das Andere zu lassen, müßte hier die Devise sein.

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