Der dritte Versuch Elfen und Menschen. Norbert Wibben
Читать онлайн книгу.unterbricht die Stille und fragt Arawn:
»Du hast vorhin gesagt, dass die Wölfe fremdgesteuert wurden. Kannst du mir erklären, wie diese Art Spurenlesen funktioniert?«
»Ich werde es versuchen, obwohl es nicht einfach ist.« Der Fairwing räuspert sich und blickt die junge Elfe an. »Du kennst den magischen Sprung und du beherrscht Hellsehen«, fasst er zusammen, was er bisher von ihr erfahren hat. »Du weißt sicher auch, dass Zauberer untereinander einen geistigen Kontakt herstellen können, was ihnen ermöglicht, sich auch über weite Entfernungen hinweg zu verständigen.« Er registriert ihr Nicken. »Nur wenige Zauberer beherrschen dagegen gezieltes Hellsehen, ich schon. Dabei werden Sequenzen aufgerufen, um herauszufinden, wo sich eine bestimmte Person befindet, oder was in dem Moment an einem bekannten Ort geschieht oder auch geschehen ist. Manchmal kann ich sogar etwas in die Zukunft sehen. Letzteres aber immer ungewollt, damit will ich sagen, dass ich das nicht steuern kann.«
»Heute Nacht bist du doch in meinem Traum gewesen, dabei hast du sozusagen meine Gedanken gelesen. Ist das nicht auch eine Art des geistigen Kontaktes, nur dass ich daran nicht bewusst teilgenommen habe?«
Der oberste Fairwing staunt. »Das ist richtig. Ich kann an einem Ort, an dem jemand gewesen ist, dessen Gedanken nachträglich aufspüren. Wenn ich dann durch gezieltes Hellsehen in seinen Geist eindringe, kann ich sogar Erinnerungen aufrufen und sozusagen lesen. Daher weiß ich, dass die Wölfe durch einen Magier hypnotisiert wurden. Dessen Gedankenspur könnte ich aufnehmen und ihm folgen. Sobald ich mich im Geist eines anderen Zauberers befinde, bekomme ich sogar mit, wohin er mittels magischen Sprung wechselt. Ich sehe dann diesen Ort mit seinen Augen. Dadurch ist es mir möglich, jedem Magier zu folgen, auch wenn er meint, sich durch Anwendung des Sprungs vor mir retten zu können.«
»Wow!« Cloe schweigt und muss das Gehörte erst einmal verdauen. »Und du sagst dazu lediglich, du vermagst Spuren zu lesen. Das ist eine völlige Untertreibung.«
»Du hast recht, es ist alles andere als einfach. Erstens muss die Fähigkeit dazu angeboren sein und zweitens musste ich viel üben, um diese Eigenschaft gezielt nutzen zu können. Besonders schwierig ist es, die Vielzahl an Eindrücken, die dabei auf mich einstürmen, auseinanderzuhalten, um nicht verwirrt zu werden.«
»Kann das jeder Zauberer erlernen?«
»Nur, wenn er die Eigenschaft dazu mit in die Wiege gelegt bekommen hat. Möchtest du probieren, ob du es vielleicht kannst?«
»Nein, lieber nicht. Das »normale Hellsehen« ist schon verwirrend genug. Obschon ich mir vorstellen kann, dass es hilfreich ist, wenn man einen gegnerischen Magier auch auf magischen Wegen verfolgen kann.« Cloe fällt in Schweigen. Sie grübelt darüber nach, dass sie Cian dadurch wesentlich einfacher und schneller hätte finden können.
Als sie nach der Mittagsrast wieder im Sattel sitzen, wendet sie sich erneut an Arawn.
»Du erwähntest, dass du ein Gestaltwandler bist. Wenn es dir nicht lästig ist, erklärst du mir, was das bedeutet?« Der Fairwing kraust kurz die Stirn, dann glättet ein feines Lächeln sie.
»Da ich dir auch verraten habe, wie das Spurenlesen funktioniert, warum nicht? Zauberer oder Magier können, je nach Größe ihrer Fähigkeiten unterschiedliche Dinge bewirken, sowohl gute, als auch böse. Sie vermögen mit Hilfe von Zaubersprüchen andere zu heilen oder sie krank zu machen, bis hin zum Töten. Sie können sich untereinander über große Entfernungen hinweg mittels Gedanken verständigen und ihren Aufenthaltsort wechseln, wenn ihnen der Zielort bekannt ist. Wenn ich erst einmal an einem Ort bin, wo sich derjenige aufgehalten hat, dem ich folgen will, fällt mir das als Spurenleser leicht.«
»Aber das«, unterbricht Cloe ihn, »hast du mir doch soeben schon erklärt. Was kann nun ein Gestaltwandler? Änderst du dein Äußeres?« Dieser Vorschlag der Elfe zaubert ein Grinsen auf das Gesicht des Mannes.
»Du bist offenbar etwas ungeduldig. Ein Gestaltwandler ändert sein Aussehen nicht! Er besitzt einige oder alle der genannten magischen Fähigkeiten in unterschiedlicher Stärke. Er vermag aber zusätzlich aus jeder Materie Gestalten heraufzubeschwören. Dazu mag ein Nebel genutzt werden, den er vorher sogar selbst erzeugt haben kann. Dieses Wesen, möglicherweise ein Löwe, ist jedoch kein harmloses Nebelgebilde oder Trugbild, sondern zum Zeitpunkt seines Erscheinens ein echtes, gefährliches Raubtier!«
»Das bedeutet also«, Cloe blickt ihn mit großen Augen an, »du könntest einen echten Drachen herbeirufen, der seinen Feueratem auf einen Gegner spuckt?« Die Elfe schaut ihn ungläubig an.
»Was du nur immer mit einem Drachen hast! Aber wenn ich das wollte, wäre es möglich.« Arawn nickt bestätigend. »Gestaltwandler sind unter Zauberern, auch bei denen der Elfen, sehr, sehr selten. Aus Aufzeichnungen in meiner Bibliothek weiß ich, dass es sie ursprünglich nur unter den Elfen des Westens und ihren Nachkommen gab. Das Oberhaupt dieser Elfen war gleichzeitig immer auch Gestaltwandler. Der Obere konnte als einziger einen Feuervogel hervorrufen.«
»Einen Feuervogel gibt es doch nur in Märchen«, beginnt Cloe und hält dann erschrocken inne. »Entschuldigung. Ich sollte wohl eher sagen, den gibt es bei UNS nur in Geschichten und Erzählungen!«
»Richtig, so wie es bei uns keine Drachen gibt!« Arawn ist keineswegs beleidigt. Er grinst und fährt mit seinen Erläuterungen fort.
»Dieser Feuervogel vermag jedes andere magische Wesen eines Gestaltwandlers zu vernichten. Er ist der Mächtigste unter ihnen. Seine scharfen Krallen oder sein gebogener Schnabel können aber auch jedem Zauberer gefährlich werden. Mit Magie ist er fast nicht zu bekämpfen, er ist nur kurzzeitig aufzuhalten, aber nicht zu vernichten.«
»Dieses magische Wesen ähnelt fast meinem Greif«, entfährt es Cloe. Sofort dreht sich Arawn zu ihr um.
»Was meinst du damit?« Die Elfe bereut ihre Gedankenlosigkeit. Warum hat sie nicht darauf geachtet, was sie sagt? Die vier Reiter hinter ihnen haben jedoch nichts von der Unterhaltung mitbekommen, da sie ebenfalls miteinander reden. Die Elfe überlegt, soll sie diesem sympathischen Herrscher ihr Geheimnis anvertrauen? Sie zögert nur kurz. Er ist bereitwillig auf ihre Wünsche eingegangen, da wäre es nicht nur unhöflich, sondern ein Zeichen von Misstrauen, wenn sie es ihm nicht gleichtäte.
»Ich vermag ein magisches Wesen, einen Greif, herbeizuzaubern.« Im nächsten Moment murmelt sie den Zauberspruch und schon schwebt die Gestalt aus blauem Licht über ihrer ausgestreckten Hand. Sie achtet darauf, dass nur der Fairwing neben ihr den Greif sehen kann, den anderen ist die Sicht versperrt.
»Wow. Also bist du auch ein Gestaltwandler? Du sagtest doch, deine Mutter war eine Südelfe und dein Vater einer des Ostens. Gibt es unter deinen Vorfahren welche aus dem Westen?« Die Elfe lässt vor ihrer Antwort das Wesen wieder verschwinden.
»Nein. Dies Geheimnis habe ich von meiner Mutter, die mit diesen Lichtwesen experimentierte.« Den letzten Teil flüstert sie fast, wobei sie den Tränen nahe ist. Als der Fairwing das bemerkt, schaut er sie nur fragend an, um dann seinen Blick nach vorne zu richten. Cloe ist ihm für das Taktgefühl dankbar. Erst nach längerer Pause stellt Arawn eine nächste Frage.
»Es gibt verschiedene Lichtwesen, die du hervorrufen kannst? Sind sie nur zum Anschauen oder möglicherweise auch gefährlich? Du sagtest, der Feuervogel sei wie dein Greif, also sind dessen Schnabel und Krallen scharf?«
»Danke, dass du mir Zeit gegeben hast. – Ja, ich kann verschiedene Wesen herbeirufen, auch einen Drachen. Und ja, obwohl die Größe ihrer Gestalt nicht dafürspricht, sind sie sogar sehr gefährlich! Ihre Abmessung kann zwar verändert werden, beeinflusst aber nicht deren Gefährlichkeit.« Nach mehrmaligem Schlucken fährt sie fort. »Meine Mom versuchte, einen Drachen zu kontrollieren, wobei dieses Wesen sie tötete.« Sie kann die Tränen nur mit Mühe zurückhalten, während sie erklärt, was passiert ist. Arawn nickt mehrfach. Er versteht nicht nur ihre Trauer, sondern auch, weshalb sie derart fixiert auf Drachen ist.
Es ist Cian!
Es ist schon fast