Der dritte Versuch Elfen und Menschen. Norbert Wibben

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Der dritte Versuch Elfen und Menschen - Norbert Wibben


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Schutz um die komplette Festung aufrechtzuerhalten, kostet viel von meiner Kraft. Das ist aber unsinnig, wenn aus dessen Sicherheit heraus nicht auf den Gegner geschossen werden kann. Es ist wichtig, dass wir den Gegner auf Abstand halten können, und dafür benötigen wir die Unterstützung der Bogenschützen.«

      »Wir können die Kampfpause nutzen und Pfeile einsammeln, zumal die beginnende Dämmerung uns Schutz bieten wird.« Ohne eine Entgegnung abzuwarten, stürmt Lennard den Turm hinab und sammelt Freiwillige um sich, die mit ihm durch eine kleine, versteckte Pforte die Festung verlassen. Sie laufen gebückt und dicht an den Mauern entlang, von denen herab ihre Kameraden die Gegner und deren Bewegungen voller Sorge beobachten. Die Elfen huschen zwischen den Toten umher, finden jedoch nur wenige Pfeile, die nicht getroffen haben. Die Suche auf der Vorderseite der Burg geben sie schon nach kurzer Zeit wieder auf. Die Gefahr ist zu groß, die Aufmerksamkeit der Dubharan zu erregen. Sie wechseln zur Rückseite der Festung, wo sich im Moment keine Gegner befinden. Hier liegen nur einige Leichen, dafür aber mehr Geschosse, die eilig von ihnen eingesammelt werden. Die Elfen sind auf ihrer Flucht vorwärts gehastet, um schnell ins Innere der Burg zu gelangen, und haben im Laufen schlechter getroffen. Auch wenn die Ausbeute nicht groß ist, bringen Lennard und seine Freiwilligen doch genügend Munition, um von den Zinnen herab effektiv Widerstand leisten zu können. Die Pfeile werden sofort an die besten der Schützen verteilt.

      Der Anführer der Ostelfen atmet schwer, als er wieder neben Kayleigh steht und von ihrer erfolgreichen Suche berichtet.

      »Bleibt es dabei, dass deine Kämpfer morgen kommen, oder treffen sie doch eher ein? Auch wenn sich die Dubharan etwas zurückgezogen haben, könnten sie in jedem Moment erneut mit einem Sturm auf die Burg beginnen.« Die Frage des Elfen ist dadurch erklärt, dass er eine Teufelei hinter dem Stillhalten des Gegners vermutet. Möglicherweise kommen noch weitere Kämpfer, obwohl schon jetzt nicht alle den Sumpf überquert haben.

      »Es ist bisher zu wenig der Zeit vergangen, die sie für die Bewältigung der Strecke benötigen. – Jetzt schau nicht so erstaunt, das sind Tatsachen. Ich habe zwischenzeitlich versucht, Cian zu kontaktieren, was leider nicht funktioniert. Ich hatte gehofft, ihn zur Unterstützung herbeirufen zu können.«

      »Das ist wirklich schlimm«, bestätigt Lennard. Er hält mindestens genauso große Stücke auf die Fähigkeiten dieses alten Elfen wie Kayleigh. Voller Sorge betrachtet er den Himmel über dem Turm. Am frühen Morgen war er strahlend blau und verdunkelte sich mit Erscheinen der Dubharan. Als die Kampfpause begann, sah es kurzzeitig so aus, als ob sich die dunkle Wolkendecke, die an vielen Stellen aufgerissen war, verflüchtigen würde. Das helle Sonnenlicht begann, die Festung und die Ebene zu überfluten. Doch nun sieht es so aus, als ob sich die Wolken wieder zusammenballen. Die ersten Sterne, die am Abendhimmel zu erkennen sind, werden von ihnen verdunkelt. Neue Schreie dringen von außen zu den Verteidigern. Steht in der Dunkelheit ein neuer Angriff der Dubharan bevor?

      Cloe macht es sich im tiefen Heu bei den Tieren im Pferdestall bequem und lauscht einige Zeit den Geräuschen in der Dunkelheit. Ihr wurde zwar in einer der Hütten ein eigenes Zimmer mit Bett angeboten, doch sie will lieber die Nacht in der Nähe Doineanns verbringen. Nach dem langen Gespräch mit Arawn vermag sie zuerst nicht einzuschlafen. Sie weiß, dass dieser Mann der Herrscher der Fairwings, also deren König ist, obwohl er sich nicht so bezeichnet. Er erläuterte ihr die Verhältnisse auf der Insel der Elfen, erklärte, was Darkwings und Fairwings voneinander unterscheidet, aber auch, was sie gemeinsam haben. Cloe findet es schade, dass es nur noch wenige der Westelfen hier gibt, die zudem sehr zurückgezogen leben. Sie hätte sich gerne mit ihnen unterhalten, obwohl ihre Sorge um Cian drängend ist. Vielleicht bekommt sie dazu eine Gelegenheit, wenn sich der alte Elf auf dem Wege der Besserung befindet.

      Arawn erwähnte im Gespräch, dass jedes Oberhaupt der Fairwings magische Fähigkeiten besitzt, seitdem sich eine Westelfe und ein Vorfahr dieser Herrscher vermählten und Kinder bekamen. Die Eigenarten der magischen Fähigkeiten sind jedoch nicht immer gleich, sie ändern sich von einer Generation zur nächsten. Er besitzt die besondere Gabe eines Gestaltwandlers und ist außerdem ein Spurenleser. Darüber grübelt die junge Elfe, findet jedoch keine Erklärung, was die Begriffe bedeuten. Arawn hat diese Ausdrücke nur nebenbei erwähnt, so, als seien sie nichts Besonderes. Doch daran glaubt sie nicht.

      Dieser Mann ist seltsam, wirkt auf angenehme Art geheimnisvoll. Er vermittelt ihr den Eindruck, bei ihm geborgen zu sein. Er versteht unter Herrscher nicht, andere zu unterwerfen und auszubeuten, sondern, deren Behüter, quasi ihr Vater zu sein. Das drückt sich in der Art aus, wie er mit seinen Gefährten, aber auch mit der fremden Elfe umgeht.

      »Warum ist Cian so verwirrt, ist das eine Folge seiner Verletzung?« Cloes Gedanken driften davon. Was hatte Arawn über Cian gesagt? »Er murmelt immer wieder »Drache« oder auch »Draco«. Ob damit das Drachenungeheuer gemeint ist. Habe ich … doch, ich habe heute ein …« Sie ist fast eingeschlafen, da schreckt sie wieder auf. Eines der Pferde schnaubt und scharrt mit einem Huf. Ist das Doineann, droht hier eine Gefahr? Das Herz der Elfe pocht heftig, während sie auf Geräusche lauscht. Soll sie eine Lichtkugel nutzen, um sich umzuschauen? Sie wagt es, auch auf das Risiko hin, sich dadurch möglichen Feinden zu verraten.

      Die Kugel schwebt zur Decke und zeigt ihr, dass sie mit den Pferden allein ist. Sie scheinen völlig entspannt zu sein. Sollte sie sich getäuscht haben? Da sie nun aber hellwach ist, steht Cloe auf, geht nach draußen und schaut sich dort um. Der Platz zwischen den Hütten ist leer, die Männer haben sich auch schlafen gelegt! Da bis auf die Silhouetten einiger Vögel auf den Hüttendächern niemand zu sehen ist, normalisiert sich der Herzschlag der Elfe wieder. Sie beschließt dann aber vorsorglich, noch einen Blick auf die Zugbrücke zu werfen. Die Pferde könnten einen Wolf gehört haben! Sie muss sich vergewissern, dass dort alles in Ordnung ist. Die Lichtkugel schwebt etwas vor ihr her und beleuchtet den Weg. Im Durchgang des Walls hallen ihre Schritte, sonst sind keine Geräusche zu hören. Die Zugbrücke ragt in den Himmel, hier ist also alles in Ordnung. Der tiefe Abgrund versperrt den Raubtieren den Zugang zur Fluchtburg. Die Elfe seufzt zufrieden. Sie überlegt kurz, ob sie den Rat Arawns missachten und kurz auf der anderen Seite nachsehen soll, ob die Wölfe immer noch zwischen den Felsen auf ihre Beute lauern. Die werden vermutlich längst aufgegeben haben. Außerdem kann sie notfalls zaubern, was soll ihr da schon groß geschehen? Sie fixiert eine gegenüberliegende Stelle und beginnt den erforderlichen Spruch.

      »Porta...«, als sie sich schnell unterbricht. Auf der anderen Seite glitzert etwas. Es befindet sich etwa in Höhe eines Felsens, der oberhalb des Weges liegt, den sie hierher genommen haben. Dort erkennt sie zwei rötliche Punkte, die von einem Paar Augen stammen, die das Licht der Leuchtkugel reflektieren. Sie lenkt diese zu dem Felsen hinüber, doch bevor das Tier auf dem Stein zu erkennen ist, verschwinden die eng beieinanderstehenden Lichtpunkte. Cloe ist sicher, das muss einer der Wölfe gewesen sein, der von dort zu ihr herüberschaute. Ein leiser Schauer läuft ihr den Rücken hinab. Jetzt fällt ihr ein Fehler auf, sie hat vergessen, zuerst ihren magischen Schutz aufzurufen! Es ist nur gut, dass sie bisher auf Arawn gehört hat. Die Räuber gelangen nicht zu ihr, wenn sie sich ihnen nicht freiwillig ausliefert. Ob sie morgen immer noch auf ihre Beute lauern? Die Elfe schüttelt sich. »Das werde ich bei Tageslicht sehen!« Sie dreht sich um und liegt bald wieder im duftenden Heu. Als die Lichtkugel erlischt, hinterlässt sie eine tiefere Dunkelheit als zuvor. Erneut dauert es lange, bis die Elfe einschläft.

      Ein Paar bernsteinfarbene Augen fixieren Cloe. Sie bannen sie derart, dass sie kaum zu atmen wagt. »Ich muss mich schützen«, denkt sie verzweifelt. Doch der sonst so einfach aufgerufene Spruch fällt ihr nicht ein. »Das ist doch nicht möglich. Mom, wie kann ich mich …?« Die Elfe dreht sich in Zeitlupe um und versucht fortzulaufen, doch die Beine wollen nicht gehorchen. Ganz langsam setzt sie einen Fuß vor den anderen. Kann sie dem Räuber so entkommen? Es muss doch möglich sein, schneller zu laufen! Aber es gelingt ihr nicht! Sie blickt angstvoll zurück. Die zwei braunen Augen starren sie unverändert an. Sollte der Wolf, denn diesem Tier gehören sie, hypnotische Kräfte haben? Vermag sie deshalb nicht zu zaubern? Erneut versucht sie, fortzulaufen, nachdem sie sich mit Mühe zur Flucht


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