Der dritte Versuch Elfen und Menschen. Norbert Wibben

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Der dritte Versuch Elfen und Menschen - Norbert Wibben


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Entscheidung. Man muss wissen, wann man verloren hat.« Die dunkle Stimme klingt nicht überheblich oder triumphierend, sie äußert einfach eine Feststellung. Jetzt folgt Shane dem Beispiel seiner Tante. Die Elfenmesser lassen sie in ihren Gürteln stecken. Sie werden auch nicht aufgefordert, sie herauszuziehen.

      »Sind noch weitere Menschen im Gebüsch verborgen?«

      »Nein, wir sind allein!«

      »Warum habt ihr euch vor uns versteckt? Meint ihr, dass wir Feinde sind?«

      »In den heutigen Zeiten kann man nicht vorsichtig genug sein, zumal wir ohne Pferde und nur unzureichend bewaffnet sind. – Sagt ihr uns, woher ihr kommt und was eure Absichten sind?« Robyn schaut den Mann erstaunt an, als der nach ihrer Frage zuerst sein Schwert zurück in die Scheide steckt und die zwei anderen seinem Beispiel folgen. Den Reitern gibt er ein Zeichen, die Bogen zu entspannen, erst dann entgegnet er:

      »Da wir euch überlegen sind, liegt es eher an mir, euch diese Fragen zu stellen. Ich erkenne aber euren Mut an und nicht nur das!« Sein Blick wandert zwischen Tante und Neffe hin und her. »Ich sehe auch, dass ihr das Recht habt, mich zu fragen. Ihr befindet euch schließlich auf eurem Gebiet, durch das wir reiten.« Er macht eine kurze Pause, in der die beiden ihn erstaunt und fragend ansehen. »Mein Name ist Aedan. Ich bin …«

      »... ein Gefolgsmann meines Bruders!«, ergänzt Robyn verblüfft. Sie betrachtet den Mann genauer. Die rötlich-blonden, krausen Haare passen zu dem Bild aus ihrer Erinnerung, doch eine breite Vernarbung, die fast seine gesamte rechte Gesichtshälfte verunstaltet, machte ihn für sie unkenntlich. »Es ist viele Jahre her, seit ich dich zuletzt gesehen habe. Damals warst du noch ein junger Mann, so etwa in dem Alter, wie mein Neffe Shane jetzt.« Sie nickt dabei in dessen Richtung.

      Sofort verbeugt sich der Mann tief vor Robyn, doch vor Shane fällt er auf ein Knie und senkt den Kopf.

      »Mein König!« Seinem unerwarteten Ausspruch folgt ein Moment der Stille. Im nächsten sitzen alle Krieger ab, halten die Tiere am Zügel und setzen ebenfalls ein Knie auf den Boden. Ihre Stimmen erschallen laut und jubelnd:

      »Unser König!« Shane wird abwechselnd rot und blass. Damit hat er nicht gerechnet. Leicht stotternd fordert er die Männer auf, sich zu erheben.

      »Ich danke euch. Ich bin zwar der Thronfolger, aber noch nicht zum König gesalbt. – Wenn ich gemeinsam mit Aedan euer Anführer sein darf, freut mich das sehr.« Er blickt in die Runde und dann seine Tante und den Führer der Reiter an.

      »Das hat er ganz geschickt gemacht«, denkt diese und fordert laut: »Wir sollten Informationen austauschen und uns beraten.« Sobald sie sich gesetzt haben, fragt sie Aedan, ob er seine Narbe beim Angriff der Dubharan auf die Königsburg erhalten habe. Etwas verlegen bestätigt dieser, was Robyn vermutet hat.

      »Ich versuchte damals, den König zu schützen, und geriet dabei in den Feueratem des Drachen.« Damit ihm das nicht nachträglich als Heldentat angerechnet wird, er konnte den König schließlich nicht retten, fügt er leicht lächelnd hinzu: »Die Bedeutung meines Namens, der aus Feuer Geborene, ist dadurch sozusagen bestätigt worden, da ich überlebte.« Aedans Stimme klingt angenehm und sachlich. Er will mit der Tat nicht prahlen. Das passt offenbar zu seinem Charakter. Obwohl er ein Anführer der Menschen des Ostreichs, und als Gefolgsmann des Königs ein höhergestellter Adliger ist, ist er so einfach wie die Männer gekleidet. Weder Schmuck noch Zierrat zeichnen ihn gegenüber diese aus. Er fährt fort. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Thronfolger damals mit dem Leben davongekommen ist. Wir haben ihn zwischen den Toten nicht gefunden und dich auch nicht.« Er blickt Robyn an. »Doch das bedeutete damals nichts, da viele Kämpfer durch den Drachen getötet und zur Unkenntlichkeit verbrannt waren. Manche blieben einfach verschwunden. Da wir seit den Tagen keine Informationen vom Überleben des Thronfolgers erhielten, rechneten wir mit seinem Tod.«

      »Dass Shane überlebte, durfte auch nirgends bekannt werden. Das hatten Cian und Kayleigh beschlossen, damit die Dubharan nicht nach ihm suchen sollten. Ich konnte mit ihm damals nur knapp ihren Nachstellungen entkommen und unsere Spur verwischen. – Doch das ist unerheblich. Wie hast du mich eigentlich erkannt. Ich hatte dich als Gefolgsmann meines Bruders zwar einige Male gesehen, doch dass du dich an mich erinnerst, ist mir unverständlich.«

      »Das liegt daran, dass du als Frau zum Krieger ausgebildet wurdest. Unter Elfen ist das üblich, bei uns Menschen aber eher selten. Deshalb, verzeih mir, schwärmte ich als junger Mann von dir. Deine Fähigkeiten waren berühmt, genauso wie deine Schnelligkeit. Dass ich dich vorhin warnte, den Stock gegen mich einzusetzen, weil wir schneller seien, entsprach sicher nicht der Wahrheit.« Diesmal lächelt der Mann sie warm an. »Außerdem ähneln eure Gesichtszüge dem toten König, daran habe ich euch schnell erkannt.« Er neigt erneut ganz kurz den Kopf und wartet mit leuchtenden Augen.

      »Robyn hat mich vor vielen Jahren aus dem Inferno des Kampfes um die Burg gerettet. Jetzt kehren wir zurück, um Elfen und Menschen gegen den neuen Versuch der dunklen Magier zu unterstützen.« Während der folgenden Beratung sitzen die Reiter wieder auf und verteilen sich in größerem Radius um das Gebüsch. Sie bilden Beobachtungsposten, um erscheinende Krieger der Dubharan frühzeitig zu melden.

      Aedan berichtet, dass er mit einhundert seiner Kämpfer auf dem Weg in das Gebiet der Ostelfen ist, um dem Heer der Dubharan in den Rücken zu fallen. Als Lennard, der Oberste der Elfen, durch das Ostreich zog, um sämtlichen Führern der Menschen den Plan darzulegen, den Kayleigh und Cian mit ihm aufgestellt hatten, war Aedan im Norden des Landes unterwegs. Seine Kämpfer zogen damals nicht mit, als der Elfenführer die Krieger der Menschen dazu aufforderte. Sobald er zurück war, unterrichtete ihn sein Stellvertreter von den Ereignissen, woraufhin er alle Kämpfer sammelte und nur eine Handvoll zum Schutz seiner Eigentümer zurückließ. Robyn und Shane informieren ihn darüber, was sie bei den Anführern des dritten Heeres der Dubharan erfahren haben, und dass die Mittelelfen sowohl einen Reitertrupp gen Norden, aber mit der Hauptmacht ihrer Kämpfer offenbar zu den Ostelfen gezogen sind.

      »Der geplante Überfall auf die alte Königsstadt im Norden scheint bereits bekannt zu sein«, überlegt Aedan. »Darauf könnte die kleinere Truppe der Mittelelfen hinweisen, die dorthin unterwegs sein wird. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass der Plan der Elfen nicht so realisiert werden kann, wie sie es sich ausgedacht haben. Sie müssen ihre Kräfte teilen. Hoffen wir, dass unsere Unterstützung für die Ostelfen und Mittelelfen nicht zu spät kommt!«

      Die drei springen auf. Robyn und Shane bekommen die besten der mitgeführten Ersatzpferde, zudem jeweils Rundschild, Schwert und Bogen mit vollem Köcher. Beide überlegen, ob sie ihre Ersatzwaffe, den Stock mitnehmen sollen, lassen ihn dann aber mit leichtem Bedauern liegen. Beim Reiten sind die Langbogen ungewohnt genug, weil Robyn und ihr Neffe sonst den kürzeren Elfenbogen nutzen, da wären die langen Stecken nur hinderlich. Sobald sie in ihren Sätteln sitzen, reiten sie an die Spitze des Zuges, der sich Richtung Osten galoppierend in Bewegung setzt. Auch jetzt reiten sie hintereinander, um möglichen Feinden, die später ihre Spur entdecken sollten, die Anzahl der Krieger zu verbergen. Bevor die drei die Führungsposition erreichen, ruft jeder Kämpfer, den sie überholen:

      »Für unseren König!« Ihre Gesichter zeigen Entschlossenheit. Aedan, Shane und Robyn antworten jedes Mal:

      »Für die Freiheit!« Alle wissen, dass sie in eine gefährliche Schlacht ziehen, trotzdem sind sie bereit, im Kampf für Unabhängigkeit und gegen Unterdrückung notfalls ihr Leben zu geben. Aedan und Shane wechseln sich an der Spitze der langen Reihe ab, Robyn hält unverändert die dritte Position. Direkt hinter ihr reitet der Krieger mit dem Wimpel, auf dem ein symbolisierter Greif zu erkennen ist. Bei einem kurzen Blick darauf richtet sie sich unbewusst im Sattel auf. Es ist das Symbol des Königshauses des Ostreiches. Sie denkt einen kurzen Moment daran zurück, wie sie vor mehreren Tagen von einem älteren Paar der Mittelelfen nicht nur ein Pferd, sondern auch einen Elfenbogen und Pfeile geschenkt bekommen hat. Der Frau schenkte sie im Gegenzug ihren Gürtel als kleines Andenken. Nach einem Blick auf die Platte, die als Verzierung der Schnalle dient, wollten


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